The Long Goodbye

Interview: Lynyrd Skynyrd & Rickey Medlocke

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(Bild: Hans Ernst)

Die Southern-Rock-Legende aus Jacksonville/Florida tourt auch nach 55 Jahren und 30 Millionen verkauften Platten noch immer um die Welt. Ihre Farewell-Tournee geht schon ins zweite Jahr. Dass sie sogar noch viel länger dauern könnte und was die Fans auf der Europa-Tournee im Sommer erwartete, verriet uns Skynyrd-Gitarrist Rickey Medlocke im Interview.

Tatsächlich gehen die Anfänge der Band auf eine Schüler-Combo zurück, die Ronnie Van Zant (voc), Gary Rossington (g), Allen Collins (g), Bob Burns (dr) und Larry Junstrom (b) bereits im Jahr 1964 an der Highschool in ihrem Heimatort Jacksonville gründeten. Für den Band-Namen musste der verhasste Sportlehrer Leonard Skinner herhalten. Es dauerte aber bis 1973, dass die Band von Al Kooper entdeckt wurde und ihre erste LP herausbrachte, die im Namen gleich die Ausspracheanweisung mitlieferte: ,Pronounced ´lèh-’nérd ´skin-´nérd’.

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(Bild: Lynyrd Skynyrd)

Lynyrd Skynyrd starteten gerade den internationalen Durchbruch, als im Oktober 1977 ein Flugzeugabsturz auf dem Weg von Greenville nach Baton Rouge für ein jähes Ende sorgte: Unter den sechs Toten waren Sänger Ronnie Van Zant, der erst im Vorjahr zur Band gestoßene Gitarrist Steve Gaines und seine Schwester, Background-Sängerin Cassie Gaines. Der Rest der Band war schwer verletzt. Zehn Jahre lang gab es Skynyrd nicht mehr. Die verbliebenen Gitarristen versuchten sich Anfang der 80er-Jahre unter anderem mit der Rossington-Collins Band. Erst 1987 gründete sich Lynyrd Skynyrd wieder, angeführt von Ronnies Bruder Johnny Van Zant, der seine eigene Band dafür auf Eis legte.

Doch auch in der Folgezeit sorgten Unfälle und Krankheiten für viele Besetzungswechsel. So gaben sich nacheinander viele Gitarristen die Klinkenstecker in die Hand: Allen Collins, Ed King, Randall Hall, Mike Estes (jetzt bei Skinny Molly) und Hughie Thomasson (von The Outlaws). Jeweils während ihrer aktiven Zeit starben zudem die Bassisten Leon Wilkeson und Ean Evans.

Die aktuelle Saitenfraktion zur Europa-Tournee besteht aus dem einzigen verbliebenen Gründungsmitglied Gary Rossington, meist an der Les Paul, Rickey Medlocke, dem passionierten Explorer-Spieler, sowie dem dritten Gitarrist Mark „Sparky“ Matejka, der die Strat-Sounds beisteuert, für die früher Ed King oder Steve Gaines zuständig waren. Eine mittlere Überraschung ist der aktuelle Bassist, der seit Mitte 2017 Johnny Colt (ehemals Black Crowes) ersetzt hat: Keith Christopher ist Rock-Fans von Dan Bairds Homemade Sin oder den Yayhoos bekannt. Eben jener Baird hatte 2014 Christopher zu Beginn einer Europa-Tournee gefeuert. Glück im Unglück für Christopher: Er hat damit wohl den Job seines Lebens gelandet. Wir hatten Gelegenheit, mit dem Skynyrd-Gitarristen Rickey Medlocke zu reden. Hier das Protokoll.

(Bild: Hans Ernst)

Interview

Rickey, was viele nicht wissen dürften: Du hast schon eine längere Geschichte mit der Band hinter dir, nicht nur als Gitarrist seit 1996.

Das stimmt. 1971 kam ich als Schlagzeuger zu Skynyrd, nachdem Bob Burns ausgestiegen war. Ich verließ die Band nach rund zweieinhalb Jahren wieder und habe dann Blackfoot wiederbelebt. Ich spielte ganz gut Schlagzeug. Das reichte zwar für das, was die Band zu jener Zeit brauchte, aber nicht für mehr. 1996 fragte mich Gary Rossington, ob ich wieder bei Skynyrd mitmachen wolle, und zwar als Gitarrist. So hatte ich das Glück, Mitglied zweier toller Bands zu sein: Blackfoot und Skynyrd. Falls du dich erinnerst, Blackfoot hatte sogar einen Nummer- 1-Radiosong in Europa: ,Good Morning‘.

Ja, ich habe dich mit Blackfoot in den 80ern auf Open-Airs gesehen, zusammen mit 38 Special. Jetzt seid ihr schon im zweiten Jahr der Skynyrd-Farewell-Tour. Wo spielt ihr gerade?

Wir sind in Winnipeg, Kanada. Es ist verdammt kalt hier, keine Spur von Frühling. Ja, letztes Jahr war der erste Teil unserer ,Last Of The Street Survivors Farewell Tour‘. Jetzt sind wir gerade in der zweiten Etappe außerhalb der USA unterwegs – und wie es aussieht, wird es auch noch einen dritten Teil geben, nächstes Jahr. Jetzt freuen wir uns aber zunächst darauf, euch im Juni in Europa zu besuchen. Schließlich brach anfangs eine mittlere Panik aus, als wir angekündigt haben, dass es eine Farewell-Tournee geben würde. Und jeder dachte: Sie werden nur in den Staaten touren und das war’s dann.

Aber wir haben den Leuten gesagt: Wir spielen überall da, wo wir schon mal aufgetreten sind. Und sogar da, wo wir noch nicht waren. Das ist ein größeres Vorhaben und eine Verpflichtung. Schon deshalb, weil ja bekannt wurde, dass Gary Rossington in den letzten Jahren einige Herzprobleme hatte. Da war die Band natürlich besorgt. Auch weil wir keine 80 bis 100 Shows im Jahr mehr gemacht hatten. Im Mai 2018 ging’s los. Das letzte Jahr war wirklich phänomenal, mein Gott, mit einigen ganz besonderen Shows: Wir spielten in unserer Heimatstadt Jacksonville, im Stadion der Jacksonville Jaguars, vor 70.000 Leuten. Aber in den Staaten gibt’s eine Menge Orte, an denen wir noch auftreten müssen. Und wenn jetzt unsere Europa-Tournee ebenfalls ein Erfolg wird, dann glaube ich nicht, dass das schon das Ende war.

Als Lynyrd Skynyrd anfingen, war ihr größter musikalischer Einfluss angeblich britischer Blues-Rock, speziell von Free oder Cream. Stimmt das eigentlich?

Ja, das stimmt. Ich glaube, das kam vom generellen Einfluss des Blues bei diesen Bands. Denk an Paul Rodgers, den Sänger von Free, ein sehr bluesiger Typ, wie die ganze Band. Genauso Eric Clapton und Cream – oder Led Zeppelin. Die hatten alle einen starken Blues-Background. Oder der Größte von allen: Jimi Hendrix. Deshalb war auch Skynyrd eine sehr vom Blues beeinflusste Band, wegen der ganzen europäischen Gruppen. Das ging ja bis zu den Beatles, mit ihrem Hang zu Chuck Berry. Als junger Typ habe ich diese britische Musik aufgesogen, ich war sehr beeinflusst von ihr.

Als die Band das legendäre Live-Doppelalbum herausbrachte, war die Bühne voll mit Wänden aus Peavey-Amps. Du warst aber immer eher ein Marshall-Typ, oder?

Als die große Überschwemmung in Nashville passierte, ich glaube das war im Mai 2010, verlor ich meine guten alten Marshalls in den Fluten. Aber Rick St. Pierre, der über 20 Jahre als Amp-Tech für AC/DC, Aerosmith oder ZZ Top gearbeitet hat, hat eine eigene Firma: Wizard Amps in Kanada. Der baut Verstärker in der Tradition der Plexi-Amps, die Vintage Classics, wie die alten Marshalls, ohne Master-Volume, einfach aufdrehen und los geht’s. Dann gibt’s von ihm auch noch die Modern Classics, die ähneln eher einem JCM 800. Rick St. Pierre hat mich zum Glück gerettet. Als wir wieder auf Tour mussten, schickte er mir zwei seiner Vintage Classics zusammen mit einer Box, und ich habe mich in die Amps verliebt. Marshall dagegen hat sich schlicht geweigert, mich zu unterstützen, um wieder auf die Beine zu kommen.

Rickey spielt Wizard-Vintage-Classic-Topteile, die sich am Marshall Plexi orientieren...
...Als Box kommt eine Wizard-4x12“ zum Einsatz, die mit einem Shure SM57 mikrofoniert und durch eine Plexiglaswand von der Bühne isoliert wird.

Gary Rossington dagegen spielt immer noch Peavey?

Wie’s so geht – das hat sich gerade etwas geändert, er spielt zur Hälfte Peavey, zur anderen Hälfte nutzt er einen Magnatone Super Fifty-Nine M-80. Früher stand Gary total auf den Peavey Mace, irgendwann hat er ja dann seine eigene Penta Rossington Edition von Peavey bekommen. Er spielt übrigens Reissue Les Paul Standards, Replicas seiner berühmten 60er „Bernice“ – außer der SG bei ,Free Bird‘.

Mischt er die beiden Sounds oder nutzt er die Amps abwechselnd?

Er spielt sie gleichzeitig, mischt also die Signale zusammen: den etwas cleaneren Sound vom Magnatone und den etwas mehr verzerrten vom Peavey.

Und Mark Matejka, der dritte Gitarrist, ist eher der Fender-Typ bei euch?

So was von! Er kam in die Band, spielte Fender und tut es immer noch. Hauptsächlich Strats über Hot Rod Blues Devilles.

Was die Gitarren bei Skynyrd angeht: Früher warst du bei Blackfoot auch mit Les Paul zu sehen, jetzt aber vor allem mit der Explorer.

Ja. Les Pauls habe ich früher bei Blackfoot hauptsächlich bei den härteren Sachen verwendet. Sonst spielte ich auch da die Gibson Explorer. Ich habe aber auch eine tolle Firebird. Die ist eigentlich ein Prototyp aus der Zeit, bevor die Firebird in Produktion ging, mit einem Korpus von 1960, zusammengebaut 1961, wie sie bei Gibson herausgefunden haben. Ich habe sie eher zufällig entdeckt, ich wusste gar nicht, dass es ein Prototyp war. Später habe ich dann noch eine von ‘63 und eine von ’65 gekauft. Und ich liebe schwarze Les Pauls, wie die mit dem Bigsby, eine Kopie meiner 76er-Les-Paul, oder die mit einem Single-P-90, wie sie Jared James Nichols spielt.

Wurden deine Gitarren nicht auch bei der Überschwemmung beschädigt?

Ja, tatsächlich, hunderte Musiker verloren damals Instrumente, darunter auch Brad Paisley, Vince Gill, Keith Urban oder Brent Mason. Sie hatten ihr Tour-Equipment in den Soundcheck Studios gelagert. Aber zum Glück fand ich die Firma RS Guitarworks von Roy Bowen und Scott Leedy in Winchester, Kentucky. Die haben sowohl meine Explorer als auch meine Firebird gerettet und wieder fit gemacht. Und übrigens auch die Les Pauls von Gary.

Medlockes Gitarren-Rack (Bild: Steve Voudouris)

Nutzt du eigentlich live irgendwelche Effektpedale?

Ich war immer ein ziemlicher Purist, wenn es um Effekte ging. Der einzige Effekt, ganz ehrlich, den ich einsetze, ist ein Chorus von RB3 Pedals und ab und zu ein Jim-Dunlop-Wah. Sonst gehe ich straight von der Gitarre zum Amp und vom Amp zu den Speakern.

Und bei Gary Rossington ist es wohl ähnlich, schätze ich?

Genau. Er benutzt einen Flanger oder Phaseshifter von Line 6 bei ,Call Me The Breeze‘ und bei ,The Ballad Of Curtis Loew‘ etwas Tremolo. Für Rhythmus-Sounds dreht er einfach die Gitarre leiser und erst beim Solo wieder auf. Er macht alles nur mit Gitarre und Amp.

Bei Mark Matejka sieht’s anders aus, der hat ein richtiges Pedalboard?

In der Tat, er hat eine ganze Palette am Start, die meisten Treter stammen von Boss. Und er hat einen Booster von Fulltone.

Als ich euch das letzte Mal live gesehen habe, war Johnny Colt am Bass. Ihr habt aber jetzt einen neuen Bassisten?

Ja, Keith Christopher kommt von den Georgia Satellites. Er hat sie damals als Keith & The Satellites gegründet. Johnny Colt wollte nach fünf Jahren aufhören und verließ die Band. Keith kam ziemlich kurzfristig und eher per Zufall zu uns. Wir hatten nur zwei Tage Zeit, jemanden einzuarbeiten. Und er hat das gemeistert wie ein echter Champ. So ist er schnell Teil der Skynyrd-Familie geworden und wir sind sehr froh, ihn zu haben. Er spielt meist einen Gibson Thunderbird über ein klassisches Ampeg-Stack.

Eure Support-Band bei den deutschen Terminen der Farewell-Tour ist Blackberry Smoke. Die werden ja inzwischen oft schon als eure Nachfolger im von euch gegründeten Genre Southern Rock gehandelt …

Weißt du: Der Ausdruck „Southern Rock“ kommt eigentlich von den Plattenfirmen. Als wir angefangen haben, Musik zu machen, waren wir einfach nur eine Band aus dem Süden. Die erste richtige Southern-Rock-Band waren tatsächlich die Allman Brothers. Und hier hast du wieder den Blues als Basis, gemischt mit Rock – und so wurde der Ausdruck Southern Rock geboren. Wir haben uns selbst immer nur als Rockband aus dem Süden gesehen. Und wir hatten unsere eigene Identität.

Euer Markenzeichen war immer, dass ihr eine Band mit drei Gitarristen seid. Davon gibt’s ja nicht so viele …

Am Anfang waren es eigentlich nur zwei Gitarristen: Gary Rossington und Allen Collins. Als Ed King zur Band stieß, sollte er eigentlich Bass spielen, weil Leon Wilkeson wegen gesundheitlicher Probleme ausgestiegen war. Aber Ed war eigentlich Gitarrist – und als Leon zurückkam, blieb er einfach als dritter Gitarrist und wechselte zu einer Fender Stratocaster, um sich von den beiden Gibson-Spielern abzuheben. So ist die „Three Guitar Army“ entstanden, die um 1973/74 herum dann Hits wie ,Sweet Home Alabama‘ schrieb. Und diese Idee haben wir versucht fortzuführen: Gary hat seinen eigenen Stil, Mark ebenso – und ich natürlich auch.

Was werdet ihr denn spielen auf der Europa-Tour? Ihr habt ja so viele Hits – die machen ja schon ein komplettes Programm aus …

Ich kann noch nicht zu viel verraten, aber wir haben letztes Jahr eine Show entwickelt, eine wirklich spezielle Produktion, natürlich mit ,Free Bird’ zum Ende des Abends. Mit vielen Emotionen und viel Power. Wir haben eine Setlist zusammengestellt, die wirklich von A bis Z geht. Ihr werdet sicher nicht enttäuscht sein.

Als ich euch das letzte Mal gesehen habe, war eines der Highlights euer Akustik-Song ,Mississippi Kid‘. Da hast du Mandoline gespielt.

Ja, richtig, Mark spielte eine Akustik-Gitarre, ich die Mandoline und Gary eine E-Gitarre von D’Angelico, eine Hollowbody. Er spielt einfach nie akustisch. Ich glaube, letztes Jahr hatten wir ,Mississippi Kid‘ gar nicht im Programm, aber ich denke, dieses Jahr werden wir ihn wieder bringen. Wir beginnen schon bald mit den Proben, um die Show gegenüber dem letzten Jahr etwas zu verändern.

Welchen Skynyrd-Song spielst du eigentlich live am liebsten?

Das werde ich die ganze Zeit gefragt. Und ich sage jedes Mal: Mein Lieblings-Song ist jeder einzelne. Wobei, ich liebe es natürlich, die obskureren Nummern zu spielen, zum Beispiel ,The Needle And The Spoon‘ – und den werden wir dieses Jahr auch bringen. Und ,Tuesday’s Gone‘, der erinnert mich an meine Mutter, die liebte diesen Song. Aber wie gesagt: Alle diese Stücke sind etwas Besonderes.

Apropos Songs: Vor zehn Jahren hat Kid Rock sich ,Sweet Home‘ unter den Nagel gerissen und daraus einen neuen Song gemacht, ,All Summer Long‘. Was habt ihr denn davon gehalten?

Richtig. Er hat eine Mischung aus ,Sweet Home‘ und ,Werewolfes Of London‘ von Warren Zevon gemacht. Meine Frau Stacy Michelle singt übrigens bei Kid Rock in der Band. Wir sind 2008/2009 sogar miteinander getourt, Kid Rock und Skynyrd. Dass er das gemacht hat, beweist doch nur, welchen gewaltigen Einfluss diese Songs haben. Wenn uns wirklich jemand mal nachfolgen will, dann braucht er diese großartigen Lieder.

Danke für deine Zeit, Rick.

 

(erschienen in Gitarre&Bass 06/2019)

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