Im Interview

Sonny Landreth: Sliding The Blues

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(Bild: Robley Dupleix)

Die wichtigste Botschaft zuerst: Von ‚Blacktop Run‘, dem neuen Studioalbum des amerikanischen Slide-Blues-Virtuosen Sonny Landreth, kann man nur begeistert sein. Wie schon die bisherigen Veröffentlichungen des 69-Jährigen vereint auch dieses Werk seine atemberau­benden Fingerfertigkeiten mit einem grandiosen Songwriting, das aus Blues, Rock, Cajun, Americana und Folk besteht.

Ob in swingenden Instrumentalnummern wie ‚Lover Dance With Me‘ oder die auf Joe Satriani verweisenden ‚Groovy Goddess‘ und ‚Beyond Borders‘, ob in staubtrockenen Hymnen wie dem Titelsong oder wundervollen Reminiszenzen an Little Feat (‚Mule‘, ‚The Wilds Of Wonder‘), immer trifft Landreth den richtigen Ton, das perfekte Feeling, die besondere Note. Doch lassen wir den Meister lieber selbst zu Wort kommen. Ein Interview über sein außergewöhnliches Spiel, seine Vorbilder und das Instrumentarium, das auf ‚Blacktop Run‘ zum Einsatz kam.

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Sonny, angesichts deines vollen Terminkalenders der zurück­liegenden Jahre: Wann hattest du Zeit für neue Ideen, für neue Songs?

Interessanterweise habe ich immer dann meine kreativsten Phasen, wenn ich auf Tournee bin. Die Tage unterwegs, die langen Reisen, die Hotels, die Soundchecks, die Stunden auf den Highways, auf Bahn­höfen oder in Flughäfen, das alles führt bei mir zu einem wahren Ideenrausch. Es ist immer eine Mischung aus völlig neuen Erfahrun­gen und der täglichen Routine, die bei mir Kreativität freisetzt. Zwar erwischt mich eine solche Phase mitunter auch Zuhause, aber zumeist passiert es on the road. Alle meine Antennen sind dann automatisch auf Empfang geschaltet. Während der Tourneen bin ich komplett im Hier und Jetzt und sprühe förmlich vor Ideen.

Hast du bereits eine vage Idee davon, wie das spätere Ergebnis klingen soll, wenn du mit dem Songwriting für ein neues Album beginnst?

Nein. Wie ein Album letztlich klingt und in welche stilistische Rich­tung es tendiert, weiß ich immer erst, wenn der überwiegende Teil der Ideen im Kasten ist. Das liegt daran, dass ich während der Ent­stehungsphase einfach die Musik zu mir sprechen lasse und sich daraus dann ein bestimmter Pfad von alleine ergibt. Irgendwann, meistens so nach sieben oder acht Songs, bekomme ich ein vages Bild, wie das geplante Album klingen könnte.

Und ich finde, dieses ist die facettenreichste und vielseitigste Scheibe, die ich jemals aufgenommen habe. Es gibt Instrumentalnummern und Songs mit Gesang, ich spiele Akustikgitarren aber auch E-Gitarre. Die Songs haben unterschiedlichste Stimmungen, es gibt Rock-Nummern, Balladen und Akustik-Tracks.

Wichtigstes Stilmittel ist aber weiterhin dein phänomenales Slide-Spiel. Kannst du bitte erklären, wie sich dieser unge­wöhnliche Stil im Laufe der Jahre entwickelt hat?

Nun, er entwickelt sich auch heute noch permanent weiter. Ich stand immer schon auf Slide-Gitarren, und als ich so um 1969 oder 1970 die Kunst entdeckte, wie man mit den Fingern hinter dem Slide spielen kann, öffnete dies für mich ungeahnte Türen. Ich bekam sehr schnell eine noch konkretere Vorstellung von dem, was ich kann und vor allem was ich will. Ab da arbeitete ich hart an meiner Technik und entwickelte diese Spielweise über die Jahre kontinuierlich weiter.

Allerdings nicht nur diese bestimmte Slide-Technik, sondern mein Spiel generell. Ich nahm ein paar Scheiben auf, die zunächst nur regi­onal veröffentlicht wurden, bis ich Ende der 80er John Hiatt kennen­lernte. John hatte damals schon absoluten Kultstatus und eine welt­weite Fan-Base. Durch das Engagement bei ihm bekam ich erstmals auch international eine größere Aufmerksamkeit.

(Bild: Greg Miles)

Das motivierte mich natürlich umso stärker, und ich übte und verfeinerte meine Spielweise noch weiter. Auch die Songs, die John mir zeigte, waren für mich eine riesengroße Inspirationsquelle. Ich versuchte, mit mei­nem Spiel die Stücke möglichst noch besser zu machen. Das Tolle in Johns Band war, dass er die Zügel locker ließ. Jeder durfte sich und seine Ideen einbringen, er vertraute einfach unserer Kreativität. So kam es, dass ich Anfang der 90er, als ich anfing an ‚Outward Bound‘ zu arbeiten, bereits viele Sessions, Soundchecks und Konzerte erlebt hatte und über ein gewisses Maß an Erfahrung verfügte. Ich hatte sozusagen meine eigene Stimme auf der Gitarre gefunden.

Welche Tunings hast du auf ‚Blacktop Run‘ verwendet?

In erster Linie G und E, also D-G-D-G-B-D beziehungsweise E-B-E-G#-B-E. In ‚Somebody Gotta Make A Move‘ war es ein Em7-Tuning mit E-B-E-G-D-E, und in ‚Beyond Borders‘ ein Am-Tuning mit E-A-E-A-C-E. Nur bei ‚Lover Dance With Me‘ handelt es sich um ein reines Standard-Tuning, da ich in dieser Nummer keinen Slide spiele.

Ist dein Spiel eigentlich eher von Melodie oder von Rhythmus geprägt?

Eine sehr gute Frage! Die Antwort lautet: sicherlich von beidem. Ich habe im Laufe der Jahre eine Menge über Rhythmen gelernt und weiß, wie wichtig sie sind. Es gab eine Phase, in der nur die Gitarristen etwas galten, die brillante Soli spielen konnten. Aber ein guter Rhythmusgitarrist ist mindestens genauso wichtig. Zumal: Je besser man das Rhythmusspiel beherrscht, umso besser wird man auch beim Solieren. Es gibt fünf goldene Regeln, die man beherzigen sollte, wenn man ein guter Gitarrist werden möchte:

Harmonielehre, ein ausdrucksstarker Ton, ein gutes Rhythmusgefühl, die Fähigkeit zu Phrasieren und eine genaue Kenntnis über Akkordzusammenhänge. Musiker, die in allen fünf Bereichen über profunde Fähigkeiten verfügen, werden immer gute Songs schreiben können.

Apropos Songs schreiben: Was ist für dich der schwierigste Part beim Komponieren?

Die Kunst und Schwierigkeit zugleich besteht darin, aus einem ersten Funken, einer ersten kleinen Idee einen guten Song zu machen. Ich habe 1000 Ideen, die irgendwo auf einer meiner Festplatten gespeichert sind. Von Zeit zu Zeit höre ich sie durch und picke mir die eine oder andere Idee heraus, um daran konkreter zu arbeiten.

Damit beginnt dann die eigentliche Herausforderung, nämlich, aus diesem kurzen Schnipsel einen Song zu entwickeln, der von Anfang bis Ende gleichzeitig spannend und schlüssig klingt. Ich bin immer offen und gespannt, wohin sich eine Idee entwickelt. So erlebt man oftmals wundervolle Momente, mit denen man selbst nicht gerechnet hätte. Man kann Dinge nicht vorhersehen, sie kommen oder sie kommen nicht. Das Einzige, was man selbst dazu beisteuern kann: Gib der Möglichkeit eine Chance, dass sich etwas Unerwartetes ereignet! Wenn man zu einer Song-Idee ein enges emotionales Verhältnis hat und der Möglichkeit zur Überraschung eine Chance gibt, wird man häufiger positiv überrascht als man vermutet hätte.

Dazu gehören vermutlich auch Gastbeiträge wie beispielsweise der von Joe Satriani in ‚Gaia Tribe‘ auf deinem 2012er Album ‚Elemental Journey‘, nicht wahr?

Ja, das ist ein besonders gutes Beispiel für das, was ich damit sagen wollte. Ich fragte Joe damals, ob er Lust habe, in dem Song mitzuwirken. Dabei ließ ich ihm natürlich freie Hand. Als er mir den Song zurückschickte, war ich total perplex. Das Solo war völlig anders als ich es erwartet hatte. Ich rief ihn an, um mich zu bedanken, und Joe lachte: „Du bist überrascht, nicht wahr? Ich finde, dass jeder Song einen Moment braucht, in dem etwas Überraschendes passiert, etwas, das im Kontrast zum Rest steht.“

Du lässt deinen Gästen also immer freie Hand?

Oh ja, natürlich. Ich sage ihnen: „Spiel das, wonach dir ist, egal wie es klingt.“ Auf dem hohen Level, das meine Gäste haben, muss man niemandem mehr etwas erklären. Sie spüren intuitiv, was passt und was den Song nach vorne bringt. Außerdem gilt für sie natürlich dasselbe wie für mich, wenn ich für andere Künstler arbeite. Ich möchte ja auch respektiert werden und freie Hand haben, weil man mir vertraut. Wenn man allzu klare Vorgaben macht, zerstört man möglicherweise die Kreativität des Anderen. Man kennt das von sich selbst: Verlässt man seine Komfortzone, entsteht neue Kreativität.

Ist es das, was große Musiker von der breiten Masse unterscheidet: Der Mut, sich auch einmal aus der Komfortzone herauszuwagen?

Alle großen Musiker, mit denen ich gespielt habe, sei es Eric Clapton, Robben Ford, John Hiatt oder Eric Johnson, sie alle haben genau diese Fähigkeit und den Mut, oder besser gesagt das Selbstbewusstsein, immer wieder etwas Neues zu wagen. Nur so entwickelt man sich als Künstler weiter.

Von wem der Genannten konntest du am meisten lernen?

Ich lerne von jedem, mit dem ich Musik mache, nicht nur von den Großen. Der eine spielt den G-Moll-Akkord auf besonders aufregende Weise, ein anderer hat eine tolle Bending-Technik. Alle großen Gitarristen haben jedoch etwas Besonderes. Indem man sich von ihnen etwas abschaut, bekommt man einen größeren künstlerischen Horizont und wird ein noch kompletterer Künstler. Alle großen Musiker umweht eine Art kosmischer Staub, das macht sie so außergewöhnlich.

Vielen Dank, Sonny, für das tolle Gespräch, und alles Gute für deine Zukunft!


Equipment

Gitarren:

  • Gibson Les Paul Standard von 1960
  • 66er-Fender-Strat mit originalen Pickups
  • Prototyp der Sonny-Landreth-Signature-Strat mit DiMarzio-DP181-Pickups in einer Tele-Bridge und Custom-Singlecoils von Michael Frank Braun aus dem Fender Custom-Shop
  • 88er-Strat mit Fishman-Fluence-Singlecoils
  • 1957er-Reissue-Strat aus den späten 80ern mit Lindy-Fralin-Pickups und einem Suhr-Silent-Singlecoil
  • 88er-Strat mit DiMarzio-DP181 in der Brücke und Virtual-Vintage in der Mittelbzw. der Halsposition plus einem 2TEK-Bridge-System
  • „Frankensteined“-Strat mit Borisoff-Trilogy-Tuning-Bridge und DiMarzio-Pickups
  • Larry-Pogreba-„Hubcap“-Resonanzgitarre mit einem Korpus aus Aluminium
  • Martin D-28 von 1969

Verstärker & Boxen:

  • 100 Watt Dumble Overdrive Special von 1995
  • 75 Watt Demeter TGA-3 von 1989
  • Fender Bassman Blackface von 1965
  • Komet 60 mit 6L6-Röhren
  • 2×12“-Fender-Bandmaster aus den 60ern mit V30-Speaker
  • 4×12“-Marshall mit Celestion Vintage 30
  • 1×12“-Dumble mit Celestion-GH-100-Speaker
  • Leslie 900 mit originalem Preamp-Pedal

Effekte:

  • Demeter Fuzzulator Mosferatu Overdrive
  • Analogman Compressor
  • Voodoo Lab Giggity EQ
  • Analogman Chorus
  • Wampler Faux Tape Echo V2
  • Fulltone Fuzz aus den 70ern

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2020)

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