Im Interview

Jonas Reingold: Progressive Bass

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(Bild: Matthias Mineur)

In der internationalen Progressive-Rock-Szene genießt Jonas Reingold einen glänzenden Ruf. Der 52-jährige Bassist stieg 1999 bei The Flower Kings ein, gründete 2002 seine eigene Band Karmakanic und ist seit Jahren ein allseits beliebter und gefragter Session-Musiker. Seit 2017 gehört der aus dem schwedischen Malmö stammende Musiker auch zur Gruppe des früheren Genesis-Gitarristen Steve Hackett.

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Jonas, kannst du bitte mal kurz erzählen, wie du in die Band von Steve Hackett gekommen bist?

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Gerne, dazu muss ich allerdings etwas weiter ausholen. Ich habe meine Karriere im Prog-Business vor über 20 Jahren begonnen, genauer gesagt: mit The Flower Kings im Jahre 1999. Mit der Zeit habe ich immer mehr Menschen in dieser Szene kennengelernt. Man trifft sich auf Festivals, man begegnet sich im Studio, man geht gemeinsam auf Tour, freundet sich miteinander an und bleibt anschließend in Kontakt.

Mit jedem weiteren Album vergrößert sich der Freundeskreis, und wenn man etwas gut macht, dann spricht sich das in der Szene schnell herum. Die Kollegen erfahren, dass man immer pünktlich und gut vorbereitet, freundlich im Umgang und professionell in seinem Job ist. So entwickelt sich alles Schritt für Schritt und man bekommt immer mehr Angebote. Man weiß nie so ganz genau, welches die genauen Kriterien sind, die zu einer Anfrage führen, gelegentlich dürfte auch reiner Zufall im Spiel sein. Aber eben nicht immer.

In diesem Fall kannte ich Rob Townsend, den Saxophonisten der Steve Hackett Band, den ich immer mal wieder getroffen hatte und mit dem ich meine Vorliebe für Jazz teile. Vor einigen Jahren erhielt ich die Nachricht, dass Nick Beggs (etatmäßiger Bassist der Band, Anm. d. Verf.) die damalige Tour nicht spielen konnte, da er mit Steven Wilson unterwegs war. Also rief ich Rob an und fragte ihn, ob der Posten noch frei sei. Er erzählte mir, dass er am Abend bei Steve zum Essen eingeladen sei und ihn bei dieser Gelegenheit gleich danach fragen würde. Schon am nächsten Tag rief Steve mich an, ich schickte ihm ein wenig von meinem Material, und so kam die Sache ins Rollen.

Kanntest du die Songs von Genesis und der Steve Hackett Band aus deiner Jugend?

Nicht aus meiner frühesten Jugend. Ich bin 1969 geboren, das heißt: Als sich Genesis mit ‚Selling England By The Pound‘ auf ihrem kreativen Höhepunkt befanden, war ich drei Jahre alt. Natürlich kannte ich die großen Hits der Achtziger mit Phil Collins als Sänger, eigentlich waren das für mich die originalen Genesis. Doch dann fing ich an, mich für Progressive Rock, für Rush und ähnliche Bands zu interessieren.

So stieß ich auch auf die alten Genesis-Scheiben, auf King Crimson, und so weiter. Der Vorteil ist, dass ich dadurch kein nostalgisch geprägtes Verhältnis zu den großen Genesis-Scheiben habe, sondern ein relativ nüchternes. Deshalb kann ich über viele Songs objektiver urteilen, als wenn sie Bestandteil meiner musikalischen Sozialisation gewesen wären. Heute höre ich mir vor allem die alten Sachen von Genesis, Yes oder King Crimson mit Begeisterung an.

Welches sind deine Favoriten?

‚Selling England By The Pound‘ gehört auf jeden Fall dazu, aber auch ‚Tales From Topographic Oceans‘ und ‚Close To The Edge‘ von Yes, dazu einzelne ihrer Songs, wie beispielsweise ‚Awaken‘.

Wie dicht an deiner eigenen musikalischen DNA ist das Material, das du mit Steve Hackett spielst? War es für dich einfach, dir die Stücke anzueignen?

Manche Songs waren sehr einfach, allerdings nicht alle. Schwierig war vor allem, sich die komplexen Arrangements zu merken. Spielerisch sind die Herausforderungen nicht sonderlich hoch, aber sämtliche Feinheiten im Kopf zu behalten ist nicht leicht.

Wie eng an die Vorlagen von Original-Genesis-Bassist Mike Rutherford hältst du dich?

Ganz unterschiedlich. Dort, wo es notwendig ist, spiele ich haargenau seine Parts, an anderen Stellen füge ich kleine Licks hinzu oder lasse Dinge weg, wenn ich sie als überflüssig erachte.

Wie lauten diesbezüglich die Vorgaben von Steve Hackett?

Um ehrlich zu sein, sagt Steve nicht viel dazu. Er weiß, dass ich bei den ersten Proben das Original exakt nachspielen kann und erst im Laufe der Zeit kleine Variationen einstreue. Und wenn sich niemand beschwert, dann halte ich an diesen fest. Aber natürlich setzen alle voraus, dass ich die signifikanten und charakteristischen Bass-Parts beibehalte, was ich auch mache. Wenn ich jedoch feststelle, dass Rutherford bei bestimmten Passagen improvisiert hat, nehme ich mir die gleiche Freiheit. Ganz ähnlich agiere ich ja auch beispielsweise bei den Flower-Kings-Alben: Manches wird Note für Note aufgeschrieben und exakt nachgespielt, an anderer Stelle gibt es Raum für Improvisationen.

Hast du dein Equipment gezielt auf die Steve Hackett Band ausgerichtet?

Nur geringfügig. Ich spiele überwiegend die gleiche Zusammenstellung wie bei Karmakanic oder den Flower Kings, denn auch hier geht es in erster Linie darum, sich gegen die vielen Keyboardsounds durchzusetzen. Deshalb habe ich auch zwei verschiedene Bässe dabei, einen davon mit aktiven Pickups, der lauter ist als der andere mit seinen passiven Tonabnehmern.

Den überwiegenden Teil spielst du mit Pick. Ist auch das der gewünschten höheren Lautstärke geschuldet?

Ja, zu 90% spiele ich mit Plektrum. Einerseits mag ich den klaren Ton, der durch das Plektrum erzeugt wird, andererseits passt er besser zu dieser Musik. Man bekommt mit Plektrum diesen perkussiven Chris-Squire-Sound, den ich sehr mag. Wenn man mit Fingern spielt, könnte der Sound in der Steve Hackett Band schnell untergehen. Eigentlich spiele ich nur dann mit Fingern, wenn ich meinen Fretless-Bass zur Hand nehme. Generell ist das größte Problem für einen Bassisten in dieser Musik, dass er sich nicht richtig durchsetzt.

Kommen wir zu deinen Instrumenten. Die Doubleneck gehört eigentlich Steve Hackett, oder?

Ja, das stimmt. Sie ist hand-made in England, ich habe sie mir von Steve ausgeliehen, da man so etwas von Rickenbacker nur sehr schwer findet. Die Firma heißt Manson, gebaut wurde das Instrument 2004, der Gitarrist von Muse spielt das gleiche Modell. Der Vorteil ist, dass ich so innerhalb eines Songs problemlos vom Bass zur Gitarre wechseln kann. Mein Hauptinstrument ist mein Rickenbacker 4001 aus dem Jahr 2016, das Finish heißt Fireglow. Mein allererster Bass in den 1980ern war ebenfalls ein Rickenbacker, den ich leider wieder verkauft habe, um mir einen Atari-Computer leisten zu können. Ich war soo dumm! (lacht) Bei mir zuhause steht auch noch ein alter Fender Jazz Bass 64, mit dem man auch den originalen Rickenbacker-Sound erzeugen kann. Außerdem habe ich noch einen Fender Jazz Bass Jaco Pastorius Fretless aus dem Jahr 2014.

Rickenbacker 4001 Fireglow, Baujahr 2016, dahinter EBS Classic 500 mit EBS Classic 410 CL
Fender Jazz Bass Jaco Pastorius Fretless, Baujahr 2014
Von Steve Hackett ausgeliehen: Manson Doubleneck, Baujahr 2004
Line 6 JTV-59 Variax CSBE, Baujahr 2018
Reingolds Basstechniker Richard Buckland

 

Gibt es spezielle Lektionen, die du in deiner Zeit bei der Steve Hackett Band lernen konntest?

Ja, natürlich. Man lernt von jedem Projekt, bei dem man sich mit neuer Musik beschäftigt. In meinem Fall bedeutet es, dass ich durch Steve Hackett die Musik von Genesis kennenlerne. Man entdeckt Dinge, die nur in diesem Kontext existieren und die man nirgendwo anders entdeckt hätte. Es gibt kleine Feinheiten, auf die man alleine niemals gekommen wäre und die sich ins Unterbewusstsein einbrennen. Vielleicht finden sie irgendwann auch Ausdruck in meiner eigenen Musik. Wer weiß das schon?! Es ist wie eine neue Sprache mit neuen Vokabeln, die man kennenlernt.

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2021)

Produkt: Gitarre & Bass 7/2023
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