Meilenstein 1997: Stevie Ray Vaughan and Double Trouble – Live at Carnegie Hall

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Am 3. Oktober 2019 wäre der texanische Blues-Musiker Stevie Ray Vaughan 65 Jahre alt geworden.

Nach einem Konzert am 26. August 1990 in East Troy, Wisconsin, bestieg Vaughan einen Helikopter, der ihn nach Chicago bringen sollte. Bei starkem Nebel stürzte der Helikopter um 0:50 in den Bergen ab, Stevie und vier weitere Insassen starben. Vaughan war gerade mal 35 Jahre alt und hatte in dieser kurzen Zeit eine rasante Karriere hingelegt.

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Inspiriert durch seinen älteren Bruder Jimmie begann er im Alter von sieben Jahren mit dem Gitarrespielen. Mit zwölf spielte Stevie in der ersten Band. Nachdem er im Alter von 17 die High School verlassen hatte, trat er u. a. mit Paul Ray And The Cobras und Triple Threat Revue – an der Seite von W.C. Clark (b) und Lou Ann Barton (voc) – auf. 1979 gründete Stevie seine eigene Band Double Trouble, ein Trio mit Jackie Newhouse (b) und Chris Layton (dr). Doch erst mit dem ehemaligen Johnny-Winter-Bassisten Tommy Shannon stand das Lineup.

(Bild: Sony / Chuck Pulin / Starfile)

1982 wurde zum entscheidenden Jahr. Als erster Act ohne Album und Plattenvertrag traten Stevie Ray Vaughan And Double Trouble beim Jazz-Festival im schweizerischen Montreux auf. Hier wurden Jackson Browne und David Bowie auf ihn aufmerksam. Ersterer ermöglichte der Band Aufnahmen in seinem Downtown Studio, Los Angeles. Und Bowie bat den jungen Gitarristen, bei seinem nächsten Album mitzuspielen. 1983 erscheint dann Bowies ,Let‘s Dance‘ und SRV, wie er auch genannt wurde, steuerte die Soli u. a. zum Titelstück oder zum zweiten großen Hit ,China Girl‘ bei. Kurz darauf erschien das Debüt-Album ,Texas Flood‘ und ein Jahr später ,Couldn‘t Stand The Weather‘. Beide Alben knackten die Top40, was für eine Blues-Band in den frühen 80ern eine Sensation war.

Bei der anschließenden Tour trat die Band am 4. Oktober 1984 – einen Tag nach Vaughans 30. Geburtstag – auch in der New Yorker Carnegie Hall auf. Und mit dem Mitschnitt (der erst 1997 erscheinen sollte) kann man SRV pur erleben. Der legt gleich los mit dem scharfen Lick aus ,Scuttle Buttin‘‘, dem schnellen Instrumental das ,Couldn‘t Stand The Weather‘ eröffnete. Nur kommt auf der Bühne alles mit noch mehr Energie rüber. Genauso wie auch im ebenfalls instrumentalen ,Testifyin‘‘ (auf ,In Step‘ heißt das Stück nur ,Testify‘).

SRV mit runtergerockter Fender Stratocaster (Bild: Sony / Don Hunstein)

Typisch, wie Vaughan schnelle Linien mit länger ausgehaltenen Bends und komplexem Akkordspiel kombiniert. Und auch die markante Dynamik, eben der Wechsel zwischen ganz ruhigen Abschnitten und heftigen Leadparts, riss das Publikum von Beginn an mit. Und immer durchdringt Stevies markantes Fingervibrato die Musik. Es folgen Vaughan-Klassiker wie der straighte Rock‘n‘Roller ,Love Struck Baby‘ und die unglaublich runden Shuffle-Nummern ,Honey Bee‘, ,Pride And Joy‘ oder das großartige ,Cold Shot‘. Das treibende Riff in letzterer Nummer gewann an Tiefe durch den vibrierenden Sound eines Leslie-Effekts, also den Klang eines rotierenden Lautsprechers in einem Leslie-Cabinet. Im Studio benutzte Vaughan hierfür ein Fender Vibratone Speaker Cabinet.

Grundsätzlich bewegte sich SRVs Gitarren-Sound im un- bis angezerrten Bereich. An Effekten setzte Vaughan im Wesentlichen einen Ibanez Tube Screamer TS-808 und das Nachfolgemodell TS-9 sowie ein Vox-WahWah ein. Vaughan bevorzugte klassische Verstärker von Marshall und vor allem von Fender, u. a. die folgenden Modelle: 1964er Blackface Vibroverb, einen ‘59er Bassman-Combo, einen Twin Baujahr 1962 und einen Blackface Super Reverb. Doch für seinen Sound benötigte Vaughan vor allem eine Fender Stratocaster.

Seine von ihm so getaufte „Number One“ war eine abgewetzte Strat mit Rosewood-Griffbrett. Vaughans Gitarrentechniker Rene Martinez erzählte einmal über dieses legendäre Modell: „Stevie erwähnte immer, dass es sich bei Number One um eine ‘59er handelte. Als ich die Gitarre auseinanderschraubte, entdeckte ich, dass 1962 auf den Hals gedruckt und 1962 in die Korpusaushöhlung geschrieben war. Ich fragte mich, warum Stevie sie als ‘59er bezeichnete. Er sagte mir später: ‚Wenn du auf die Unterseite der Tonabnehmer schaust, steht dort handschriftlich 1959 vermerkt.‘ Also war es für ihn eine ‘59er.“

SRV spielte dicke Saiten, meist in den Stärken .013 (oder .014), .015, .019 (plain), .028, .038 und .058. Zudem stimmte er seine Gitarren auf Eb herunter. Trotz so verringerter Saitenspannung ist es bei solchen Drähten fast kaum zu glauben, wie Stevie mit seiner Gitarre geradezu abtaucht in den Slow-Bluesern ,Dirty Pool‘ oder ,The Things That I Used To Do‘.

Chris Layton, Stevie Ray Vaughan, Tommy Shannon (Bild: Sony / Don Hunstein)

Allerdings nicht alleine. Neben Double Trouble standen beim zweiten Set des Abends auch Gitarren-Bruder Jimmie, Dr. John (org/p), George Rains (dr) und die Bläser von Roomful Of Blues auf der Bühne. Schließlich war auch die stimmgewaltige Angela Strehli bei ,.C.O.D.‘ zu hören. Unglaublich scharf kommt Albert Collins’ ,Iced Over‘. Hier klingt Stevie mit sharp und flat intonierten Licks ganz ähnlich wie der Telemaster. Überhaupt spiegelt die Auswahl von 14 Stücken des länger dauernden Konzerts deutlich Vaughans blaue Wurzeln wieder. Auf dem Programm standen Songs seiner Idole, wie eben Collins, Guitar Slim, Elmore James und Albert King. Jimmie Vaughan erwähnt in den Liner Notes des Albums: „Stevie sagte mir, dass er die Musik seiner Helden spielen wollte, die Jungs die es nie bis in die Carnegie Hall geschafft hatten. Er kündigte dies nicht dem Publikum an, er hat nichts zu den Leuten seines Labels gesagt. Es war etwas nur zwischen uns beiden.“

Die Zugaben gehörten dann Stevie alleine. Er spielte die jazzige und seiner damaligen Frau gewidmete Ballade ,Lenny‘. Er verliert sich in ganz leisen Improvisationen, kaskadiert virtuos Akkorde und Arpeggien, gefolgt von Hammer-On/Pull-Off-Licks und scheint gar nicht aufhören zu wollen, bis endlich ein mit Flageoletts verzierter Akkord den Song beendet. Man hält beim Hören wirklich den Atem an. Kurze Pause und Mr. Vaughan setzt zum ultraschnellen Rocker ,Rude Mood‘ an. Was für eine Power, was für eine Virtuosität! Vaughans Talent wurde übrigens auch jenseits der Blues-Gemeinde goutiert. So befand Punk-Rocker Joey Ramone über SRV: „Er hat mich immer beeindruckt. Er konnte wirklich spielen und hatte einen coolen Look. Aber er war sehr ungekünstelt, einfach von Natur aus begabt und du konntest sehen, dass er sehr gefühlvoll war.“

,Live At Carnegie Hall‘ gehört zusammen mit den von Jimmie Vaughan kompilierten Studioaufnahmen auf ,The Sky Is Crying‘ (1991) und dem 1980 entstandenen Live-Mitschnitt ,In The Beginning‘ (1992) mit zu den wichtigsten (offiziellen) posthumen Veröffentlichungen von SRV & Double Trouble. Für Fans interessant ist auch das einzige Studioalbum ,Family Style‘ (1990) der Vaughan Brothers. Nun, der 65. Geburtstag ist sicher ein passender Anlass, mal wieder Stevie Ray Vaughan aufzulegen. Viel Spaß!

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2019)

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