Master of Tontransport

Interview: Harry Häussel

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(Bild: Franz Holtmann)

Häussel Pickups 2019

Gute 15 Jahre ist es her, dass wir den damals aufstrebenden Pickup-Designer erst mals im Schwabenland besuchten. Harry Häussels Ruf wuchs schnell, namhafte Gitarrenbauer wie Nik Huber, Jens Ritter, Rainer Tausch oder Juha Ruokangas bauen seine Tonabnehmer schon lange exklusiv in ihre Gitarren und Bässe ein. Neben eigenen Reihen von redefinierten Pickup-Typen aller Art, blieb er dabei aber auch immer Ansprechpartner für individuelle Ansprüche.

Standardisierte Tonabnehmer werden heute von drei Mitarbeiterinnen in Teilzeit gefertigt, Harry selbst widmet sich Sonderanfertigungen aller Art und nicht zuletzt auch seinen CNC-Fräsen, um Pickup-Cover und Rähmchen aus Edelholz, aber auch komplette Griffbretter mit Bundnuten und Inlays für prominente Gitarrenbauer zu erstellen. Wir dokumentieren den aktuellen Stand der Pickup-Fertigung, wollen aber auch wissen, wie sich die Inhalte, das Geschäft und nicht zuletzt auch die Bedürfnisse der Musiker im Laufe der Zeit gewandelt haben.

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Harry, erinnere uns doch noch einmal kurz – wie bist du ins Metier gelangt?

Zum Pickup-Bau bin ich schon Mitte der 80er-Jahre gekommen. Ich hab ja damals E-Gitarren und auch Bässe gebaut und als der Wunsch nach 7-saitigen Gitarren oder 5-saitigen Bässen aufkam, da hab ich mir die Dinger einfach selber gemacht.

Feiner Draht in der Wickelmaschine (Bild: Franz Holtmann)

Da gab es einfach noch nix.

Zu der Zeit hatte ich einen sehr guten Draht zu Frau Hanf von OBL, die hörten gerade auf zu produzieren. Beiläufig hat sie irgendwann gesagt, sie hätten noch eine Wickelmaschine im Keller. Die hab ich mir dann gekauft. Das passierte also aus der Not heraus, weil es auf dem Markt einfach nichts gab. Ich habe mir die Deckplatte und die Grundplatte aus Palisander gemacht, hab mir Magnete besorgt und hab einen 6-saiter-Bass mit entsprechenden Tonabnehmern gebaut – und die klingen heute noch super.

Das wurde dann wohl auch wahrgenommen: da ist jemand, der sowas kann?

Ja, so Anfang bis Mitte der 90er haben das die Leute zunehmend bemerkt, vor allen Dingen die Kollegen, die ja das gleiche Problem hatten. Irgendwann hat auch jemand angefangen mit No-Name-Sachen zu handeln und der sagte: „Oh, das klingt gut, was du machst, mach mir mal 50 Satz Stratocaster.“ Das war dann eine logistische Herausforderung, denn da hat erst mal gar nichts geklappt. Weder hatte ich so viele Magnete noch entsprechenden Draht. Ab da hab ich mich dann damit beschäftigt, die richtigen Sachen zu besorgen, hab das alles genauer angeschaut und auch damit angefangen, Klangexperimente zu machen.

Lötarbeit verlangt Fingerspitzengefühl (Bild: Franz Holtmann)

In der Phase hast du dann wohl eine Menge gelernt?

Sehr viel! Viel gemessen, viel gelesen – damals noch in Büchern, etwa über historische Fender- oder Gibson-Gitarren. Da kann man ja viel über Pickups erfahren: Wicklungszahl, Drahtstärken etc., meistens gab es hinten drin noch so ein kleines Diagramm mit Hinweisen: In den 60ern haben sie so gewickelt mit dem Draht und in den 70ern so … Das Wichtigste war aber immer das Hören. Die andere Herausforderung war, sich die Teile herzustellen.

Eine Stratocaster-Grundplatte kann man ja schon mit der Laubsäge und der Bohrmaschine machen, aber das dauert, wird nicht präzise und wenn man das verkaufen will, reicht das natürlich nicht. Ich hatte zu der Zeit aber schon meine CNC-Fräse…

CNC-gefräste Grundplatten (Bild: Franz Holtmann)

Hattest du damals schon eigene Produkte im Auge, oder ging es mehr um die noch nicht erhältlichen Spezialitäten?

Am Anfang waren das schon die Sachen, die nicht verbreitet waren. Aber durch diesen Stratocaster-Auftrag hab ich gedacht: „Das probieren wir mal!“. Ich hab mir Alnico5-, auch Alnico2 Magnete besorgt und dann fing das mit der Analyse an: Wenn man einen klassischen Ton will, dann muss man weniger Wicklungen drauf machen; wenn man einen eher bluesigen Ton will, dann macht man 700, 800 Wicklungen mehr drauf. Nachdem ich angefangen hatte, das alles etwas mehr zu systematisieren, bin ich dann so 1999 oder 2000 mit eigenen Strat- und Tele-Pickups das erste Mal auf die Frankfurter Messe gegangen, auch Precision und Jazz-Bass-Pickups hatte ich dabei.

Bass-Pickups (Bild: Franz Holtmann)

Wenn man deine Kundenliste liest, dann findet man dort sehr viele prominente Gitarrenbauer wie Huber, Ritter, Marleaux, Tausch oder Ruokangas.

Ja schon, aber ich hab auch viele Privatkunden. Die verweise ich allerdings an Acys Guitar Lounge. Der Acy hält mein Programm für Privatkunden vor und übernimmt auch die fachliche Beratung. Acy macht das gern und er macht das super.

Anfragen beziehen sich nicht immer nur auf die Gitarre, oder?

Ich kriege oft skurrile Anfragen, denen ich aber meistens gerecht werden kann. Ganz selten habe ich gesagt: „Uh, das geht jetzt gar nicht“, wie etwa bei einem 58-saitigen Hackbrett, da muss ich auch heute noch passen. Tele, Strat, Humbucker etc. – das ist ja eigentlich alles standardisiert, aber heute habe ich auch bei Sachen, die ich noch nicht gemacht habe eine sehr hohe Trefferquote.

Das heißt: Deine Erfahrung führt dich relativ sicher zu einem ganz bestimmten Klangergebnis?

Richtig! Ich weiß inzwischen, was ich machen darf, aber auch was nicht geht.

Wickeldraht
volle Materialschubladen

Es gibt eine bemerkenswerte Treue deiner Kunden dir gegenüber, etwa von Nik Huber oder Juha Ruokangas.

Ja, die sind schon von Anfang an dabei und obwohl der Sympathiefaktor schon wichtig ist, zählt natürlich das Handwerkliche. Ich sehe mich eher als Handwerker, denn als Pickup-Tonkünstler oder irgend so etwas. Ich brauche die und die Sachen, dann kann ich dir ein Teil machen, das so und so klingt. Das wissen meine Kunden zu schätzen.

Manche wissen auch zu schätzen, dass bei dir wenig Voodoo im Spiel ist, dass man auf technisch fundierte Aussagen vertrauen kann.

Voodoo, da glaub ich nicht so dran – ich glaube eher an Know-how. Man kann sich nebulös ausdrücken und versuchen, mit Voodoo die Höhen wegzubringen, man kann aber auch sagen: „du, da mach ich dir einfach 300 Wicklungen weniger drauf.“ Das sind 7 % und das ist für den Kunden nachvollziehbar.

Bei dir gibt es auch nicht diese Aussagen vom mystischen Glanz und der besonders komplexen Textur eines 59er-Humbuckers etc…

Nee, ich tue mich ein bisschen schwer mit diesen ganzen Wörtern… Ich sag lieber: „Du, schraub das Ding rein und hör es dir selber an.“ Erstens höre ich anders als der Kunde und zweitens hört der das in Finnland oder sonst wo – vielleicht bei 30 Grad Plus und ich bei 20 Grad Minus, das sind alles Faktoren, die den Klang beeinflussen. Da häng ich mich nicht rein!

Harry Häussel und sein Team (Bild: Franz Holtmann)

Du beschäftigst inzwischen drei Halbtagskräfte, die eigenständig deine Standard-Pickups fertigen?

Das ist ja das Schöne, wenn man ohne Voodoo schafft. Da kann man sagen: „du nimmst den Magnet und den Draht und baust das so und so zusammen.“ Man muss natürlich handwerklich schon sehr geschickt sein, um das hinzukriegen, man braucht Fingerspitzengefühl und muss auch super löten können usw. Meine Damen machen das sehr gut und sie stehen auch nicht unter Zeitdruck. Der Tonabnehmer ist fertig, wenn er fertig ist.

Laser-Signaturen (Bild: Franz Holtmann)

Für spezielle Sachen wendet man sich an dich?

Ja genau, dafür bin ich der Ansprechpartner. Ich entscheide morgens immer, was heute gewickelt wird und wenn was Dringendes reinkommt, schau ich nach, ob wir die Teile da haben und wie wir das dann schnell zwischendurch machen können.

Früher hörte man noch von Experimenten mit der Tonwandlung, etwa durch Laser oder optoelektrische Umsetzungen. Ist die altmodische elektromagnetische Methode jetzt gesetzt für die E-Gitarre als quasi klassisches Instrument?

In den letzten Jahren ist das Traditionelle ja immer noch stärker geworden. Noch mehr Aging bei Nickelkappen, noch mehr traditionell zurückgreifender Ton. Wir waren stolz auf wunderbar glänzende Tonabnehmer und jetzt wollten die Leute das andersherum ? also bieten wir das halt auch an. Ich glaube, das wird jetzt so bleiben. Die Tonabnahme funktioniert gut und das ist jetzt prinzipiell die Elektrogitarre. Auch moderne Touch-Gitarren arbeiten ja mit lediglich angepassten magnetischen Tonabnehmern, die allerdings eher modern und klar und auf eine schnelle Ansprache ausgerichtet sind.

Magnetisiergerät (Bild: Franz Holtmann)

Was kann man machen für so eine schnelle Ansprache?

Um die Saiten herum hast du ja ein Magnetfeld und wenn du die Saite berührst, wird das Magnetfeld gestört. Die Spule merkt das und wie schnell sie das merkt, ist entscheidend. Für viele Humbucker habe ich eine Stahlsorte ausgesucht, woraus ich mir die Schrauben und Stifte selber machen lasse. Das ist ein hochgezüchteter Stahl nach dem ich lange gesucht habe und der auch sehr teuer ist, aber er leitet Magnetismus sehr schnell weiter. Viele Modelle von uns haben diesen Stahl, aber manchmal möchte man das auch gar nicht. Der Mensch, der einen totalen Vintage-Ton will, erschrickt, wenn es so schnell reagiert.

Wie würdest du deine Pickups selbst charakterisieren, was zeichnet sie aus, was unterscheidet sie von anderen?

Zuerst haben wir eigene Modelle gemacht, die einfach sehr schnell reagieren, die einen sehr klaren Ton auch bei hoher Lautstärke haben und nie matschen. Daran schieden sich am Anfang etwas die Geister. Die einen haben gesagt: „Geiler Tonabnehmer, jeder Ton kommt klar“, die anderen haben gesagt: „Uh, das sind mir aber zu viele Brillanzen, die sind zu höhenlastig.“ Mit der Zeit habe ich dann auch andere Modelle ins Programm genommen, Vintage-Modelle mit Draht, der nicht so viele Höhen macht.

Teil der Tagesproduktion (Bild: Franz Holtmann)

Diese Ergänzung wurde ja auch gut angenommen, nicht?

Mein Stammkunde Nik (Huber) hat irgendwann gesagt: „Wir brauchen auch noch mal was Vintage-mäßiges.“ Ich meinte dann: „Ja, das probieren wir mal aus und habe andere Schrauben reingemacht und amerikanischen Draht verwendet.“ Der eine würde das jetzt vielleicht Voodoo nennen, aber ich sage: der Pickup ist ein System mit vielen Komponenten und darüber kann man im Detail am Ton etwas ändern – das ist schwierig und spannend zugleich.

Wie siehst du das mit dieser Vintage-PAF-Herrlichkeit der frühen Jahre? Hat man einfach sofort alles so richtig gemacht, den definitiven Maßstab intuitiv gefunden?

Das verstehe ich auch nicht ganz. Ein Bekannter von mir hat mal 20 PAFs getestet und hatte am Schluss 19 verschiedene Sounds, weil da auch jeder anders klingt. Die großen Firmen müssen ja mit soundsoviel Geld soundsoviele Gitarren bauen, da wird im Büro dann eben der Magnet bestellt, der vielleicht gerade 20 % günstiger ist, so wechselte das am Anfang öfter. Erst 20 Jahre später hat dann jemand gemerkt: „oh, der 57er, der klingt ja supertoll!“.

Oder eben der 59er – das ist ja alles Geschmackssache. Bei uns ist es letztendlich egal, was der Magnet kostet. Wir verwenden sehr viel Alnico8, der sauteuer im Vergleich zu Alnico5 ist. Der ist etwas stärker, hat ein weites Magnetfeld, bietet aber auch gute Mitten. Er liegt so zwischen Alnico5 und Keramik mit seinem kurzen, schnellen Magnetfeld, macht aber immer noch diesen schönen Alnico-Sound.

Pickups im Wachsbad (Bild: Franz Holtmann)

Was liegt bei dir in Zukunft an?

Ich bin jetzt 62 und es gab auch schon Interessenten für das Pickup-Geschäft. Arbeiten möchte ich aber noch lange, ich mach das einfach super gerne. Ich werde wohl solange schaffen, wie ich die CNC-Fräse selber einschalten kann. Das mit den Pickups ist etwas, das man schon irgendwann weitergeben kann, das ist alles entwickelt und selbst das Wissen für Sonderanfertigungen kann man vermitteln. Am Anfang habe ich gedacht, das probier ich mal, aber die letzten 20 Jahre sind schnell vorbeigegangen und ich bau immer noch Tonabnehmer und will es auch immer noch besser hinkriegen, obwohl ich ja meine ersten Modelle alle noch im Programm hab, und die werden auch immer noch gleich gemacht, aber es sind halt wahnsinnig viele Modelle dazugekommen.

Da hattest auch du gleich am Anfang ja offenbar schon das richtige Gespür.

Das wusste ich damals nur noch nicht, aber das ist inzwischen eine Art Selbstläufer geworden. Wir sind immer gut ausgelastet, unsere fünf Wickelmaschinen laufen eigentlich ständig. Eine Zeit lang hat jemand anders die Endkontrolle gemacht, aber das mach ich inzwischen wieder selbst und jeder Pickup, der rausgeht, geht durch meine Hand.

So soll es noch möglichst lange bleiben – Danke Harry!


Kontakt:

www.haeussel.com

www.acys-lounge.de

 

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2019)

Produkt: Gitarre & Bass 9/2022 Digital
Gitarre & Bass 9/2022 Digital
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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Sehr sympathisch! Tolles Interview! Herr Häussel ist leidenschaftlicher Künstler, Handwerker, Tüftler, Geschäftsmann, guter Chef etc. …und macht Lust auf einen Pickupwechsel. Ich werde gleich mal eine Bestellung aufgeben. Danke auch an G& B für dieses super Interview.
    VG
    Christian

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