Ihr wolltet es, ihr kriegt es: Till Hoheneder zeigt seine Pedals & Amps

Till & Tone: Das Eskalationsprinzip!

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(Bild: Boris Breuer / Till Hoheneder)

Zunächst einmal möchte ich mich bedanken – und zwar bei allen Gitarre & Bass-Lesern, die mir über Instagram, Facebook oder meine Webseite soviel Zuspruch, Anregungen und Feedback geben! Deswegen schreibe ich diese Kolumnen sehr gerne! Viele von euch wollten wissen, wie mein Pedalboard bestückt ist und was für Amps ich benutze. Also komme ich diesen Anfragen nach und werde in dieser Folge mal detailliert beschreiben, warum, wie und was ich zurzeit benutze!

Ich fange mal mit den Amps an…und damit das klar ist: Ja, ich habe zu viele Verstärker. Aber hat nicht schon Leo Fender mal gesagt: Nur einen Amp zu besitzen ist wie Sex in der Ehe – es reicht einfach nicht! Vielleicht hat er das auch nicht gesagt, aber ich halte mich daran, sicher ist sicher. Was Verstärker und Gitarren angeht – ich bin im Laufe der Jahre ein Fender-Mann geworden, vor allem Live. Das war nicht immer so.

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Jahrelang war ich von einem Sound-Erlebnis meiner Jugendzeit geprägt: Im Keller meines Freundes Frank Deimel von Deimel Guitarworks wurde ich als 16-Jähriger Ohrenzeuge eines unvergesslichen Spektakels. Peter, Franks Bruder, hatte sich einen Vox AC30 gekauft. Er klinkte seine Gitarre ein, drehte den Volume-Regler des Top-Boost-Channels voll auf und gab mir die Gitarre. Ich wiederum drehte das Volume-Poti auf und schrubbte einen Pete-Townshend-Windmühlen-Gedächtnis-Powerchord. In „A“. Das klang in dem gekachelten Kellerflur wie ein einstürzendes Hochhaus, eine ohrenbetäubende, physische Erfahrung, die mir durch Mark und Bein ging. Von da an wusste ich, dass ich irgendwann mal einen Vox AC30 besitzen muss.

’62 Fender-Tremolux Amp (Bild: Till Hoheneder)

Jahre später schenkt mir meine Freundin Gaby Köster einen Vox AC30, Baujahr ’74. Diesen Amp habe ich lange benutzt, bis er mir zu schwer und vor allem zu laut wurde. Dann kamen und gingen Amps: Vintage (z.B. 1954 Fender Super), Boutique (z.B. Divided by 13, Matchless, Tonehunter) und amtliche „Brot & Butter“-Kisten (Pro Junior, 65 Deluxe Reverb, Vox AC15). Heute benutze ich je nach Größe der Location einen ca. 35 Watt starken 62er Fender-Tremolux-Head mit einer halboffenen 1×12 Box, einen 18W/1×12 Tonehunter JB Special oder einen 5W/1×10 Pipper 5f2 Princeton-Replica-Amp.

Tonehunter JB Special (Bild: Till Hoheneder)

Ich weiß, dass viele ihre großen Doppeldecker-Boards mit Switching-System benutzen, aber das ist mir für meine paar Effekte zu viel Gewiggel. Natürlich ist das „besser“, als die Pedale alle einfach hintereinander zu schalten, aber bis jetzt bin ich soundmäßig noch nie untergegangen – ich kriege Gott sei Dank immer ein dickes Lob von den Soundleuten.

Pipper 5f2 Princeton-Replica (Bild: Till Hoheneder)

WILLKOMMEN AN BOARD!

Jetzt zu meinem Board: Als erstes kommt mein Tuner, ein Korg Pitchblack X. Am Pitchblack liebe ich, dass er auch im Hellen gut ablesbar ist und die Möglichkeit, zwischen True Bypass und einem guten Buffer zu wählen. Im Augenblick steht es auf „True Bypass“. Vom Korg geht es direkt in meinen neues Lieblings-Dreckstück: den DanDrive VoCooder. Den VoCooder zu beschreiben ist nicht einfach. Er heißt VoCooder, weil man mit ihm Gain-Strukturen hinbekommt, die an Ry Cooders opulenten Sound von Stücken wie ‚All Shook Up‘, ‚I Can Tell By The Way You Smell‘ oder ‚Let’s Have A Ball‘ (alle vom ‚Get Rhythm‘-Album) erinnern. Tweed-ig, im positiven Sinne bratzelig und üppig im low end, aber mit durchsetzungsfähigen Höhen.

Will sagen: Aus einem Magermilch-Strat-Bridge-Pickup wird Sahne, aber ein Humbucker wird auch nicht zu mild und matschig. Der VoCooder ist ein „nasty Beast“, das haben J.D. Simo, Joey Landreth und ich unserem Freund Dan von DanDrive Pedals unabhängig voneinander mitgeteilt. Vom Beast geht es direkt in den Sex Drive von Durham Electronics. Ein Pedal, das ich auch nicht als klassischen Overdrive bezeichnen würde. Eher ist der Sex Drive (der heißt so wegen Charlie Sexton, Gitarrist bei Dylan, Bowie, Don Henley etc.) ein Booster, der ein bisschen Gain und Kompression in petto hat.

Ein zauberhaftes Pedal, es ist wie ein automatischer Veredler. Wie beim Fotobearbeiten mit dem iPhone, da gibt’s doch den „Zauberstab“ im Bild-Bearbeitungsmodus – und genau so funktioniert der Sex Drive: Alle Frequenzen klingen schöner, straffer, besser, edler – einmal eingeschaltet, macht man nur noch selten aus. Ob der Sex Drive an den Anfang oder das Ende der Effektkette gehört, muss jeder selbst entscheiden. Das Sex Drive hat keinen True Bypass, sondern einen exzellent klingenden Buffer.

Mein Pedalboard – hier muss alles auf Knopfdruck eskalieren! (Bild: Till Hoheneder)

BITTE NICHT ABSAUFEN!

Weiter geht es bei mir mit dem Vemuram Jan Ray. Dieses Pedal lässt keinen kalt. Die einen hassen es, denn es ist teuer. Die anderen, weil es angeblich eine schamlos abgekupferte Kopie des Timmy-Pedals von Paul Cochrane ist. Okay, aber was soll Ibanez denn sagen angesichts millionenfacher Tube-Screamer-Kopien?

Was die Kohle angeht: Das Jan Ray ist meiner Meinung nach jeden Cent wert. Was in den ganzen YouTube-Videos nicht hörbar ist, wenn das Vemuram mit billigeren, aber angeblich exakt gleich klingenden Pedalen verglichen wird, ist das „Spielgefühl“ des Jan Ray. Irgendwie kleben die Noten länger am Finger, haben mehr Sustain – und das kann man nicht hören, das fühlt man beim Spielen. Nennt mich einen Narren, mir egal. Ich habe es oft genug akribisch mit zig anderen Overdrives verglichen. Das Jan Ray ist immer noch auf meinem Board. Es ist teuer, aber ich liebe es. Genau wie den Tremulator, eines der ersten Boutique-Pedale, von James Demeter vor über 40 Jahren für Ry Cooder gebaut.

Mr. Cooder wollte ein Pedal, dass den Tremolo-Sound seines Fender Twin Amps hinbekommt: Er bekam den Tremulator, den man bis heute kaufen kann. Ein geräuscharmes, tiefes Tremolo, welches das Signal auch leicht boostet (ca. 1db) – es gibt nix besseres, außer das wunderbare Röhren-Bias-Tremolo meines alten 63er Tremolux! Das war die Gain-Abteilung. Ja, trotz des Tremulators – der ist zwar ein Modulationspedal, aber ich benutze ihn oft als zusätzlichen Solo-Boost (mit Rate & Depht-Regler auf 11 Uhr). Beim Stacking der Gain-Pedale passe ich auf, dass der Sound sehr durchsetzungsfähig bleibt und mein Signal nicht totkomprimiert absäuft.

SEEKRANK?

Kommen wir zum Chorus mit einem Gerät, das auch auf Michael Landaus Brett war: dem Arion SCH-Z Stereo Chorus. Mein Freund, Ralf „Tonehunter“ Reichen hat das Pedal effizient modifiziert: der Bass-Bereich ist nicht mehr so boomy, True Bypass, bessere Potis und ein stabiler Druckschalter. Dieser Chorus verträgt sich sehr gut mit Zerrsounds – das kann man nicht von allen Chorus-Tretern behaupten. Er klingt weich und schön tief, aber auch das Vibrato hat einige wunderbare, seekranke Sounds zu bieten. Vom Pedal danach, dem Strymon Cloudburst wird einem nicht übel, es sei denn der Preis löst Reflux aus. Ich habe die Preiskröte geschluckt, weil ich in einer Gitarren-Band auch mal ein paar Streicher-Flächen anbieten wollte. Das kann das Cloudburst erstaunlich gut – für mehr benutze ich es auch nicht.

Wer jetzt schon stöhnt „mein Gott, ich wollte doch kein Vermögen für so ein paar bekloppte Tretminen ausgeben!“ – für den hab ich ein günstiges Delay im Angebot: Das Foxgear Echosex Baby ist mit ca. 120 Euro eine Cheapo-Version des teuren Gurus Echosex. Beide Varianten sind Kopien des legendären Binson Echorec (Gilmour!). Mir gefällt das Echosex Baby sehr gut, denn ich brauche weder Tap-Tempo noch ein U2- Delay, das endlos durch namenlose Straßen klingelt. Ich will nur ein bisschen „Geschmack am Vogel“ haben, etwas Luft unter den Flügeln. Das macht das Foxgear echt prima, mit Tone und Modulationsregler. Klar geht es auch noch billiger, aber diese ultracheapo Pedals zu kaufen, das schaffe ich mental einfach nicht.

ES MUSS ESKALIEREN!

So, last but not least – also der letzte der lesen lernt, muhahahar – kommt mein einziges Pedal, das ich schon seit über zehn Jahren benutze … das Hermida Audio Reverb 2. Ein Mix-Knopf regelt den Anteil des Halls, fertig. Voll aufgedreht schön groß und splashy – oder eben ganz dezent, kaum wahrnehmbar. Simpel, aber es klingt richtig klasse. Was will man mehr? Vom Reverb geht es mit einem Vovox Sonorus-Kabel (war nen Geschenk!) in den Amp. In das Board geht es von der Gitarre mit einem Vox Spiralkabel VCC-90. Ein gutes Kabel, ich mag die Vintage-Optik der Spiralkabel. Die Stromversorgung erledigt mein Voodoo Lab Pedal Power 2+. Das war’s, mein augenblickliches Pedalboard.

Wichtig ist mir das, was ich das „Eskalationsprinzip“ nenne: Egal, auf welches Boost/Drive/Modulations-Pedal ich trete – es muss eskalieren, der Sound muss sich signifikant hörbar verändern. Mehr Gain, noch lauter, moduliert oder verhallt! Ich weiß nach all den Jahren genau, was ich hören möchte. Ich habe meinen original Klon Centaur Silver Horsie vertickt, weil ich das Pedal nicht mochte. Da ist mir auch völlig latte, wie viel es heute wert wäre und ob z.B. John Mayer seinen Klon über alles liebt. Wer wie Mayer eine Strat-Copy mit einer derart hässlichen Kopfplatte spielt, der soll … aber lassen wir das lieber. Ich mag die Eskalation, aber nur was die Sounds von meinem Pedalboard betrifft!


(erschienen in Gitarre & Bass 02/2024)

Produkt: Effekt Pedale ABC – Alles über Effektpedale Digital
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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Dein Eskalationsprinzip ist jetzt nicht grade pedaltechnisch das GilmorePedalPrinzip, aber hat durchaus auch seine Berechtigung. Kenne nur eine Box auf Deinem Stress Brett)) , spannend.
    Lg

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    1. Dein Kommentar zu Mayer “made my day”.
      Ansonsten verstehe ich, was Du meinst, klingt super logisch.
      Cheers Stefan

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  2. Was ich mich frage: da hast Du deine absolute Lieblingsgitarre (Tele) und wirklich edle Amps (Fender, Tonehunter, Pipper) und dann 9 Pedale dazwischen. Bleibt da noch was vom fein abgestimmten Amp-Sound übrig?
    Meiner Erfahrung nach geht das ganze schöne Feeling schon mit 3 Pedalen den Bach runter …
    Ich bin wohl das, was man einen Puristen nennt (aber eigentlich ist mir das alles einfach immer zu viel “Gedöhns” – ich stöpsel das Kabel in den Amp und schaue, was passiert).
    Nichts für ungut – ich lese Deine Kolumne sehr gern. viele Grüße R.

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    1. Das ist die Frage die mich auch immer umtreibt: Was bleibt vom Ampsound bei soviel Pedalen eigentlich noch über? Ich habe vor dem Amp nur einen Kompressor und einen H&K Tube Factor (..den kann man so einstellen, dass sich klanglich kaum was verändert) falls ausnahmsweise mal mehr Dampf/Sustain benötigt wird. Dazu ein Tremolo-Pedal…ach ja, und ein Cry Baby was ich seit Jahren nicht mehr benutzt habe ist auch noch zu nennen. Ansonsten wird ein Delay send/returned, Reverb benutze ich den bordeigenen (..die nicht soo tolle Qualität fällt im Bandgefüge live kaum auf…) eines meiner beiden Peavey Classic 30 (USA built), wobei ich nur einen Amp ansteuere und den 2. als zusätzliches Kabinett, beide mit Vintage 30 Speakern ausgestattet, benutze. Ich hab `ne ganze Galerie an Amps zu Hause stehen, aber dieses Paar ist einfach unschlagbar. Die Vorstufe auf 12-13:00 Uhr eingestellt…Gitarre ein Drittel runtergedreht, und schon hat man einen Rhythm-Sound, der je nach Anschlagsstärke cleaner oder crunchiger ist. Aufgedreht:Bang!!! Duesenberg Starplayer oder Mexico-Tele…egal, es klingt immer durchsichtig und definiert, auch wenn ich den ganze FX-Krams weglasse! Und halt so wie der Amp klingt. UND, das ist für mich das Wichtigste: Es fühlt sich auch gut an! Ganz wie Till es beschrieben hat. Ich habe über mehr als 5 Jahrzehnte alles Mögliche ausprobiert, auch angefangen mit einem AC 30, zig Amps und Soundgeräte ausprobiert, dran rumgedreht und -geschraubt…aber der wirklich wahre Sound mit dem entsprechenden Spielgefühl kommt am besten mit der Kombination Gitarre-Kabel-Amp. (Die Metaller werden das wahrscheinlich anders sehen, aber zu der Fraktion gehöre ich nun mal nicht). Und noch ein UND: Die Finger machen den Sound! Du kannst dir das teuerste Equipment kaufen, wenn deine Finger UND auch dein Herz nicht wissen wohin…dann wird es nie wirklich gut klingen. Meine Devise: Pure? Sure!!!

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  3. Nuja, die 9 Pedals werden wohl kaum alle gleichzeitig zum Einsatz kommen.
    Im ausgeschalteten Zustand brauchts am Anfang der Kette einen guten Buffer und anständige Verkabelung. Dann geht auch nicht wirklich Ton hopps.
    (Hab das eingehend getestet und optimiert: Bei mir werkelt eingangs der Kette ein Lehle Volume Pedal. Ich höre (ok Musikergehör mit junggebliebenen 57 Jahren :-/) keinen bedeutsamen Unterschied zu Kabel direkt in den Amp.

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  4. Vielen Dank für den Bericht. Immer wieder nett, etwas über die Herangehensweisen zu erfahren, mit denen erfahrene Musiker ihren Sound formen.
    Aber Leute, lasst euch nie auf den Gedanken bringen: Wenn ich das gleiche Gear benutze wie XY (hier: Till), dann klinge ich auch so.
    Egal ob Pete das mit der Ehe gesagt hat oder nicht, Musik und Sex haben viele Parallelen. In diesem Fall: Ich renne auch nicht los und frage wohlgemute Mitmenschen nach den von ihnen verwendeten Stellungen und/oder Hilfsmitteln, um mein Liebesleben zu verbessern.
    Was dem einen wirklich weiter hilft, bremst den nächsten komplett aus, siehe den Absatz zum Clon Zentaur. Dass Till Lob von den Technikern erhält, dürfte daran liegen dass er ein guter Musiker ist, und dass seine Finger, seinen Stil, sein Spiel mit den verwendeten Komponenten harmonieren.
    Geht in einen Laden und probiert rum. Lasst euch nicht von “Ist von B., kann eh nix” oder “wenn’s von S. ist, muss es gut sein” beeindrucken. Hängt dran was da ist, spielt, hört hin. Lasst euch inspirieren. Findet EUCH!

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