Im Interview

Samantha Fish: Pushin’ The Blues

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(Bild: Kaelan Barowsky)

Über sich selbst sagt sie: „Mein Job ist es, den Blues zu modernisieren.“ Und genau das tut die 31-jährige Gitarristin, Sängerin und Songwriterin aus Kansas City auf ihrem neuen Album ,Kill Or Be Kind‘ auf vorzügliche Weise. Frau Fish vermischt hier so gekonnt Blues, Soul, Rock und moderne Produktionsmethoden, dass die Musik für sich selbst spricht. Blues aus dem Hier und Jetzt!

Samantha, wie hat deine musikalische Karriere angefangen?

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Ich habe mit 13 Jahren angefangen Schlagzeug zu spielen und bin mit 15 zur Gitarre gewechselt. Musik war immer präsent in meinem Leben, ist aber erst im Teenager-Alter in den Vordergrund gerückt. Es war einfach eine Tradition in unserem Haushalt, mein Vater spielte Gitarre und alle seine Freunde hatten Musik als Hobby! Ich war ein sehr schüchternes Kind, aber als ich die Gitarre in die Hand nahm, half mir das, mich mehr mit anderen Leuten zu verbinden. Ich hatte meine Stimme gefunden und mir dann fast alles selbst beigebracht.

Hast du irgendwelche Vorbilder?

Das ist sehr breit gefächert. Ich bin mit Classic Rock aufgewachsen. Ich liebe die Rolling Stones und Keith Richards, Mike Campbell von den Heartbreakers und Angus Young von AC/DC. Als ich anfing, mich mit Blues zu beschäftigen, mochte ich Freddie King sehr und habe mich mit den North-Mississippi-Leuten wie Luther Dickinson, Charley Patton und Skip James beschäftigt. Ich stehe aber auch auf experimentelle Spieler wie Jack White, Trent Reznor oder Tom Morello, die einen anderen Blick auf die Gitarre haben. Ich mag jeden, der eine Gitarre nehmen kann und es schafft, dass sie eben nicht nach Gitarre klingt. Ich finde, es kommt sehr darauf an, dass du die Gitarre selbst in die Hand nimmst und die Sachen findest, die dich ansprechen. Ich denke, das ist der Weg deine eigene Stimme zu finden.

Das neue Album klingt sehr vielseitig. Wie habt ihr aufgenommen?

Die Basic-Tracks haben wir alle zusammen aufgenommen. Dann habe ich später weitere Gitarrenparts, Background Vocals und hier und da einen Keyboard-Part hinzugefügt.

Arrangierst du die Songs alleine und weißt schon, wo Bläser und Keyboards hin sollen oder passiert da noch viel im Studio?

Das kommt ganz auf den Song an. Für einige hatte ich schon eine genaue Idee, wie sie aussehen könnten. Wenn du dich in eine Stu­diosituation begibst, mit Leuten, mit denen du noch nie gearbeitet hast, in einem Raum in dem du noch nie gewesen bist, musst du es den Songs erlauben, eine neue Form anzunehmen und ein Eigen­leben und eine Seele zu entwickeln.

Fender Jaguar, Gibson SG und die Cigar Box Guitar (Bild: Greg Logan)

Es gibt also keine echte Vorproduktion?

Meine Demos sind sehr geradeaus. Ich schicke sie vorher an die Band, damit jeder weiß, wohin es geht, aber oft ist es nur die Akkordstruktur mit einer Melodie. Vielleicht habe ich eine Idee für ein bestimmtes Schlagzeug-Feel und dann arbeiten wir daran. Manchmal funktionieren meine Ideen auch nicht und wir nehmen den Song und probieren was ganz Neues aus!

Arbeitest du deine Soli aus oder sind sie komplett improvisiert?

Sie sind improvisiert bis sie komponiert sind – falls das Sinn für dich macht. Du spielst herum, versuchst ein Thema oder eine Idee zu finden und dann variierst du das Thema, versuchst verschiede­ne Wege zu den einzelnen Parts zu finden. Ich habe oft so eine Art Grundkonzept, aber es ist nicht wirklich auskomponiert. Das führt zu spannenden Momenten im Studio.

Du willst es nicht so festle­gen, dass du es im Schlaf hinbekommst. Für ,Love Letters‘ hatte ich den Slide-Part in meinem Kopf und wollte daraus ein durch­gängiges Thema im Song machen. Du überlegst dir ein paar kleine Sachen, die du machen willst, und arbeitest sie dann ein.

Spielst du Slide in offener Stimmung oder im Standard-Tuning?

Bei einem Drone-Ding wie bei ,Love Letters‘, einer einzelnen Note, braucht man keine offene Stimmung. Ich spiele ungefähr die Hälf­te in Standard, den Rest in Open Tunings. ,Watch A Dime‘ ist in Open C und ich benutze sehr oft Open G.

Deine frühen Alben waren eher straighter Bluesrock. Die letz­ten zwei dann schon viel abwechslungsreicher. Hat dich der Blues in deinem Songwriting eingeschränkt?

Nein, das ist eher eine natürliche Entwicklung. Ich liebe Blues und alles was ich schreibe, hat immer ein Blues/Soul/Rock’n’Roll-Element. Aber wenn ich schreibe, gehe ich eher von Melodien aus und nicht von einem straighten Bluessound. Mein Job als Künstler ist es, die Vorstellung der Leute von dem Genre zu erweitern, in dem ich ihrer Meinung nach tätig bin. (lacht)

Siehst du dich denn als Blues-Künstlerin oder als etwas anderes?

Es ist immer schwierig sich selbst zu beschreiben. Ich habe mich eigentlich nie als echten Blueser gesehen. Mein Job ist es, den Blues zu modernisieren und andere Dinge einzubauen. Ich bin von vielen Sachen inspiriert, und es macht keinen Sinn, mich selbst zu beschränken.

Cigar-Box-Slide (Bild: Greg Logan)

Es gibt immer noch nicht sehr viele Frauen, die Lead-Gitarre spielen. Woran liegt das deiner Meinung nach?

Dazu habe ich zwei Theorien, Nummer 1: Als ich anfing, gab es nicht viele Frauen, die Gitarre spielten, weibliche Künstler wurden nicht gut repräsentiert. Dadurch habe ich hauptsächlich Männer gesehen, die auf die Art spielten, wie ich es auch wollte. Wenn du als junges Mädchen keine anderen Frauen siehst, die das tun, was du eigentlich machen willst, setzt dir das Hindernisse in den Kopf. Nach dem Motto: Das ist nicht das, was Mädchen tun. Nummer 2: Als ich älter wurde, fand ich heraus, dass es doch sehr viele Mädchen gibt, die so etwas machen, sie bekommen nur nicht die Aufmerksamkeit wie ihre männlichen Kollegen. Es geht um das, was wir sehen und im Radio hören. Es geht immer um Repräsentation!

In vielen Besprechungen von weiblichen Musikern geht es um ihr Aussehen. Was hältst du davon, wenn eine CD-Besprechung anfängt mit „Sie sieht ziemlich gut aus“?

(lacht) Das ist ziemlich lahm, was kann man da sagen, das drückt dir als Künstler direkt einen Stempel auf. Wir verkaufen nichts Visuelles, wir verkaufen Gefühle und Klang. Es geht um die Musik. Ich muss aber auch sagen, dass ich das Show-Business liebe. Ich ziehe mich gerne schön an, das gibt mir ein gutes Gefühl als Performer. Aber das macht Mick Jagger auch, er zieht seinen Scheiß an, seine Kleidung, sein Kostüm und tanzt, wackelt herum. Wenn eine Frau das macht, versucht sie Kapital aus ihrer Sexualität zu schlagen. Das ist ein unfaires Stigma, das man Frauen aufdrückt.

Wenn ich etwas anderes anziehe als Schlabberklamotten, versuche ich Sex zu verkaufen. Das tue ich aber nicht, sondern ich verkaufe Rock’n’Roll. Es ist ein zweischneidiges Schwert. Als ich anfing Gitarre zu spielen, gab es sehr viel Interesse, weil ich ein Mädchen war. Leute sagten: „Wow, ein Mädchen, das Gitarre spielt, lass uns sie mal anschauen!“, und dann gefiel ihnen die Musik. Ich werde oft gefragt, ob es einfacher oder schwerer ist als Frau. Ich war immer eine Frau, die in dem Stil spielt, habe also nur meine Perspektive. Ich bemerke nur, dass der Fokus immer auf Aussehen und Körperlichkeit liegt. Aber du versuchst, deine Seele und Musik zu verkaufen und Leute anzusprechen und das hat nichts mit deinen Beinen zu tun. (lacht)

Dann frag ich auch mal: War die Tatsache, dass du eine Frau bist, für deine Karriere eher Vor- oder Nachteil?

Ich denke, die Leute waren fasziniert. Ich war 19 und habe versucht wie SRV zu spielen. Da wo ich lebte, gab es so etwas nicht. Ich hasse es, wenn Leute das eine Nische oder eine Neuheit nennen, das ist echt beleidigend. Ich denke aber, du musst mehr zu bieten haben als die Verpackung und deinen Körper, um Leute länger zu begeistern. Du brauchst Substanz, Stil, das ganze Paket, damit die Leute wiederkommen.

Wie bekommt man mehr Mädchen dazu, Gitarre zu spielen? Hast du eine Idee?

Als ich anfing, war das Solospiel der erste Knackpunkt. Ich habe erst mit 15 Jahren angefangen und dachte: Ist doch egal, ich will Solo spielen. Wenn du es willst, geh raus und mach es, glaub an dich! Lass dir nicht von den Leuten sagen, dass du es lieber lassen solltest. Mach das, was du willst, was dich anspricht und hab keine Angst, denn es wird Leute geben, die es gut finden! Finde deine Stimme, die dich besonders macht und arbeite hart daran!

GEAR

Welche Gitarren hast du im Einsatz?

Im Moment mag ich meine Gibson SG am liebsten. Ich stehe auch auf meine Fender Jaguar und meine Custom-Gitarren von Delaney, einem Gitarrenbauer aus Texas. Ich habe eine Telecaster-artige und eine Hollowbody, angelehnt an eine ES-339. Meine Cigar-Box-Gitarre kommt bei den Fans gut an und live spiele ich noch eine Taylor-Akustik. Das ist alles im Moment.

Samanthas Live-Gitarren: Gibson SG, Delaney Custom, Fender Jaguar und Taylor-Akustik

Über welchen Amp laufen die?

Ich mag Category-5-Amps, mit denen arbeite ich schon lange zusammen. Im Moment benutze ich ein Topteil von ihnen mit Box.

Spielst du laut?

Ich finde nicht, dass ich laut spiele, aber meine Band würde widersprechen… Sie denken wahrscheinlich, ich bin die lauteste Gitarristin, die sie kennen. (lacht)

Das geht mir auch immer so…

Die Wahrheit ist, ich bin ziemlich durchschnittlich. Ich war schon auf der Bühne mit sehr lauten Gitarristen wie Buddy Guy und da sehe ich im Vergleich ziemlich blass aus.

Arbeitest du viel mit Pedalen oder mehr mit der Amp-Zerre?

Ich liebe Pedal-Sounds, aber nach dem ersten Album hatte ich das Gefühl sie wie eine Krücke zu benutzen. Ich konnte den Ton, den ich wollte, nicht aus meinen Händen, der Gitarre und dem Amp bekommen. Also bin ich alles losgeworden und habe mich direkt in den Amp gestöpselt, die Röhren arbeiten lassen, den richtigen Pickup ausgewählt und meine Hände an den Punkt gebracht, wo sie die Note stehen lassen konnten. Dann habe ich nach und nach Pedale hinzugenommen, und zwar so wie sie gedacht sind: als Effekt. Mein Hauptpedal ist ein Analog Man King Of Tone. Mein Pedalboard hat sich im Lauf der Jahre ständig verändert. Ein neues Album ist immer ein guter Zeitpunkt, um mein Board neu zu bestücken.

Samanthas Pedalboard: Strymon El Capistan, Cast Engineering Casper, L.R. Baggs Para Acoustic DI, 2x TC Electronic PolyTune, MXR Carbon Copy, Electro-Harmonix Micro POG, Boss PS-5, JHS Mini Foot Fuzz, Analogman King of Tone, Dunlop Volume-Pedal & Cry Baby (Bild: Greg Logan)

Sind noch andere Dinge für deinen Sound entscheidend?

Ich habe mit unterschiedlichen Slides experimentiert und fühle mich mit einem kleinen Messing-Slide am wohlsten. Ich spiele viel Hybrid Picking und verwende 1mm-Picks. Alles was dicker oder dünner ist, fühlt sich komisch an. Ich verwende Ernie Ball Strings (.010er), aber ich glaube nicht, dass die Show von den Saiten abhängt. Wenn ich D’Addarios aufziehen muss, mach ich es einfach. (lacht)

Produkt: Gitarre & Bass 11/2022 Digital
Gitarre & Bass 11/2022 Digital
Im Test: Jackson American Series Soloist SL3 +++ Maybach Little Wing +++ Taylor 514ce V-Class +++ Sandberg California II TT BassTheWorld +++ Blackstar Amped 1 +++ British Pedal Company Dallas Rangemaster +++ Ashdown ABM 600 & 410H +++ Höfner 500/1 63 Artist +++ Source Audio Atlas

Kommentare zu diesem Artikel

  1. das ist ja lustig. ich habe samantha Fish während des coronalockdowns entdeckt.und nun die storie hier…passt 🙂
    ich liebe ihren gitarrensound und besonders die öl-kanister- und cigarbox-sachen. das drückt und macht richtig spass.
    alles in allem kann man sagen samantha hat mich durch diese komische coronazeit begleitet und ich hoffe sie bald live erleben zu dürfen 🙂
    lieben gruß und bleibt negativ 😉 sagt heiko

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  2. Samantha Fish scheint mir eine der wichtigsten Musikerinnen der letzten Jahre ind mitverantwortlich für die Wiederbelebung des Blues zu sein. Sie spielt technisch einfach gut, mit viel Energie, trotzdem vollkommen authentisch und mischt ungeniert Genres. Neben ihr höre ich auch ihre Schwester Amanda sehr gerne sowie Danielle Nicole.

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