Neoclassical Bluesrock

Interview: Yngwie Malmsteen

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(Bild: Mascot/ Austin Hargrave)

Der schwedische Gitarrist polarisiert: Entweder ist man Fan dieses Ausnahmevirtuosen oder man kann mit seinem Stil und seinem Metal/Hardrock wenig bis nichts anfangen. Trotz Kritik und dem über die Jahre nachgelassenen Interesse an der Shredding-Szene der 80er stand und steht Malmsteens Talent außer Frage. Und auch 2019 zeigt sich der 55-jährige auf ,Blue Lightning‘ als technisch unglaublich versierter und von der Klassik geprägter Instrumentalist mit Hang zu schnellen Notenkaskaden. Das neue Werk wurde im Vorfeld als Blues-Album angekündigt, was jedoch beim Durchhören etwas merkwürdig erscheint.

Schon beim Blick auf die Titelliste werden Blues- wie Musik-Fans allgemein sicherlich erstaunt sein. Stücke von z. B.ohn Lee Hooker, Freddie King oder T-Bone Walker gibt es nicht, allenfalls ,Blue Jean Blues‘ von ZZ Top geht als „echter“ Blues durch. Stattdessen gibt‘s mit u. a. ,Smoke On The Water‘, ,Purple Haze‘ oder ,While My Guitar Gently Weeps‘ klassische Rock-Musik. Und die inszeniert Malmsteen gewohnt virtuos, eben mit vielen klassisch anmutenden Soli und Arppeggien, in denen er mit seinem präzisen Anschlag beeindruckt, der genauso markant ist wie der satte Strat-/Marshall-Sound in Richtung Ritchie Blackmore oder Jimi Hendrix. Dabei zeigen Yngwies rundes Finger-vibrato und geschmackvolle Bends auch bluesige Einflüsse. Dennoch, ein Blues-Album im konventionellen Sinne hat Malmsteen nicht aufgenommen. Vielmehr könnte man ,Blue Lightning‘ als eine Fortsetzung seines ersten Cover-Albums ,Inspiration‘ von 1996 verstehen.

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Eingespielt wurden die vier eigenen Stücke plus acht Cover-Nummern in Miami, Florida. Die Drums steuerte überwiegend Lawrence Lannerbach bei, Malmsteen hat neben Gitarre auch Bass, Hammond B3/Keyboards und Sitar eingespielt. Zudem lieferte er eine solide Leistung als Sänger ab. Eines machen die neuen Songs klar: Yngwie spielt und denkt über den Blues anders, und damit sind wir mittendrin im Interview über diesen elementaren Musikstil, ,Blue Lightning‘ und Gitarren.

(Bild: Malmsteen)

Interview

Yngwie, kannst du dich daran erinnern, wann du das erst Mal mit Blues in Berührung gekommen bist?

Da war ich fünf Jahre alt. Das war die erste Musik die ich gehört habe, noch vor klassischer Musik. Und es war auch das erste, was ich spielte, als ich mit der Gitarre anfing. Da war ich sieben. Der Blues wurde für mich selbstverständlich.

Die lustige Sache war: ich übte 12 bis 15 Stunden am Tag und erst nach einer Weile merkte ich, das ich nur fünf Noten spielte, mit denen du so viel machen konntest. Dann begann ich mit der klassischen Musik und speziell die Barock-Musik wurde zu meinem größten Einfluss, aber der Blues kam zuerst.

Weißt du noch, was du damals gehört hast?

Der allerste Song war von John Mayall And The Blues Breakers.

War das vom Album ,The Blues Breakers With Eric Clapton‘ (1966)?

Ja, das ist wirklich verdammt gut.

Gab es später noch andere Blues-Musiker, die dich inspiriert haben?

Damals gab es in Schweden nur ein TV- und ein Radioprogramm. Meine Mutter besaß nur Jazz- und Klassikplatten. Ich hatte ein Beatles-Album und eben das von John Mayall, das war alles. Mit acht Jahren hörte ich dann ,Fireball‘ von Deep Purple, das war an meinem Geburtstag. Das war wieder Blues, allerdings harter Blues.

Wie bist du auf die Idee gekommen ein Blues-Album aufzunehmen?

Schon seit Jahren werde ich von vielen Leuten danach gefragt. Vor einem Jahr kam das Mascot Label auf mich zu und fragte, ob ich ein Blues-Album machen wolle. Ich sagte, warum nicht! Ich suchte die Songs aus, nahm sie auf und hier ist es.

Unter anderem ist ,Demon‘s Eye‘ von Deep Purple dabei. Zum ersten Mal hast du den Song vor 20 Jahren auf deinem Album ,Inspiration‘ aufgenommen. Warum hast das Stück jetzt noch einmal eingespielt?

Aus verschiedenen Gründen. Erstens ist es ein großartiger Song, zweitens war die erste Version für mich nicht in der richtigen Tonart und drittens wollte ich das Stück singen.ebenbei gesagt bin ich wirklich glücklich mit der neuen Version.

Insgesamt hast du dich der rockigen Seite des Blues gewidmet. Und du hast einige Stücke ausgesucht, die man nicht unbedingt mit Blues assoziiert, wie Deep Purples ,Smoke On The Water‘, ,Paint It Black‘ der Rolling Stones oder den Eric-Clapton-Hit ,Forever Man‘. Wo siehst du in ihnen die Verbindung zum Blues?

Nun, zunächst einmal, bei Deep Purple ist alles bluesig. Es ist lustig, dass die Leute denken, sie wären eine von der Klassik beeinflusste Band. Stücke wie ,Demon‘s Eye‘ oder ,Lazy‘ sind Blues-Nummern.

Ja, allerdings hast du interessanterweise ,Smoke On The Water‘ ausgewählt.

Für mich kamen in der Nummer wie auch auf ihrem ,Made In Japan‘-Live-Album (1972) diese bluesigen und jazzigen Einflüsse durch. Und ,Forever Man‘ bleibt, obwohl es in E-Moll bzw. im Original in D-Moll steht, immer noch Clapton. Und die Stones sind eben die Stones. Aber es ist lustig, dass ,Paint It Black‘ in B Harmonisch Moll steht (dt. H Harmonisch Moll), was ich mit meinem eigenen Stil aufgemotzt habe. Die Akkord-Progression ist perfekt, ich mag sie.

Damit war die Nummer Mitte der 60er eher untypisch für die Stones. ,Paint It Black‘ war nicht so Blues-bezogen wie ihre Sachen davor.

Genau, was wunderbar ist. Ich meine, du kannst ein Album aufnehmen mit zehn oder zwölf Twelve-Bar-Blues. Aber warum solltest du das tun. Das war von mir nie beabsichtigt. Von den Songs, die ich geschrieben habe, ist ,Sun‘s Up Top‘s Down‘ eher ein regulärer Blues-Song, aber ,Blue Lightning‘ ist einfach nur Rock-Chaos. Blues ist ein weites Feld, genauso wie Jazz und Klassik.

Im Titel-Song sind einige schöne Hall-Effekte und er transportiert einen Jimi-Hendrix-Vibe. Würdest du sagen, dass er auf seine Art ein Blues-Gitarrist war?

Natürlich! Ohne Hendrix würden wir solche Sachen gar nicht spielen. Er hat grundsätzlich alles aufgedreht, was im Blues bis dahin nicht so üblich war. Leute wie Hendrix und vor ihm Chuck Berry in den 50ern, haben die Sounds der 60er verändert. Hendrix hat natürlich auch psychedelische Sachen gemacht, aber für all dies war der Blues die Wurzel. Mein Lieblingsalbum von ihm war übrigens immer ,Band Of Gypsys‘ – und auch ,Axis Bold As Love‘ und ,Electric Ladyland‘ (lacht).

OK, und dann fehlt nur noch ,Are You Experienced‘, wie sieht es damit aus?

Klar, auch das Album mag ich, es klingt großartig.

Abgesehen von den Drums hast du alle Instrumente selbst eingespielt. Wieso hast du dich dazu entschieden, dein neues Album alleine aufzunehmen?

Eigentlich habe ich auch ein paar der Drums eingespielt. Um auf deine Frage zu kommen: Das ist einfach die Art und Weise, wie ich arbeite. Und ich hatte wirklich viel Spaß dabei. Ich arbeite in meinem eigenen Studio und habe so nicht den Druck, mich nach einem Zeitplan richten zu müssen. Das ist die meiste Zeit inspirierend, und wenn nicht, dann lasse ich es und fahre mit meinem Ferrari durch die Gegend oder mache was anderes. Es ist eine gute Sache, das so machen zu können. Ich fühle mich wohl dabei, alle Instrumente selbst zu spielen, was ich schon als Kind gemacht habe.

(Bild: Malmsteen)

Welche Instrumente nimmst du als erstes auf, wenn du an einem Song arbeitest?

Grundsätzlich nehme ich die Rhythmus-Gitarren live zu den Drums auf. Das sind One-Takes, wie auch die Soli. Dann spiele ich Bass dazu und setze Keyboards und die Vocals drauf. Ich habe das Album während einer Tour eingespielt, sodass ich im Wechsel Aufnahmen machte und dann wieder on the road war. Das ist ziemlich cool, denn so bleibt es frisch. Ich habe die erste Strophe von ,Blue Jean Blues‘ eingesungen und die zweite erst sechs Monate später. In dieser Art und Weise entstand das Album. Es gab keinen spezifischen Weg. Für ,While My Guitar Gently Weeps‘ z. B.ahm ich zunächst die Rhythmus-Spuren auf. Und meinen Gesang nahm ich mit dem iPad auf. Ich hörte ihn mir ein paar Monate später an und er war immer noch gut, also ließ ich es so. Ich mag es nicht, die Dinge zu häufig zu wiederholen.

Du spielst in ,Forever Man‘ auch ein WahWah-Pedal. Welche Modelle bevorzugst du?

Ein Dunlop-Crybaby-Wah. Außerdem habe ich noch ein Fender Yngwie Malmsteen Overdrive und ein Boss-NS-Gate-Pedal eingesetzt.

Was kannst du mir sonst noch über dein Equipment sagen?

Das ist das selbe wie immer. Ich bekam einen Prototyp meines neuen Signature-Modells, den ich bei einigen Stücken eingesetzt habe. Manchmal habe ich auch eine 59er oder 56er Strat rausgeholt. Später habe ich auch Gibson Les Pauls und SGs ausprobiert aber sie dann doch nicht eingesetzt. Ich habe meine YJM100er Signature-Marshalls gespielt. Für die Bässe habe ich die Fender-Modelle Precision und Jazz Bass benutzt – im Grunde alles sehr einfach.

Auf deiner Website habe ich gesehen, dass dein Signature-Saitensatz in den Stärken .008, .011, .014, .022, .032 und .046 kommt. Besteht bei solch vergleichsweise dünnen Saiten und deinen schnellen und kraftbetonten Anschlägen nicht die Gefahr, dass sie schnell reißen?

Das kommt nur selten vor, und wenn eine Saite reißt, dann reißt sie eben. Allerdings sind nur die hohen Saiten so dünn, die dicken sind von einem 11er-Satz, ich spiele also eigentlich einen Hybrid-Satz.

Du hast es gerade angesprochen. Was kannst du über dein neues Yngwie-Malmsteen-Modell verraten?

Das ist eine sehr aufregende Sache, eine Fender 30th Anniversary Yngwie Malmsteen Stratocaster, die ein bisschen anders ist, als das was ich jetzt habe. Sie kommt mit einem sogenannten Maple-Cap-Neck. Ende der Sechszigerjahre produzierten sie für nur eineinhalb Jahre einen Ahornhals mit großer Kopfplatte, auf dem ein Ahorngriffbrett verleimt war. Diese Gitarren sind heute sehr selten anzutreffen, und so eine wollte ich unbedingt haben.

(Anmerkung: Wie bei allen Fender-Malmsteen-Modellen ist auch hier das Griffbrett „scalloped“, d.h. zwischen den Bundstäbchen wurde das Holz rinnenförmig heruntergefeilt. Dies kommt einer schnellen Spielweise entgegen. Ritchie Blackmore war einer der ersten mit einem Scalloped-Griffbrett.)

Die neuen Modelle kommen in verschiedenen Farben wie Sonic Blue, Candy Apple Red, Burgundy Mist und natürlich in Olympic White. Sie sind aus dem Fender Custom Shop, wodurch sie unglücklicherweise sehr teuer werden.

(Bild: Malmsteen)

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2019)

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