Gear-Philosoph

Jeff Waters & Annihilator: Ich stehe nun einmal auf billige Gitarren

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The guitarist of Annihilator

Der Kanadier Jeff Waters ist ein in vielerlei Hinsicht außergewöhnlicher Musiker. Sein virtuoses Shredding, das geradezu beängstigend exakte Timing seines Spiels und das Tempo seiner Riffs gelten unter Metal-Instrumentalisten als Messlatte für perfekte Rhythmusgitarre. Gleichzeitig lässt sich Waters auffallend häufig mit Signature-Modellen ablichten, die gezielt für den kleinen Geldbeutel konstruiert wurden. Wir haben den 51-Jährigen getroffen, um mit ihm über das brandneue Annihilator-Album ,For The Demented‘ zu sprechen, aber auch über seine aktuelle, erstaunlich günstige Epiphone-Annihilation-II-Flying-V und über seine spezielle Instrumentenphilosophie.

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interview

Jeff im Gegensatz zu vielen anderen berühmten Gitarristen bist du schon seit Jahren ein leidenschaftlicher Verfechter von preisgünstigen Instrumenten.

Jeff Waters: Meine Haltung ist diesbezüglich ganz ähnlich wie die von Eddie Van Halen oder Angus Young: Gib mir eine Gitarre, die sich gut anfühlt, und ich spiele auf ihr. Sie muss nicht besonders edel sein, nicht besonders teuer, sondern sich nur gut anfühlen. Und wenn es etwas an der Gitarre zu ändern gibt, dann mache ich das selbst. Ebenso halte ich es mit meinem Spiel: Wenn du ein Video von mir oder Eddie Van Halen oder Angus Young auf YouTube siehst, wirst du erkennen, dass wir immer versuchen, unser Bestes zu geben. Trotzdem unterscheiden sich unsere Live-Performances von unserer Studioarbeit. Auf der Bühne dürfen auch Fehler passieren, denn Eddie und Angus haben mich eines gelehrt: Es geht um den Spaß an der Sache und nicht um Perfektion. Genauso verhält es sich hinsichtlich meiner Haltung zu Gitarren. In den zurückliegenden Jahren habe ich ausnahmslos Modelle gespielt, die man für weniger als 600 Euro kaufen kann. Meine neue Epiphone-V, die zweite aus der Reihe mit Namen ,Annihilation II‘, kostet gerade einmal 400 Euro. Und das hat einen guten Grund, denn wir wollen Gitarren für junge Musiker anbieten, die nur wenig Geld haben.

So wie es auch bei dir selbst als junger Musiker der Fall war.

Jeff Waters: Exakt. Als ich anfing, Heavy Metal zu spielen, konnte ich mir keine Gibson Les Paul für 3000 Dollar leisten, sondern nur eine Kopie für 300 Dollar. Viele meiner Freunde besitzen teure PRS-Modelle, ich aber habe mich für günstige Gitarren entschieden.

Jeff Waters Flying V
Epiphone Annihilation-V (Bild: Matthias Mineur)

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Auch als Sammler? Du sollst einige wahre Prachtexemplare besitzen.

Jeff Waters: Stimmt, ich sammle Gitarren und besitze zu Hause zum Beispiel eine edle Gibson SG Diablo, die mit der goldenen Hardware. Aber wenn ich im Studio bin, spiele ich mit einer Gitarre, die allerhöchstens 800 bis 1000 Euro kostet. Gleiches gilt für die Epiphone Flying V: Zu Hause habe ich einige sündhaft teure Sammlerstücke, aber wenn ich spiele, nehme ich billige Modelle mit einfachen Hälsen und günstiger Fertigung. Natürlich müssen sie bundrein sein, damit man in den höheren Lagen sauber spielen kann. Aber auch Eddie und Angus lieben billige Gitarren. Ich weiß, dass manche Menschen dies nicht verstehen können. Es kommt häufig vor, dass man mir eine 3000-Dollar-Gitarre in die Hand gibt und sagt: „Hier, Jeff, teste mal! Ein Traum!“ Aber mir gefallen sie nicht, ich stehe nun einmal auf billige Gitarren. Mir ist das Holz egal, die Beschaffenheit des Halses, die Tonabnehmer, alles egal, solange es sich gut anfühlt. Kennst du das Annihilator-Album ,Schizo Deluxe‘?

Ja, natürlich. Weshalb fragst du?

Jeff Waters: Es ist eine meiner Lieblingsscheiben, aber viele Journalisten kennen sie nicht. Auf diesem Album spiele ich eine ESP DV8-R, das Dave-Mustaine-Modell. Dave schickte mir die teure Version und seine Angel-Of-Death-V, eine weitere sehr schöne Gitarre. Ich aber ging in einen Gitarrenladen, testete die billigere Version der DV8-R, kaufte sie und spielte sie auf dem kompletten Album. Die 3000-Dollar-Klampfe blieb im Koffer, und die 800-Dollar-Version spielte ich im Studio. Ich weiß, dass es etwas sonderbar klingt, aber ich stehe zu dieser Philosophie.

Und wie passt dazu deine hochwertige Sammlung?

Jeff Waters: Die ist nur für meinen Spaß und als finanzielle Investition gedacht.

Jeff Waters Flying V
Epiphone Annihilation-V (Bild: Matthias Mineur)

Gilt deine Underdog-Mentalität auch für Amps? Und auch im Studio?

Jeff Waters: Ich spiele im Studio fast alles selbst, sämtliche Gitarren, den Bass, ich schreibe die Schlagzeug-Parts, ich schreibe die Texte und singe alles, ich engineere mich selbst und produziere das Album. Ich bin also vollauf beschäftigt, wenn es an ein neues Album geht. Aber ich muss dir etwas verraten: Mein Gitarrensound im Studio ist oft nicht sonderlich gut. Und wenn du den Gitarrensound auf unseren Scheiben isolieren würdest, könntest du es auch sofort hören. Aber durch das exakte Timing meines Spiels und durch die Art der Songs passt es dann am Ende doch. Es gibt eine Reihe Alben von Dio, Dokken oder Black Sabbath, oder auch ,Defenders Of The Faith‘ von Judas Priest, auf denen der Gitarrensound alles andere als gut ist. Aber die Songs sind so brillant gespielt und gesungen, dass es überhaupt nicht ins Gewicht fällt, ob die Gitarre nun übermäßig gut klingt oder nicht. Wenn ich also aufnehme, kümmere ich mich nicht lange um den perfekten Gitarrensound. Ich probiere ein paar Sachen aus, und wenn ich mich mit einem Sound wohlfühle, dann nehme ich ihn. Ich bin sehr schnell zufrieden.

Ganz konkret: Welche Amps verwendest du im Studio?

Jeff Waters: Seit acht Jahren spiele ich vornehmlich Verstärker von Hughes & Kettner, vor allem den Coreblade und den Grandmeister, aber auch schon mal ein Topteil von Wizard oder Marshall. Bei den Arbeiten an der neuen Annihilator-Scheibe ,For The Demented‘ habe ich Folgendes gemacht: Ich habe sämtliche im Studio verfügbaren Gerätschaften angeschlossen und miteinander verglichen, darunter Marshalls, Wizards, Kranks, Kemper und EVH. Am Ende klang dasjenige am besten, das ich am wenigsten auf der Rechnung hatte: der Helix von Line 6. Ich dachte vorher, dass dieser kleine Gitarrenprozessor wohl das schwächste Gerät von allen sein würde und dass ich stattdessen einen Marshall verwende. Aber am Ende habe ich das gesamte Album mit diesem kleinen Teil eingespielt, ohne Boxen, ohne Mikrofone, ohne Amps. Ich wählte einfach einen Sound namens ‚Panama‘, der sich ganz offensichtlich an Eddie Van Halen orientiert, und das wars.

Hughes & Kettner Grandmeister
Waters Hughes & Kettner Grandmeister mit Box (Bild: Matthias Mineur)

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Wirst Du den Helix auch auf der Bühne einsetzen?

Jeff Waters: Ja und nein. Ich werde den Helix verwenden, aber nicht ohne Amp und ohne Box. Ich meine: Ich spiele Heavy Metal, da kann man sich ja nicht ohne Amp und Box auf die Bühne stellen. Ich habe mit Hughes & Kettner und Line 6 bereits gesprochen und gefragt, ob wir gemeinsam etwas auf die Beine stellen können. Sie haben sich darauf eingelassen, sodass ich vermutlich den Grandmeister und den Helix miteinander kombinieren werde.

Line 6 Helix
Das Helix von Line 6 (Bild: Matthias Mineur)

Da darf man wohl mächtig gespannt sein! Viel Erfolg dabei!


Plattentipp: ANNIHILATOR: For The Demented

Annihilator - For The Demented

Für ruhige, besonders romantische Stunden war die Musik von Annihilator sowieso noch nie geeignet, ganz im Gegenteil: Bei Jeff Waters findet man Testosteron-geschwängerte Vollgas-Statements, die dem Begriff Heavy Metal zur vollen Ehre gereichen und ein stabiles vegetatives Nervensystem voraussetzen. Und auch wenn es zwischen den einzelnen Annhilator-Veröffentlichungen der zurückliegenden fast 30 Jahre nur marginale Härtegrad-Unterschiede gab, ist die neueste Scheibe ,For The Demented‘ von besonders entwaffnender Energie und – wie formulieren es die Amis gerne so zutreffend – „heavy as shit.“ In der Tat wütet Waters mit unglaublicher Exaktheit über das Griffbrett seiner Axt, feuert Licks und Riffs im Sekundentakt und lässt nur ein- oder zweimal kurz locker (,Pieces Of You‘), um das Gaspedal sofort anschließend umso stärker durchzutreten. Die generelle Ausrichtung ist beinharter Thrash Metal, mal an Megadeth angelehnt (,The Demon You Know‘), an anderer Stelle Slayer zitierend (´Twisted Lobotomy‘) oder an die jugendliche Unbedarftheit der eigenen 89er Debütscheibe ,Alice In Hell‘ erinnernd (,One To Kill‘). So oder so ein Album, das den Zuhörer nicht nur physisch sondern auch mental fordert.

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(erschienen in Gitarre & Bass 11/2017)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Kennt noch jemand die Geschichte von „Des Kaisers neue Kleider“?. Mr. Waters ist wie der kleine (schlaue) Junge, der als Einziger erkennt, das der Kaiser keine Kleider trägt, während alle Anderen sich täuschen lassen (wollen). Er hat völlig Recht. Entscheidend für die Spielfreude und Vitalität ist die Musikalität und nicht allein das Material und die Brand Story.

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  2. Doch, doch, die “Brand Story” ist schon wichtig. Das ist wie bei den Religionen …

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