Die Crossover-Pioniere sind zurück

Faith No More Bassist Billy Gould im Interview

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Faith No More 2015

Sag niemals nie! 18 Jahre nach ihrem Split und sechs nach ihrer Reunion legen Faith No More tatsächlich ein neues Album vor – und machen vieles anders bzw. besser als in den 80er- & 90er-Jahren. Mit eigenem Indie-Label, Self- Management und zehn Songs, die unter dem Titel ,Sol Invictus‘ firmieren und so arty, extrem und komplex klingen, wie es sich die Fünf aus San Francisco immer gewünscht haben. Bassist Billy Gould über eine späte Selbstverwirklichung.

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Oakland trennt lediglich eine Brücke von Downtown San Francisco. Und doch ist es eine ganz andere Welt als die hippe, multikulturelle und ach so liberale Metropole an der Bay Area. Nämlich Skid Row, Ghetto und Kehrseite von Silicon Valley. Hier leben diejenigen, die sich das glitzernde Metropolis mit seinen organischen Coffee-Shops und astronomischen Mieten nicht mehr leisten können, die auf Drogen sind, sich prostituieren oder schlichtweg kostengünstig freischaffend arbeiten wollen. „Jetzt, in den frühen Morgenstunden, passieren die meisten Überfälle und Morde“, erklärt Billy Gould, seines Zeichens Bassist von Faith No More. „Eben weil die Junkies Geld brauchen und keinerlei Skrupel haben. Erst letzte Woche lag z.B. eine Leiche vor unserer Einfahrt – was völlig normal ist.

Aber dafür ist unser Proberaum auch so billig, dass man keine Ansprüche stellen darf.“ Er liegt an der Wood Street, Ecke Grand, in einem Komplex, den sich Faith No More mit Testament, Machine Head und Exodus teilen. Doch die Herren Metaller sind an diesem Mittwochmorgen noch in den Federn, während Gould durch das ZNS der Band führt – was ihm sichtlich peinlich ist. „Es ist ein Saustall, Mann. Einfach, weil niemand seinen Dreck wegräumt, weil hier alles wild durcheinander fliegt und man nichts wiederfindet. Aber hey, wir proben hier nicht nur, wir haben an diesem Ort das gesamte neue Album aufgenommen und gemixt, mit einem sensationell günstigen Budget.“

Was der 52-Jährige, der auch als Produzent des Werks fungierte, mehr als einmal betont – einfach, weil es ihm wichtig ist. Denn Faith No More anno 2015 sind so indie, wie man nur sein kann. Sie kommen ohne Major-Label, ohne Management, ohne Publicity- Maschine und ohne den kostspieligen Wahnsinn der früheren Dekaden aus. „Wenn ich mir vor Augen führe, was unsere damalige Plattenfirma für Videos, Studios, Marketing und Promotion ausgegeben hat, wird mir immer noch schlecht“, lacht Gould, der gemeinsam mit Sänger Mike Patton die eigens für ,Sol Invictus‘ gegründete Firma Reclamation-Records leitet und somit mindestens vier Jobs auf einmal hat. Doch das scheint ihn, den rundlichen Genussmenschen, der Holzfällerhemd und Jeans trägt und einfach wahnsinnig nett ist, nicht weiter zu stören. Im Gegenteil: Er geht voll in der neuen Situation auf, braucht keine Nebenprojekte mehr und hat ein sehr gesundes Verhältnis zur eigenen Vergangenheit, über die er genauso offen spricht, wie über Gegenwart und Zukunft des ungewöhnlichen Quintetts. Und das meist mit einem lauten Lachen oder – wenn es sich um Jugendsünden handelt – einem ungläubigen Kopfschütteln.

Faith No More Bandfoto 1

Billy, worin unterscheiden sich die alten von den neuen Faith No More?   

Faith No More: Der größte Unterschied ist wohl, dass wir nichts mehr machen, womit die Band nicht 100prozentig einverstanden ist. Wenn also nur einer von uns sich nicht wohl bei etwas fühlt, lassen wir die Finger davon. Was früher anders war. Da galt der Leitsatz: „Wenn 3/5 ja sagen, können sich die anderen beiden ins Knie ficken.“ (lacht) Was die einzige Möglichkeit einer schnellen Konfliktlösung war, denn wir sind vollkommen unterschiedliche Menschen. Und wir diskutieren über alles – immer und immer wieder, was keineswegs angenehm ist. Das tun wir bis heute, und dabei geht es manchmal ziemlich heftig zur Sache. Nur: Wenn nicht alle einverstanden mit etwas sind, lassen wir uns inzwischen auch nicht mehr darauf ein. Was einen gewaltigen Unterschied macht – eben weil sich keiner mehr ausgeschlossen fühlt.

Deshalb jetzt also auch das eigene Label, eigenes Management, eigenes Booking?

Faith No More: Ja, und es wäre einfach, daraus ein großes Statement zu machen. Nach dem Motto: „Wir erledigen alles alleine. Wir sind independent, keiner sagt uns mehr, was wir zu tun haben.“ Wir könnten uns so richtig darin suhlen und den Leuten vormachen, wie cool wir doch sind. Dabei ist es eher so: Durch das, was wir in der Vergangenheit erlebt haben, haben wir erkannt, dass es eben nicht immer funktioniert, Außenstehende in diese seltsame Band mit ihrer merkwürdigen Musik einzubringen. Würde wir es zum Beispiel Fremden überlassen, uns zu promoten und zu verkaufen, würden sie das garantiert nicht so machen, wie wir es gerne hätten. Was mehr als einmal passiert ist.

Da gab es zum Beispiel diese Situation Anfang der 90er als James Hetfield von Metallica plötzlich unser T-Shirt getragen hat. Ich meine, wir sind mit Metallica getourt, aber es hat sich niemand für unsere Musik interessiert. Mehr noch: Ihre Fans haben uns regelrecht gehasst. Insofern haben wir vielleicht ein T-Shirt verkauft – in einem Stadion voller Menschen. Aber dadurch, dass er unser Shirt trug, hat er uns Leute zugespielt, die sich unsere Songs ansonsten niemals freiwillig angehört hätten. Was eine unglaubliche Sache war. Nur: Was macht man dann?

Unsere damalige Plattenfirma meinte: „OK, dann verkaufen wir Faith No More eben als Metal- Band.“ Womit wir nicht besonders glücklich waren, weil wir in einer Schublade landeten, in die wir nicht wirklich hineingehörten. Klar, hat es die Verkäufe angekurbelt, aber es hat uns als Band nicht wirklich geholfen. Mehr noch: Es hat uns einige Mühe gekostet, um da wieder rauszukommen. Das ist uns mit merkwürdigen Sachen wie ,Easy‘ gelungen, die uns etwas Luft zum Atmen gegeben haben. So etwas möchten wir in Zukunft gerne vermeiden indem wir die alleinige Kontrolle über alles haben.

Faith No More in the studio

Dann lass mich dich in die Vergangenheit entführen…

Faith No More: Oh ja, bitte!

Euer erster Sänger war eine sie – nämlich Courtney Love. Wie gut oder schlecht war sie?

Faith No More: Das war zu einer Zeit, als diese Band wirklich niemanden interessierte. Wenn wir irgendwo live gespielt haben, hat uns keiner zugehört. Die Leute standen alle an der Bar und haben getrunken. Was Courtney, die sehr vereinnahmend war, nicht einfach so hingenommen hat. Sie hat wirklich einen Weg gefunden, um die Aufmerksamkeit der Leute auf sich zu lenken. Da konnte man sich ihr nicht entziehen. Sie war unerbittlich und hat zwischen den Stücken den allergrößten Mist erzählt – was wir für fantastisch hielten. Denn egal, ob man sie geliebt oder gehasst hat, es hat dafür gesorgt, dass die Leute eine Beziehung zu ihr aufbauten. Wobei ich allerdings keine Ahnung habe, was sie musikalisch von uns gehalten hat. Ich glaube nicht, dass wir da irgendeine Form von Connection hatten. Sie hat uns wirklich als einen Haufen Machos verstanden, zumindest hat sie das später so formuliert. Nur: Letztlich hat es nicht funktioniert. So gar nicht.

Gibt es Aufnahmen aus der Zeit?

Faith No More: Da sind schon ein paar Sachen, die im Internet kursieren. Wie ein früher Fernsehauftritt, den ich mir allerdings nie anschauen werde.

Warum?

Faith No More: Weil er mir peinlich ist. Ich meine, ich war 18 Jahre alt, konnte nicht wirklich Bass spielen und hatte keine Ahnung, wie man Songs schreibt. Es ist echt schlimm, sich so etwas anzusehen ….

Für welches sonderbare Verhalten wurde Chuck Mosley, euer nächster Frontmann, gefeuert?

Faith No More: Er ist während eines Konzerts eingeschlafen. Und das war nicht irgendeins, sondern die Party zur Vorstellung unseres zweiten Albums ,Introduce Yourself‘. Was dafür sorgte, dass die lokale Presse zwei Jahre lang nichts mehr von uns wissen wollte. Die waren nämlich alle dort und fanden uns schrecklich. Was nicht zuletzt an Chuck lag, der ganz andere Vorstellungen von dieser Band hatte als wir. Und das Schlimmste war halt, dass er sehr unbeständig war. Seine guten Tage waren gut. Aber die schlechten Tage waren richtig übel.

Euer kommerzieller Durchbruch basierte darauf, dass MTV das Video zu ,Epic‘ auf Dauerrotation setzte. Was war das für ein Gefühl?

Faith No More: In einem Wort: surreal! Als das Video erschien, war das Album bereits anderthalb Jahre auf dem Markt – ohne nennenswerten Erfolg. Dabei waren wir zwischenzeitlich zweimal mit Metallica auf Tour. Aber es tat sich nichts. Also meinte das Label: „Macht noch ein Video, egal für welchen Song. Wir bezahlen dafür, aber das war es dann – mehr passiert zu dem Album nicht.“ Wir entschieden uns für ,Epic‘ – einfach weil wir den Song mochten. Und dann setzte MTV es auf Rotation, woraufhin alles ganz schnell ging.

Womit ihr zur Speerspitze der sogenannten Crossover-Bewegung geworden seid – neben den Red Hot Chili Peppers, 24/7 Spyz und Living Colour. In Amerika firmierte das Ganze aber unter einem etwas anderen Titel, oder?

Faith No More: Funk-Metal! Hahaha!!! Ein abscheulicher Begriff, der keinerlei Sinn machte, sondern nur eine weitere Schublade für etwas öffnete, für das es bislang noch keine gab. Da fand ich „Crossover“ schon etwas glücklicher und angemessener.

War Gitarrist Jim Martin euer Mittelsmann zur Metal-Welt?

Faith No More: Mit Sicherheit. Es lässt sich nicht verneinen, dass Jim aus dieser Welt kam, und dass ihn das ausgezeichnet hat. Aber das gilt ja auch für Mike, unseren Drummer, der ebenfalls darin aktiv war. Jim und er haben mal zusammen mit Cliff Burton in einer Band gespielt – also in der Zeit vor Metallica. Weshalb beide in dieser Szene verwurzelt sind. Und mit seinen langen Haaren, dem Bart und der Lederjacke hat sich Jim auch nie wirklich davon gelöst. Was mit Sicherheit einer der Gründe war, warum er sich so gut mit diesen Bands verstanden hat.

Ist es wahr, dass ihr ihn gefragt habt, ob er bei der Reunion mitmachen möchte?

Faith No More: Das haben wir, also ganz am Anfang – noch vor den ersten Proben. Wir wollten einfach sehen, wie er darüber denkt und was überhaupt möglich wäre. Und es fühlte sich eben nicht richtig an – um es vorsichtig zu formulieren. Denn seine Reaktion war: „Schickt mir die Verträge per Fax.“ Worauf wir nur mit dem Kopf schüttelten. Nach dem Motto: „Scheiß drauf, das muss nicht sein.“ Denn darauf hatten wir keine Lust – und es gab auch keine Verträge. Wir waren gute Freunde, die sich nach Jahren wieder zusammengefunden haben – zunächst einmal als Menschen und erst dann als Band. Aber das, was da von Jim ausging, war eine ganz andere Energie. Und sie war nicht vorwärts gerichtet, sondern ihm ging es um einen Vertragsabschluss im Hinblick auf unsere Vergangenheit – die wir längst hinter uns gelassen haben. Von daher war es eine ziemlich leichte Entscheidung, darauf zu verzichten. Und ich wünschte, wir hätten ihn erst gar nicht kontaktiert.

Wie konnte euer größter Hit ausgerechnet eine Cover-Version von ,Easy‘ werden?

Faith No More: Wir hatten nicht einmal vor, es überhaupt mit auf die Platte zu nehmen. Es war ein reines Fun-Ding. Oder besser: Es war eine Art Mittelfinger, und zwar an das Publikum von Ozzy Osbourne. Wir waren mit ihm auf Tour und die Leute brüllten nur „War Piiiiiiiiiiiiiigs“, was uns total auf die Nerven ging. Also dachten wir uns: „OK, spielen wir ein Cover, aber ein anderes.“ Und dann haben wir ,Easy‘ von The Commodores gebracht und gesehen, wie entsetzt die Leute waren. Sie konnten nicht begreifen, warum wir das tun – während wir einfach unseren Spaß hatten. Wir fanden das toll. Es hat uns ein bisschen Freiheit gegeben und dafür gesorgt, aus dieser  Metal-Schublade auszubrechen, in der man uns zwischenzeitlich abgelegt hatte. Später erfuhren wir, dass ,Easy‘ auf der europäischen Version von ,Angel Dust‘ enthalten war. Womit wir kein Problem hatten. Dann wurde es eine Single und der Song, für den wir wahrscheinlich am Bekanntesten sind. Ist das nicht irre?

Faith No More desert

Gab es eine Reaktion von den Commodores?

Faith No More: Lionel Richie hat bei einer deutschen TV-Show gesagt, ihm würde unsere Version gefallen. Was mich sehr überrascht hat – im positiven Sinne. Wahrscheinlich war er einfach froh über die Tantiemen.

Apropos irre: Was hat euch 1995 veranlasst, einen Song namens ,Das Schützenfest‘ zu schreiben – und das auch noch auf Deutsch?

Faith No More: Ich weiß nicht mehr, warum wir das getan haben. Jedenfalls war es eine ziemlich verrückte Idee.

Wart ihr je bei so einer Festivität?

Faith No More: Niemals. Aber wir haben ein paar gute Freunde in Deutschland, die immer mit uns abhängen, wenn wir dort sind. Wir trinken Bier, hören Musik und reden. Irgendwann ging es darum, ob wir nicht Lust hätten, mal eine Art bayerischen Folksong aufzunehmen. Was wir für eine großartige Idee hielten. Und Wolfgang, ein guter Freund, hat den Text dazu geschrieben – in Deutsch und einfach aus dem Stehgreif. Wir hatten keine Ahnung, was sie bedeuteten, aber als er sie uns erklärt hatte, mussten wir laut lachen und haben uns sofort daran gemacht. Wahrscheinlich hätten wir diese Nummer nie veröffentlicht, wenn die deutsche Plattenfirma nicht eine B-Seite für eine Single gebraucht hätte. Da wir nichts anderes hatten, entschieden wir uns, ihnen diesen dämlichen Song zu geben. Und das war’s. Lustigerweise ist er tatsächlich auf ein paar Schlager-Compilations und auf einer Greatest-Hits-CD erschienen. Ich weiß noch, wie ich mit Mike in einem Plattenladen war und wir dachten: „Wir haben es geschafft – weil wir auf einer CD mit diesen ganzen traditionellen Sängern waren.

Krist Novoselic behauptet, Faith No More hätten den Weg für Nirvana geebnet. Gleichzeitig habt ihr das aber auch für Bands wie Limp Bizkit getan…

Faith No More: (lacht) Im Grunde ist es wie bei den Straßen, die Stalin gebaut hat: Da war zwar viel Platz für große LKWs, aber darunter lagen viele Körper begraben.

Darf man fragen, wie du überhaupt zum Bass gekommen bist und wie alt du damals warst?

Faith No More: Zwölf oder 13. Ich war Teil einer Clique, die eigentlich nur auf dem Fahrrad durch die Gegend fuhr – aber unbedingt eine Band starten wollte. (lacht) Einer von den Jungs hat dann auch tatsächlich Schlagzeugunterricht genommen, was wir alle irre fanden. Dann hat ein anderer angefangen, Gitarrenstunden zu nehmen. Weshalb irgendwann nur noch die Position des Bassisten übrig war und ich sagte: „Die übernehme ich!“ Einfach weil ich gehofft hatte, dass man dieses Instrument sehr schnell und leicht erlernen könnte.

(lacht) Na ja, zumindest war ich schon mit 13 in einer Band. Und anderthalb Jahre später brach dann der Punk-Rock in Kalifornien aus und ich erkannte, dass viele dieser sogenannten Musiker gar nicht richtig spielen konnten – und dass scheinbar auch nicht nötig war. Weshalb ich zunächst auch nicht so viel geübt habe, wie ich das vielleicht hätte tun sollen. Aber für mich hat Bass spielen eher bedeutet, dass ich mit 14 oder 15 in einer Bar auftreten konnte, in der ich ansonsten erst mit 21 Zutritt gehabt hätte. Doch ich konnte da abhängen, Bier trinken und Spaß haben – es war toll. Die beste High School-Zeit, die man haben konnte.

Das heißt, du bist dem Sid Vicious-Ansatz von wegen viel Attitüde und wenig technischem Know-how gefolgt?

Faith No More: Das könnte man so sagen. Als ich jung war, hatte ich keine Ahnung, was ich da mache. Das hat sich erst später geändert. Wobei meine Idole aber nie aus dem Punk kamen, sondern eher aus dem Progressive-Rock. Eben die Sachen, die die großen Brüder meiner Freunde hörten, wie King Crimson, Yes oder Genesis.

Faith No More studio

Was ist mit Rush?

Faith No More: Die habe ich nie gemocht. Wahrscheinlich, weil ich sie nie verstanden habe. Aber mittlerweile weiß ich sie sehr wohl zu schätzen – ganz im Gegensatz zu damals. Denn da habe ich sie als Teil der Generation meines Vaters gesehen. Und mein Dad stand auf Led Zeppelin und solche Sachen. Weshalb ich mir sagte: „Das ist was für alte Leute. Das kannst du auf keinen Fall genauso mögen.“ Von daher war Punk-Rock allein deshalb perfekt, weil es etwas war, mit dem mein Vater so gar nichts anfangen konnte. Sprich: Es war meine Sache. Und um das Zeug zu spielen, musste ich nicht mal besonders gut sein. Obwohl: Auch in diesem Bereich gab es natürlich richtig gute Bassisten. Wie Bruce Foxton von The Jam oder Peter Hook von Joy Division, der einen Wahnsinns-Sound hatte. Ich meine, wenn man sich anhört, was ich bei Faith No More spiele, dann kann man durchaus Einflüsse von Peter Hook erkennen, der mich sehr geprägt hat. Und ich mochte schon immer den Sound von Lemmy von  Motörhead, der einfach killer ist. Besser geht es gar nicht. Wobei Motörhead für mich immer eher Punk als Metal waren. Und dann waren da noch Magazine aus England, die einen Bassisten namens Barry Adamson hatten, der umwerfend war. Einfach, weil er Soul-Musik in den Post-Punk einfließen ließ, und das hatte bis dahin noch keiner gewagt. Also einfach nur toll. Genau wie Gang Of Four, A Certain Ratio und natürlich Killing Joke. Wenn es je eine Band gegeben hat, die das Etikett „Crossover“ verdient, dann sie. Denn sie haben die hässlichste und dunkelste Musik mit den coolsten, funkigsten, Soulmäßigsten Grooves versehen. Für mich waren das die Led Zeppelin meiner Generation.

Mit Geordie Walker, dem Jimmy Page des Post-Punk?

Faith No More: Ja, Geordie ist einer der besten Gitarristen der Welt – und leider völlig unterbewertet. Was allein daran liegt, dass er in seiner eigenen Liga spielt. Er ist mein absoluter Lieblingsgitarrist.

Wie würdest du dein eigenes Spiel beschreiben? Und wie kommt es, dass du permanent zwischen Finger-Picking und Plektrum wechselst?

Faith No More: Ich würde sagen, dass ich eine Brücke zwischen klassischem Soul und Post-Punk schlage. Was sehr ungewöhnlich klingen mag, aber das ist halt die Musik, mit der ich aufgewachsen bin, und die sehr Rhythmusbetont ist – also der Bass ist da ein zentrales, wichtiges Instrument. Und was die Art des Anschlags betrifft, so ist das für mich einfach so, als ob ich mit unterschiedlichen Gewürzen koche. Wobei man manchmal Salz, manchmal Pfeffer benutzt – aber ohne eins von beidem geht es halt nicht. (lacht) Und ich habe zuerst gelernt, mit meinen Fingern zu spielen. Weshalb ich das auch immer wieder aufgreife – eben, wenn es besser klingt oder sich besser anfühlt als mit dem Plektrum. Für unterschiedliche Songs braucht man einfach unterschiedliche Werkzeuge.

Du hast lange Zeit Aria- und Gibson- Bässe eingesetzt, jetzt hast du deinen eigenen BG4, ein Signature-Modell von Zon

Faith No More:  … Stimmt. Und momentan arbeiten sie an einem BG5 – mit fünf Saiten. Aber mein Bass, den ich immer benutze, ist der BG4. Ich habe Joe Zon 1991 getroffen. Er lebt in San Francisco und wir saßen nebeneinander im Flugzeug. Irgendwann kamen wir ins Gespräch und er meinte: „Ich würde dir gerne einen Bass bauen.“ Worauf ich dankend ablehnte: „Sorry, aber ich bin wirklich glücklich mit meinem Aria und habe nicht vor, zu wechseln. Also danke für das Angebot, aber besser nicht.“

Darauf er: „Ich kann ihn genau so anfertigen, wie du ihn willst – und wie er dir gefällt. Gib mir zumindest eine Chance.“ Wogegen ich nichts sagen konnte. Eben: Soll er es doch probieren, wenn es ihn glücklich macht. Also: „Wenn du unbedingt willst, dann bitte. Aber sei nicht enttäuscht, wenn ich ihn in die Ecke stelle.“ Und genau da ist er erst einmal gelandet. Einfach, weil er sich beim Spielen etwas merkwürdig anfühlte, im Sinne von nicht richtig. Aber dann ist meinem Aria-Bass bei einer Show eine Saite gerissen und ich musste notgedrungen auf den Zon zurückgreifen – nur, um ihn im Grunde nie wieder aus der Hand zu legen. Der Aria war für mich von einer Minute auf die andere gestorben, es gab nur noch diesen Bass. Und den benutze ich bis heute. Also genau den, den Joe mir damals gebaut hat. Kurz darauf habe ich ihn gebeten, mir noch einen zweiten anzufertigen, einfach weil man auf Tour immer ein Ersatz-Modell haben muss.

Faith No More bass

Was macht diesen Zon Sonus BG4 Bass so toll?

Faith No More: Der Ton. Wobei ich nur einen Lautstärke- Regler habe und sonst nichts. Also keine Ton-Kontrolle, kein gar nichts. Der Ton ist einfach da, so wie ich ihn mag – und er kommt von diesem Bass. Ich musste über die Jahre immer ziemlich für den Ton kämpfen, der mir vorschwebte – und das gelang im Grunde nur mit bestimmten Verstärkern. Wenn du tourst, kann es allerdings passieren, dass du in einigen Situationen die Amps verwenden musst, die man für dich bereitstellt. Von daher war ich oft frustriert wegen meinems Live-Sounds, weil er mir kein gutes Gefühl gegeben hat. Jetzt habe ich den Zon mit eingebautem Preamp, der auch noch einen parallel geschalteten Overdrive-Effekt integriert hat, den ich zu circa zwei Prozent beimische – und das ist mein Sound!

Sprich: Man kann dir die übelsten Verstärker der Welt vorsetzen und es klingt trotzdem gut?

Faith No More: Das hoffe ich. Oder: Das ist zumindest die Idee. Und man braucht keine Pedale mehr – es spielt sich alles in dem Bass ab. Eine sehr gute Arbeitsgrundlage.

Allerdings auch keine ganz günstige.

Faith No More: Ja, es ist ein teurer Bass. Er liegt bei etwa 3500 Dollar. Aber dafür ist er auch handgemacht und der Hals ist aus Grafit. Was meinen Bedürfnissen als tourender Musiker entspricht: Wenn du einen Grafithals hast, der einmal richtig eingestellt ist, verändert sich da gar nichts mehr. Was bedeutet: Egal, ob ich in einem heißen, verschwitzten Raum oder an einem richtig kalten Ort bin – der Bass fühlt sich immer gleich an, weil sich der Hals nicht bewegt. Was sich leider nur auf diese nicht ganz billige Weise erreichen lässt.

Um zum Ende zu kommen: Was erwartet uns bei eurer kommenden Deutschland- Tour? Wie viele von den neuen Stücken plant ihr da ein?

Faith No More: Ich würde sagen, am Anfang der Tour werden es etwa drei oder vier sein. Und dann hoffentlich nach und nach mehr. Schließlich sehen wir das alle als ein neues Kapitel für die Band an – und sind allein deshalb extrem aufgeregt. Ganz absehen davon, mögen wir die neue Musik. Und deswegen wird es bestimmt ein großer Spaß, sie zu live spielen.

Was hat es mit den Priester-Outfits auf sich, die ihr neuerdings auf der Bühne tragt?

Faith No More: Wir hatten lange Zeit farbige Anzüge – und dann für eine ganze Weile einfach nur weiße. Bis zu dieser Show im Londoner Hyde Park – als Support von Black Sabbath. Was bei uns den Wunsch auslöste: „Lasst uns nicht dasselbe machen wie immer, sondern es ein bisschen auf die Spitze treiben.“ Etwa mit diesen Priester-Roben, die wir in einem Katalog gefunden hatten. Und das hat funktioniert. Zumal wir dann auch keine Bühnen-Show mit explodierenden Drachen und solchen Sachen brauchten. Die Priesterroben sind mindestens genauso effektiv. Sie kurbeln die Fantasie der Leute vielleicht sogar noch ein bisschen mehr an.

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