Back to the Roots

Interview: Joe Bonamassa

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Auch wenn viele Fans aufgrund seiner nicht enden wollenden Kreativitätsflut scheinbar den Überblick verloren haben, sind Veröffentlichungen des Amerikaners Joe Bonamassa immer ganz besondere Feierstunden. Der mittlerweile 41-Jährige hat seine eigene unverrückbare Nische im großen Musikkosmos gefunden und liefert auch mit seinem aktuellen Album ‚Redemption‘ einen geschmackssicheren Hybrid aus traditionellem Rock, Blues, Soul, R’n’B, 70er-Jahre-Exkursen im Stile von Free bis Led Zeppelin sowie eingängigen Radionummern. Dabei wird der Ausnahmegitarrist hinsichtlich seiner Soundvorstellungen immer stärker zum Puristen, wie er uns im Gespräch erklärte.

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Interview

Joe, du sollst an deinem neuen Album länger als an jeder deiner bisherigen Scheiben gearbeitet haben. Stimmt das?

Na ja, ob es länger als bei allen meinen vorherigen Veröffentlichungen war, weiß ich gar nicht so genau. Tatsache aber ist: Wir haben mit den Vorarbeiten bereits vor zwei Jahren begonnen. Der Hauptteil der Stücke wurde dann im Juli 2017 eingespielt, einige weitere Recordings fanden in den Monaten danach statt. Insgesamt habe ich mindestens zwei Jahre in diese Scheibe investiert. Aber wie immer ist die Zeit wie im Flug vergangen.

Dinge, die ich vor zwei Jahren geschrieben hatte, waren bei mir zwölf Monate später schon fast wieder in Vergessenheit geraten. Ich wusste teilweise nicht mehr, wie ich auf die Idee zu einem Song gekommen war und wie ich die Nummer weiterentwickelt habe. Ich wusste nur noch: Die eine Hälfte der Ideen kam von ganz alleine, die andere Hälfte musste hart erarbeitet werden. Aber ich bin froh, dass immerhin so viele Ideen von alleine aus mir herausgekommen sind, genauso wie ich für alle Songs meines Musikerlebens sehr dankbar bin.

Änderst du von Zeit zu Zeit eigentlich das Arbeits-Prozedere, um frische Ideen und Inspirationen zu bekommen?

Ja und nein. ‚Redemption‘ ist bereits mein 17. Album, und ich habe gemerkt, dass mit jedem weiteren Lebensjahr meine Lebenserfahrung und damit auch die Fähigkeit größer wird, kreativ zu arbeiten. Außerdem scheinen meine Songs zunehmend mehr Tiefe zu bekommen, je älter ich werde. In meinen 20ern war ich sicherlich deutlich unbedarfter und musste viele Dinge erst lernen oder am eigenen Leib erfahren. Ich mache diesen Job ja jetzt schon eine Weile, und keines meiner Alben lässt sich mit einer der anderen Scheiben vergleichen. Manche mussten hart erkämpft werden, andere fielen mir deutlich leichter, aber immer waren sie vollkommen verschieden zu allen vorherigen.

Gear

So sieht Bonamassas Gegenwart aus: Fender Combos, wohin man schaut.
So sieht Bonamassas Gegenwart aus: Fender Combos, wohin man schaut.
Bonamassas Amp Settings

Mit welchen Amps hast du ‚Redemption‘ eingespielt?

Die Mehrzahl der Parts wurde mit meinen 80 Watt High-Powered-Fender-Tweed-Twin-Amps aufgenommen, darunter waren eine Menge alter Modelle, aber auch einige neue. Die Dinger klingen einfach großartig. Wie du weißt, bin ich der absolute Vintage-Guy, wobei ich niemals sagen würde, dass es unbedingt ausschließlich alte Amps sein müssen. Oftmals ist es die Kombination aus alten und neuen Verstärkern, die im Studio wunderbar funktioniert. Fender-Amps sind der Grund, weshalb ich zum Vintage-Fan wurde. Unter den Amps, die ich im Studio eingesetzt habe, waren aber auch ein Dumble und ein Marshall JTM 50 Bluesbreaker Combo.

Und welche Gitarren sind zum Einsatz gekommen?

Vor allem Les Pauls, viele in Standard Tuning, manche davon aber auch in Open Tuning, darüber hinaus auch die eine oder andere Firebird. Wie schon gesagt: Es waren in erster Linie Gibsons. Weißt du, jedes Studio klingt anders, und jedes Studio klingt zu unterschiedlichen Zeitpunkten ganz verschieden. Deshalb muss man immer vor Ort testen, welche Gitarre am besten zu dem passt, was man im Kopf hat. In diesem Fall hatten wir zunächst große Schwierigkeiten, den bestmöglichen Sound zu finden, und es dauerte etwas, bis wir die ersten Probleme überwunden hatten. Wie immer hat mir Kevin Shirley (Bonamassas Produzent, Anm. d. Verf.) sehr dabei geholfen, den optimalen Sound zu finden.

Weniger ist mehr: Nur ein Way Huge Overrated Special plus WahWah-Pedal.

Welche Effekte hast du eingesetzt?

Nicht allzu viele. Da war vor allem ein Cry-Baby-Wah, dazu ein Way Huge ‚Overrated Special‘ und ein Way-Huge-Pedal, das sich ‚Doubleland Special‘ nennt, im Grunde genommen sind es einfach zwei ‚Overrated Special‘ in einem Gerät, sodass man einen Effekt als „Higher Gain“ und den anderen als „Lower Gain“ verwenden kann. Das war es auch schon an Pedalen.

Wirklich?

Ja! In einer für 2018 völlig unüblichen Weise habe ich nur diese drei Effekte verwendet. Ich weiß, dass manche Leute darüber die Nase rümpfen und mich dafür belächeln, aber das interessiert mich nicht. Ich bevorzuge seit einiger Zeit den möglichst direkten Weg von der Gitarre in den Verstärker. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie befreiend es für mich war, all das Zeugs in meinem Pedalboard einfach auszusortieren und wieder direkt mit der Gitarre in den Amp zu gehen.

Es ist für einen Musiker doch sowieso viel entscheidender, was er in seinem Kopf und in seinen Händen hat, also die Seele, die aus einem Musiker spricht. Natürlich macht es auch Spaß, mit einigen Effekten zu spielen, beispielsweise mit einem Leslie-Effekt. Aber ein Pedalboard voll mit unterschiedlichen Gain-Effekten zu verwenden ist doch ziemlicher Quatsch, vor allem, wenn man als Musiker anfängt, sich darauf zu verlassen. Letztendlich verlässt man sich auf Maschinen, obwohl man sich als Musiker doch auf sein Herz und seine Seele verlassen sollte.

Du hast mit Kenny Greenberg und Doug Lancio zwei neue Gitarristen in den Aufnahmeprozess einbezogen. Hat deren Einfluss dein Gitarrenspiel nachhaltig verändert?

Doug und Kenny sind Session-Musiker, hier in Nashville. Beide sind wunderbare, sehr gefühlvolle Instrumentalisten, ebenso großartig wie Countrysänger Jamey Johnson, der auch auf ‚Redemption‘ zu hören ist. Sie alle haben, jeder auf seine eigene Weise, an entsprechender Stelle etwas Inspirierendes beigesteuert. Doug, Kenny und Jamey sind unglaublich flexibel und passten deshalb perfekt zu dem, was ich für mein neues Album im Kopf hatte, nämlich mich stilistisch noch weiter zu öffnen. Überhaupt konnte die Atmosphäre hier in Nashville eine Menge dazu beitragen, dass ich den Mut hatte, mich auch  an ein neues musikalisches Terrain heranzuwagen.

Apropos neues Terrain: Ich hörte, dass du aktuell an einem neuen Fender Amp arbeitest. Was ist an diesem Gerücht dran?

Nun, zunächst haben wir ja vor nicht allzu langer Zeit einen neuen Fender Twin herausgebracht, an dessen Entwicklung ich bekanntlich beteiligt war. Außerdem arbeite ich derzeit mit Fender an einem anderen Projekt, über das ich allerdings noch nicht allzu viel verraten darf. Es ist auch noch nicht endgültig entschieden, ob mein Name draufstehen wird oder nicht. Es wird also entweder ein Signature Amp oder etwas, bei dem ich nur meine Meinung und meine Erfahrung beigesteuert habe.

Hinsichtlich der Gitarren kann ich bekanntgeben, dass in diesem Jahr eine neue Epiphone von mir erscheinen wird, basierend auf meiner Gibson ES-335 Signature. Ich habe von meinen unterschiedlichen Modellen, also vor allem von Epiphone- und Gibson-Custom-Gitarren, in den zurückliegenden neun Jahren an die 10.000 Exemplare verkauft. Es ist einfach großartig.

Die Vorlage seiner künftigen Epiphone ES-335: Bonamassas Gibson ES-335 Signature

Ähnliches gilt für die Amps, an denen ich beteiligt war. Auch von ihnen sind hunderte in Umlauf gebracht worden, ebenso von meinen Kabeln und so weiter. Ich bin unglaublich dankbar dafür, dass mich meine Fans bei all diesen Projekten unterstützen. Bei meinen zukünftigen Kooperationen liegen mir vor allem Dinge am Herzen, die ich schon seit Langem realisieren wollte und auf die meine Fans bereits seit Jahren warten.

In diesem Zusammenhang spielt Fender natürlich eine zentrale Rolle, denn sie haben eine überragende Historie, mit grandiosen Amps, die Rockgeschichte geschrieben haben. Fender-Amps haben einfach Killer-Sounds. Du weißt das, und ich weiß das.

Wenn ich auf meine Karriere zurückblicke, habe ich mir fast immer lieber einen Fender Combo als irgendeinen Boutique-Amp gekauft. Egal welche Effekte ich davor geschaltet habe, irgendwelche Booster oder seit einiger Zeit die Geräte von Way Huge, immer klang es großartig. Und daran hat sich nichts geändert. Die Boutique-Amps sind großartig, keine Frage, aber an meinem Sound haben sie nichts wirklich Entscheidendes verändern können.

Vielen Dank für das offene Gespräch, Joe, wir sehen uns im kommenden Frühjahr auf Tournee.

Gerne – bis dann, Matthias!

Immer an seiner Seite: Joe Bonamassas Gitarren-Techniker Mike Hickey
Produkt: Gitarre & Bass 7/2022 Digital
Gitarre & Bass 7/2022 Digital
IM TEST: Guild Surfliner +++ Mooer GTRS +++ Gibson G-45 und G-Writer +++ Schecter dUg Pinnick +++ Blackstar St. James 50 6L6 +++ Line 6 DL4 MKII Delay +++ Walrus Audio Mako M1 +++ Markbass AG1000 +++ Genzler 4 on the floor & re/Q

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