Effektiv!

Redson Analog Delay 12 – Teil 1

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„Da, schenk ich dir, das Ding taugt nichts. Das Delay verzerrt nach kurzer Zeit – dann scheint die Batterie leer zu sein, damit kann man keinen Gig spielen!“ Mit diesen Worten drückte mir Mitte der 80er-Jahre mein Bekannter G. ein lädiertes Redson Analog Delay 12 in die Hand. Ich wusste zwar, dass Gs Jam-Blues-Rock Band „Freibier“ recht lange spielten, dass sie aber so lange spielten, bis die Batterie eines Delays geleert war, diese Angabe hielt ich dann für doch übertrieben.

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Jedenfalls wanderte der mir geschenkte AD12 erst mal in meine Asservaten-Schublade. Gab Wichtigeres. Alsbald landete der Redson dann aber doch auf meiner Werkbank zwecks Rep & Analyse. Schon rein interessehalber …

reverse engineering

Zu diesem Zeitpunkt war ich sehr fit im „reverse engineering“ von Platinen, meint, vom Layout der Platine ausgehend das Schaltbild zu rekonstruieren. Es war mir so eine Art Hobby geworden und ich betrachtete es als ein „elektronisches Kreuzworträtsel“. Es gab auch noch kein www, aus dem man beliebige Pläne herunterladen konnte – nee, man musste das alles noch selbst entwerfen. Jedenfalls bereitete das Kreieren des Redson-Planes keine großen Schwierigkeiten. Heutzutage geht das nicht mehr so einfach mit dem ganzen SMD-Kram und doppelseitig bedrucken PCBs in den modernen Analog-Tretern …

eingangsstufe

Gleich am Anfang, in der Eingangs-Impedanzwandler Stufe T1 – gebildet mit dem Transistor 2SC1815 – gibt‘s beachtliche Design-Schwächen. Man meinte es offenbar gut bei der Wahl eines 1MegOhm Eingangs-R, aber das zieht leider als BJT-Schaltkreis merkliche Verluste nach sich. Zum Repetieren dieses Sachverhaltes ist meine Kolumne über den Emitterfolger als Impedanzwandler aus Ausgabe 02/2018 sehr zu empfehlen.

Der recht geringe Basisstrom von 0,65uA – durch diesen 1MegOhm R fließend –, welcher die 4,5V-Bias-Spannung in die Basis des Eingangstransistors einkoppelt, lässt dann doch eine merkliche Spannung daran abfallen und vermindert so die nominale Biasspannung an der Basis auf 3,85V. Davon ist nochmals 0,6V als Schwellspannung zu subtrahieren, dann hat man den Arbeitspunkt am 10kOhm Emitter-Widerstand von T1. Und dieser Arbeitspunkt ist bezüglich der Hälfte der Betriebsspannung – also 4,5V – bei Weitem nicht symmetrisch, es stellt sich bei all den Verlusten dort nur etwa 3,25V ein. Das ist wirklich wenig.

Die negativen Signalspitzen bei Gitarren mit Humbucker-PUs werden an der Stelle beim kräftigem Saitenattack gnadenlos geclippt. Wir bräuchten hier wirklich jedes Millivolt mehr an positiverer Spannung am Arbeitspunkt. Vermindern wir jedoch den Wert des Bias Basis-Rs, erhöht sich auch die Spannung an seinem Emitter-R, was uns jetzt sehr gelegen kommt. 1MegOhm ist auch eigentlich viel zu groß für ein Delay, welches sich meist in der Reihenfolge der gesamten FX-Kette gegen Ende befindet. Dort wird ja keine Gitarre bzw. PU mehr direkt angekoppelt, wobei sich dann ein solch hochohmiger Eingangs-R positiv auf die PU-Resonanzspitze auswirken würde – ist aber hier nicht.

Also reduzieren wir diesen merklich und wählen 220kOhm. Die Arbeitspunkt-Spannung am Emitter-R des T1 steigt jetzt auf immerhin 3,75V. Eine Erhöhung um satte 0,5V. Bei einer theoretisch möglichen, symmetrisch unverzerrten Signalspannung von knapp 4Vss ist diese Erhöhung im Arbeitspunkt um mehr als 10% nicht schlecht.

koppel elko

An den Emitterfolger T1 anschließend der viel zu große Auskoppel-Elko von 10uF. Die E-Gitarre produziert während des Attack nicht unbeträchtlich starke, sehr niederfrequente sog. „Subsonic“ Frequenzen. Allein der Anschlag, wenn die Saite sich schnell weit aus ihrer Ruhelage entfernt Richtung Pickup bewegt und wieder zurück schnellt, produziert einen heftigen Subsonic-Impuls, den der PU – dessen untere Grenzfrequenz ja nicht definiert ist und gegen 0Hz geht, rüberbringt. Diese Subsonics sind, selbst wenn diese theoretisch auf den Lautsprecher erscheinen würden, unhörbar, stören aber aus verschiedenen Gründen das elektrische Übertragungssystem.

Durch die sich dadurch hier ergebenden langsamen Arbeitspunktverschiebungen bekommt man asymmetrische Dynamikeinbußen. Und wir haben hier in den Analog Delays bzw genauer deren verwendeten großen BBDs keine üppige Dynamik zur Verfügung! Die ist bei den 4k BBDs (4k = 4096 Speicherplätze) gar so gering, dass diese mittels zu Hilfe genommener Kompressor-&-Expander-Einheiten heftig aufgehübscht werden muss, um das BBD-Grundrauschen im Zaum zu halten – mehr dazu später.

Wir haben also summa summarum gerade in den Analog Delays (abgeschwächt auch in Chorus & Flanger) keinen Grund, durch schlampige Arbeitspunkt Designs oder falsch verstandene Frequenzvorgaben diese magere Dynamik unachtsam zu verschleudern.

Wir verringern also diesen 10uF großen Signal Elko auf einen zweckmäßigeren Wert von 1uF (kein Tantal-Typ). Wer‘s fein machen will, setzt ein Folien-C mit Rastermaß 2,5mm ein – gibt‘s vom deutschen Hersteller Wima.

pre-emphasis

Jetzt folgt die erste trickreiche Frequenzgang-Korrektur, die sog. Pre-Emphasis. Es zeigt sich, dass die oberen Mitten und Höhen des Gitarrensignals gegenüber den Bässen weit geringere Amplituden aufweisen. Diese Tatsache macht man sich zu Nutze. Man hebt jetzt die Höhen z.B. um Faktor 4 an und führt das nun im Frequenzgang verbogene Signal über eine rauschbehaftete Übertragungsstrecke S1 z. B. ein BBD Element.

Nach der Strecke S1, welche das Signal in irgendeiner Form bearbeitet, ist dieses rauschbehaftet. Jetzt wollen wir aber wieder unseren ursprünglichen Frequenzgang, dazu brauchen wir nur die Anhebung vor der Strecke nach dieser wieder spiegelbildlich rückgängig zu machen, also im Beispiel eine Absenkung der Höhen um Faktor 4. Soweit so gut. Gleichzeitig werden aber bei dieser sog. De-Emphasis auch die höherfrequenten Rauschanteile – stammend von S1 – mit abgesenkt, die sich ja ebenfalls im Ausgangsprodukt befinden.

Mittels dieses raffinierten Tricks hat sich final das Rauschverhalten in den hohen Frequenzen nach der Strecke S1 merklich verbessert. Gerade die höherfrequenten Rauschanteile wirken im audiophilen Spektrum besonders störend – Stichwort: Psychoakustik, Fletcher-Munson-Kurve. Dieser Pre-Emphasis/De-Emphasis-Trick wird in verlustbehafteten Signal Strecken sehr häufig angewendet, um das Signal/Rausch-Verhältnis und auch die darstellbare Dynamik in hohen Frequenzen zu verbessern, z. B. in FM-Rundfunk, bei Tonbandmaschinen etc. und natürlich auch hier in unseren Modulations-Tretern.

Übrigens, der RIAA-Phono-Entzerrer-Vorverstärker für Schallplatten-Wiedergabe arbeitet mit einem artverwandten Trick – hier ist die „Störstrecke“ die Schallplattenrille selbst. Und – nicht wundern, auch in den analogen Signal-Aufbereitungsstufen vor und nach der Digitalisierung in Digital Delays, z. B. dem altgedienten Boss DD-3, findet dies seine Anwendung.

abtast theorem

Nachdem das Gitarrensignal trickreich aufbereitet wurde, könnte man es eigentlich jetzt schon durch das BBD jagen, um es zu verzögern – darum geht es ja eigentlich. Jetzt unterliegt aber leider das BBD (= analoges Schieberegister) dem Abtasttheorem. Das bedeutet im Schnelldurchlauf, dass die zu verarbeitenden Signalfrequenzen höchstens halb so groß werden dürfen wie die Abtastfrequenz als solche, ansonsten entstehen akustisch grässliche „Foldover“-Verzerrungen – die, wenn erst mal gebildet, durch nichts mehr zu eliminieren sind, da diese in den Nutzfrequenzbereich „reingespiegelt“ werden.

Um mit dem großen 4k BBD (MN3005, Panasonic/Matsushita) 300 ms Verzögerung zu bekommen, müssen wir mit der Abtastfrequenz deutlich unter 10kHz gehen. Mit anderen Worten: Das Nutzsignal ist bei etwa 2 bis 3kHz nach oben hin sehr steilflankig zu begrenzen. Mit dem üblichen Tiefpass-Filter erster oder zweiter Ordnung – also 6dB bzw. 12dB je Oktave kommt man da bei Weitem nicht zu Rande. Da muss richtig schweres Gerät her. In aller Regel arbeitet man bei Analog Delays vor dem 4k BBD mit einem Filterblock 5ter Ordnung – also stattlichen 30dB/Oktave.

filterblock

Gebildet wird der 5-polige Filterblock mittels der beiden direkt gekoppelten Emitterfolgern T2 & T3, welche sich direkt nach dem Pre-Emphasis-Filter IC1a befinden. T2 bildet ein Tiefpass zweiter Ordnung, T3 einen mit dritter Ordnung.

Am Ausgang des IC1a steht die Bias-Spannung von 4,5V an. Mit jedem folgenden Filter-Transistor sinkt die Arbeitspunkt-Spannung an deren Emitter um 0,6V ab. Am Ausgang des Filterblocks (Emitter T3) beträgt der Arbeitspunkt also 4,5V – 1,2V = 3,3V. Der darstellbare negative Swing der Signalspannung beträgt hier lediglich noch etwa 1,5V. Es ist verständlich, dass die Arbeitspunkte an anderer Stelle der Schaltung bestmöglich eingestellt werden müssen, damit diese doch schmale unverzerrte Signalspannung nicht noch dort zusätzlich beschnitten wird.

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2018)

Produkt: Gitarre & Bass 12/2022 Digital
Gitarre & Bass 12/2022 Digital
Im Test: J. Rockett Uni-Verb +++ G&L Fullerton Deluxe LB-100 +++ Dowina Albalonga GACE HiVibe +++ Nik Huber Bernie Marsden Signature +++ Fender Acoustasonic Player Telecaster +++ Gibson Dave Mustaine Signature Flying V +++ Börjes JB-Custom 5 DLX-Multiscale +++ EarthQuaker Devices Ghost Echo by Brain Dead +++ Blackstar St. James 50/EL34 112 Combo +++ Harley Benton Double Pedal Series

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