Los Angeles. Gütersloh. Vancouver.

Interview: Fynn Grabke & The Picturebooks

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(Bild: The Picturebooks)

Wer sich für Indierock, Blues und Americana interessiert, kam in den letzten Jahren an The Picturebooks nicht vorbei. Das Duo aus Gütersloh befindet sich seit nunmehr zehn Jahren im Vollgasmodus und hat zuletzt das neue Album ,The Hands Of Time’ veröffentlicht. Für uns also die ideale Gelegenheit, einmal mit Gitarrist und Sänger Fynn Grabke zu sprechen.

Die Überschrift gibt ziemlich genau den Reiseplan der Band in den letzten Wochen wieder. Wer einmal durch Gütersloh gefahren ist, wird die Absurdität dieser Zeile schnell verstehen. Genau hier befindet sich die Geburtsstätte der Picturebooks.

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Dabei sind die beiden Bandmitglieder nicht die ersten Bürger der Kreisstadt, die es zu internationalem Ruhm gebracht haben. Fynns Vater Claus Grabke war nicht nur einer der erfolgreichsten Skateboardfahrer der 80er-Jahre, sondern auch Sänger von Bands wie Thumb oder den Alternative Allstars.

Liegt es also vielleicht doch an der gesunden Landluft, oder ist es am Ende gar die ruhige Umgebung, die die Kreativität so ungemein fördert? Um das zu besprechen, habe ich mich mit Fynn, der mit der Band gerade in Vancouver ist, um sich für die bevorstehende Kanada-Tour mit Monster Truck vorzubereiten, zu einem Videointerview verabredet.

(Bild: The Picturebooks)

Interview

Fynn, toll dass es geklappt hat! Wie geht es dir? Ihr seid ja wahnsinnig viel unterwegs dieser Tage.

Mir geht es super. Wir haben gerade eine ziemlich lustige Reise durch diverse Zeitzonen hinter uns. Wir waren zehn Tage in Los Angeles, um dort ein Video zu drehen, dann vier Tage in Gütersloh und sind nun hier in Vancouver. Dementsprechend ist der Jetlag ziemlich hart und mein Körper möchte gerade zu eigenartigen Uhrzeiten schlafen.

Das ist ein strammes Reisepensum …

Ja, auf jeden Fall. Die letzten sechs Jahre war das alles ziemlich außer Kontrolle. Aber genau das ist es, was wir immer wollten und ehrlich gesagt auch der Grund, warum wir eine Band gegründet haben. Wir wollten reisen und die Möglichkeit haben, nahezu überall auf der Welt unsere Kunst breitzutreten. Dass der Plan so aufgegangen ist, haben wir … na ja, wir haben schon daran geglaubt, aber oft wurden uns die Türen vor der Nase zugemacht, bevor wir dann den Schritt gegangen sind, die Band auf diese Weise durchzuziehen.

Wir haben unzählige Mails verschickt, die wahrscheinlich nie gelesen wurden, weil klar war, dass wir aus Deutschland kommen. In England liefen wir auf einem Fernsehsender ziemlich viel und als in einem Kontakt dann deutlich wurde, dass wir Deutsche sind, waren wir weg vom Fenster. Das war schon heftig. Wir haben uns dann entschieden, einfach in die USA zu gehen. Wir sind nach Kalifornien geflogen, haben dort eine einzige Show gespielt und hatten über Nacht ein internationales Label am Start. Von da an wurden wir scheinbar als Ami-Band gehandelt und all die Leute, die uns nie beachtet haben, waren auf einmal ganz offen für uns. Totaler Schwachsinn eigentlich.

Früher wart ihr ja als Trio unterwegs, seit 2014 nur noch zu zweit. Würdest du sagen, dass sich die Energie eurer Live-Shows dadurch wesentlich verändert hat?

Für uns ist unser Debüt eigentlich ,Imaginary Horse’ von 2014. Alles davor ist im Grunde wie eine andere Band. Mit Tim, unserem ehemaligen Bassisten, sind wir nach wie vor super befreundet. Er kommt zu vielen Shows und wünscht uns nur das Beste. Philipp und ich haben schnell gemerkt, dass wir als Duo noch mehr Druck machen müssen. Oft erzählen uns Zuschauer, dass sie, wenn sie beim Konzert die Augen geschlossen haben, glaubten, zehn Mann zu hören und es kaum fassen konnten, dass wir nur zu zweit sind. Aber bei uns gibt es keine Tricks und keine Playbacks. Alles was man hört, kommt nur von uns beiden.

Ich glaube, dass die Leute es gar nicht mehr gewohnt sind, so minimalistische Musik zu hören. Wir glauben, dass weniger oft mehr ist. Im Rock´n´Roll war es doch genau das, was Bands wie die Rolling Stones oder Velvet Underground so spannend gemacht hat. Da war nicht alles perfekt mikrofoniert oder gemischt und im Endeffekt, ist das auch völlig egal. Ich glaube, es kommt nur auf die Performance und den Song an. Wenn das beides stimmt, ist der Sound scheißegal.

(Bild: The Picturebooks)

Wie lief dieses Mal das Songwriting für ,The Hands Of Time’ ab?

Zunächst mal: Wir sind absolut keine professionellen Musiker. Ich kann bis heute keinen Akkord greifen und Philipp hat nie gelernt, richtig Schlagzeug zu spielen. Klar kennen wir uns da mittlerweile ein bisschen mehr aus, aber im Grunde sind wir Dilettanten. In erster Linie sind wir wahrscheinlich Künstler mit Herz und genau das wollen wir versuchen auszudrücken.

Uns haben Bands wie Can, David Bowie oder The Cure total inspiriert. Was ich versuche zu sagen, ist, dass wir keine richtigen, gelernten Musiker sind, sondern eher Handwerker. Im Falle des neuen Albums hieß das, dass wir das Studio als eine Art Instrument mitbenutzt haben. Früher haben wir einfach drei Mikros in unserer Garage aufgebaut und alles dort eingespielt. Auf den alten Alben ist jedes Reverb das man hört, unsere geliebte Garage.

Dieses Mal sind wir tiefer ins Songwriting eingetaucht und haben nicht einfach nur drauflos gespielt. Grundsätzlich sind wir eine Band, die sehr an den ersten Take glaubt. Dementsprechend gehen wir an diesen ersten Take immer sehr ernsthaft heran, da er auch in 90 Prozent der Fälle am Ende auf dem Album landet.

Sorry, dass ich so aushole, du hattest ja nach dem Songwriting für ,The Hands Of Time’ gefragt. Ich sammle eigentlich permanent Ideen auf meinem Handy und wenn es dann ans Songwriting geht, reden wir erst mal ziemlich viel über diese Entwürfe und darüber, wohin der Song gehen will.

(Bild: The Picturebooks)

All das bevor ihr anfangt, über eine Idee zu jammen?

Wir jammen nie! Wir sind die letzten Menschen die jammen. Das endet bestenfalls in einer lustigen Funksession und alle lachen sich schlapp. In unserer Musik gibt es zwar beispielsweise bestimmte Blues-Elemente, aber ich habe ehrlich gesagt überhaupt keine Ahnung von Blues oder was ihn ausmacht. Unsere Arbeitsweise ist eigentlich eher wie bei einer Hip-Hop-Produktion. Wir bauen den Song nach und nach auf und nehmen gleichzeitig auf. Wenn der Song dann fertig geschrieben ist, ist er in der Regel auch schon fertig aufgenommen.

Würdest du sagen, dass die vielen Aufenthalte in den USA, euer neues Album noch stärker als sonst beeinflusst haben? Euer Sound strotzt ja geradezu vor Americana.

Im Grunde waren wir in den letzten sieben Jahren immer viel in den Staaten unterwegs. Damals waren viele indigene Ureinwohner auf den Konzerten, die uns total inspiriert haben. Die haben eine völlig andere Herangehensweise an Musik, besonders wenn man von deren Volksmusik ausgeht. Viele der Konzertbesucher haben uns damals einige total abgefahrene, selbstgebaute Instrumente geschenkt.

Zu dem Zeitpunkt haben wir auch entschieden, keine Becken mehr zu benutzen. Der Verschleiß war finanziell einfach nicht mehr zu stemmen; wer Philipp einmal hat Schlagzeug spielen sehen, der weiß, warum. Dadurch haben wir gemerkt, dass man das Frequenzspektrum der Becken auch ganz anders füllen kann.

Wir haben angefangen, mit Percussions zu arbeiten, die uns die Ureinwohner geschenkt haben. Da war zum Beispiel eine Rassel, die komplett aus Patronenhülsen gebaut war. Inzwischen bauen wir ganz viel selbst oder tunen unsere Instrumente. Unser alter Freund Henrich Schmidts von Earforce Amps hat uns damals Verstärker gebaut, die genau nach unseren Vorstellungen entwickelt waren. Wir wissen mittlerweile einfach sehr gut, was wir nicht wollen und das hilft uns weiter.

(Bild: The Picturebooks)

Was bei ,The Hands of Time? Ja wirklich neu ist, sind Instrumente wie Mandoline und Piano. Wie kam es dazu?

Das dritte Album ist halt immer eine total schwierige Sache, das kennt ja jede Band. In erster Linie haben wir jetzt einfach darauf geachtet, das für uns ehrlichste Album zu machen, was wir machen konnten. Wir haben einfach ein Verlangen gespürt, solche Dinge wie das Piano auszuprobieren. Bei der Mandoline war es recht naheliegend. Wir hören viel Country und Bluegrass, wo die Mandoline ja sehr präsent ist. Gibson – die ich ja endorse – waren dann so freundlich, mir eine Mandoline zu schicken und im Grunde war der Song dann auch total schnell im Kasten. Auch sonst war mir das Instrument nicht sonderlich fremd. Meine Mutter ist halb serbisch, halb italienisch und in Serbien gibt es ein ähnliches Instrument, das sich Tamburica nennt.

Hast du Lust, ein bisschen was über dein Setup, das du bei den Aufnahmen benutzt hast, zu erzählen?

Ich habe eigentlich gar nicht viel anders gemacht als bei den letzten Alben. Da wäre mein alter Marshall-Silver-Jubilee-100-Watt-Verstärker, den ich in ein umgedrehtes Combo-Gehäuse gebaut habe. Der Amp ist fast immer mit auf Tour und liefert einen total geilen Crunch-Sound. Dazu kommt mein Earforce-Bass-Amp, der wirklich ganz clean und unheimlich fett klingt. Dazu habe ich eine 2x12er Box, ebenfalls von Earforce. Das Ding klingt unglaublich dick und ist schlicht und ergreifend die beste Box, die ich in meinem ganzen Leben jemals gespielt habe. Wirklich!

Ich sage das nicht um Werbung zu machen, Henrich baut ja noch nicht mal mehr Amps. Das Teil ist einfach das Beste, was es gibt. Jeder, der die Kiste mal schleppen musste, hasst sie, weil sie unheimlich schwer ist. Wir benutzen ja in der Regel Open-Tunings, bei denen ich mit dem Daumen die Basslinie und auf den hohen Saiten eine Melodie spiele. Der Marshall zum Beispiel kriegt das nicht immer so gut getrennt – da brauche ich dann einfach den Earforce für die Klarheit. Gerade wenn ich ein Fuzz dazuschalte, ist das wichtig. Manchmal haben wir im Studio noch einen ganz alten Gibson-Amp benutzt, um noch etwas mehr Schmutz zu bekommen.

In Sachen Gitarren sind nur Gibsons zum Einsatz gekommen. Vor allem meine alte ES-125 mit dem P 90-Pickup. Die ist wirklich mein Schätzchen. Dazu kamen noch eine ES-175 und einige Les Pauls. Eigentlich bin ich gar nicht so der absolute Les-Paul-Fan, aber irgendwie haben sie diesen hölzernen Ton, den ich immer versucht habe, mit meinen Archtops, hinzubekommen. Dazu kamen dann noch ein paar Dobros, die ich zum Beispiel beim Song ,You Can‘t Let Go’ mit Chrissie Hynde eingesetzt habe.

Waren viele Effektpedale im Einsatz?

Ein paar, ja. Das wichtigste ist auf jeden Fall mein Signature-Pedal von Red Sun FX, der Pictureboost. Das Ding ist ein total geiler Clean-Boost, der es schafft, dass man das Holz der Gitarre wirklich noch hört. Dazu kamen noch ein paar Pedale von KMA aus Berlin, die bauen ebenfalls großartiges Zeug. Dann hatte ich das Hall-of-Fame-Reverb und ein Octaver-Pedal von TC Electronic, das ich für die Mandoline brauche, wenn sie im Refrain mehr Power haben soll. Ansonsten habe ich gar nicht so viel verwendet. Auch hier gilt für mich, dass weniger mehr ist.

Danke für das Gespräch!

 

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2019)

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