„Ich höre kaum noch dieses Motown-Feeling in der Rockmusik …“

Die mentale Garage: Greta-Van-Fleet-Bassist Sam Kiszka im Interview

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(Bild: Neil Krug)

Inwiefern hat sich dein Gear seit ‚The Battle At Garden’s Gate‘ verändert – oder ist es immer noch dasselbe Setup, was Bass, Amps und Effekte betrifft?

Auf diesem Album habe ich einen alten Hiwatt-Amp verwendet. Aus dem einfachen Grund, weil wir für die Aufnahmen nicht unser eigenes Equipment benutzen wollten. Wir fanden es spannender zu sehen, was Dave bzw. das Studio zu bieten haben und uns dort zu bedienen. Das Meiste, was man auf dem Album hört, ist wirklich mit uns Vieren in ein- und demselben Raum entstanden. Was heutzutage alles andere als üblich ist. Denn wenn du ins Studio gehst, spielt sich normalerweise alles in schalldichten Kammern, sogenannten Iso-Booths, ab. Da steht dann auch dein Verstärker und nichts davon dringt nach außen. Wenn du aber das Schlagzeug isolierst, ist das anders – man hört es immer noch ein wenig unter dem Gesang und den anderen Instrumenten. Was wiederum dafür sorgt, den Klang zu homogenisieren. Im Sinne von: Es macht ihn authentischer. Und das ist die Art, wie wir am liebsten aufnehmen. Machst du Fehler, gibt es kein Back-up, auf das du zurückgreifen könntest, sondern du musst versuchen, sie so gut wie möglich zu verschleiern.

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Und auf welchen Bass hast du zurückgegriffen?

Auf den Fender Mustang von Dave. Ein knallrotes Teil – mit einem etwas kürzeren Hals als normalerweise üblich. Das hat mir mehr Mobilität gegeben – einfach, um auch mal wild herumzuhüpfen und auf dem Griffbrett herumzuspielen, was ich sehr gerne tue. Insofern macht so ein kurzer Hals durchaus Spaß. Er gibt dem Instrument mehr von einem Gitarren-Gefühl, und macht es zu einem Lead-Instrument. Zudem ist es für gewöhnlich so, dass ich die einzelnen Parts eines Songs dahingehend analysiere, was Jake so auf der Gitarre anstellt – und dann etwas einflechte oder es verdopple. Ich versuche, die effektivste und melodischste Art des Schreibens für meinen Bass-Part zu verwenden. Und ich sitze gerne alleine vor der Tafel, auf der wir alle Songs aufgliedern, spiele herum und schreibe meine Parts.

Doch diesmal war es anders: Es hatte wirklich etwas davon, neben einem Zug herzulaufen und zu versuchen, da noch irgendwie aufzuspringen. Eben, weil die neuen Stücke nicht in Stein gemeißelt waren, sondern sich nach den Demos noch ein bisschen weiterentwickelt haben. Und wohin ich diesmal tendiert habe – das kann man besonders gut in ‚The Indigo Strak‘ hören –, war dieser alte Motown-Sound mit dieser markanten Rhythmus-Sektion der damaligen Zeit. Da ich meine Parts oft im Studio, also beim Aufnehmen, geschrieben habe, bin ich immer mehr in Richtung Motown gegangen. Also der Sound, mit dem ich aufgewachsen bin und zu dem ich Bass spielen gelernt habe.

Du hast also deinen inneren James Jamerson ausgelebt?

Das habe ich wirklich. Und John Paul Jones war ja auch stark von James Jamerson beeinflusst – genau wie Paul McCartney. Einfach, weil James einer der ersten war, die etwas so Melodisches erschaffen haben. Wobei es nicht einmal das Melodische ist, das mich am meisten beeindruckt, sondern vielmehr das Gefühl, das er transportiert. Einfach, weil er da so viel reinlegt: Es ist lebhaft und elastisch – und es hat den Vibe von Motown, den ich immer geliebt habe. Wie ich auf ihn gekommen bin? Ganz am Anfang der Band, als ich noch nicht lange gespielt hatte, erlebte ich eine Phase, in der mich das Instrument tatsächlich ein bisschen gelangweilt hat. In der ich nicht richtig weiterkam und ein wenig die Lust verloren habe.

Aber dann habe ich zufällig diese alten Stücke mit James gehört, und war geplättet. Nach dem Motto: „Wow, so etwas kann man mit seinem Bass anstellen? Ist das überhaupt erlaubt?“ (lacht) Das war eine riesige Inspiration für mich – und daran habe ich mich bei ‚Starcatcher‘ erinnert. Eben an etwas, das tief in mir verwurzelt ist und auch zum Thema des Albums passt, nämlich sich gleichzeitig nach vorne wie nach hinten zu bewegen.

Demnach versuchst du als Musiker, dich weiterzuentwickeln und deinen Sound zu verändern, statt dich einfach an dem festzuklammern, was du in den letzten Jahren erreicht hast?

Auf jeden Fall! Deshalb finden sich auf dem Album nicht nur Rock-Songs, sondern auch Stücke mit wirklich einzigartigen Elementen. Aus dem einfachen Grund, weil ich kaum noch Bassisten höre, die so spielen. Ich höre kaum noch dieses Motown-Feeling in der Rockmusik. Dabei macht diese Art von Dynamik die Musik gleich origineller und eigenständiger – zusätzlich zu der Tatsache, dass Jake ein paar unglaublich tolle Gitarrenparts geschrieben hat.

Du selbst spielst Bass, Klavier und Orgel. Wann greifst du zu was – und wie handhabst du das auf der kommenden Tournee?

Im Grunde richtet es sich danach, was der Song verlangt. Manchmal ist es absolut unnötig, da wer-weiß-wie-viele Keyboard-Texturen hinzuzufügen. Und manchmal will ich einfach dem Bass das Reden überlassen – also was die instrumentale Seite betrifft. Aber einige Stücke wie ‚Farewell For Now‘ oder ‚Fate Of The Faithful‘ sind halt Keyboard-lastiger, weil das da sehr gut passt. Und auf der Hälfte der Album-Tracks spiele ich Bass, weil ich Jake alles andere machen lasse, und da insofern mehr Overdubs und Gitarrenschwerpunkte von ihm kommen. Das ist ein wichtiger Teil unseres Sounds und ein wichtiger Teil der Band. Aber wenn Jake zur Akustischen greift, tendiere ich zu den Tasten – weil das mehr old school ist, so vorzugehen und auf die Weise mehr klanglichen Raum zum Ausfüllen zu haben.

Wobei ich aber sehr darauf bedacht bin, da nicht zu viel hinzuzufügen. Es geht eher darum, den Song zu fragen, was er möchte und dann entsprechend zu reagieren. Für so etwas wie ‚Fate Of The Faithful‘ ist der Keyboard-Part allerdings essentiell – da wäre überhaupt nichts anderes möglich. Einfach, weil es am Keyboard entstanden ist. Und live wird es so sein, dass ich bei einigen Stücken am Bass anfange, dann zu meinem Techniker renne und ihm das Teil übergebe.

Während Jake und Danny einen kleinen Pre-Chorus anstimmen, setze ich mich an die Keyboards − bis zu einem weiteren, kleinen Jake/Danny-Moment, in dem ich mir den Bass zurückhole und den Song auch so beende. Von daher: Es geht immer darum, wonach der Song verlangt, und natürlich um Dynamik.

Also verwandelst du dich langsam in den John Paul Jones von Greta Van Fleet?

Ganz ehrlich: Das ist der Grund, warum ich mehr Keyboards spielen wollte – denn das haben alle meine Lieblingsbassisten getan: John Paul Jones, Geddy Lee, sogar Jack Bruce. Wenige Leute wissen das, aber er war auch ein bemerkenswerter Keyboarder.

Vielen Dank für das Gespräch.


(erschienen in Gitarre & Bass 09/2023)

Produkt: Gitarre & Bass 9/2023
Gitarre & Bass 9/2023
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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Der Song „The Falling Sky“ ist eigentlich recht rockig,er groovt und klingt sogar echt flott und kurzweilig,nur leider bleibt die schrille Stimme des Vocalisten wirklich Geschmackssache,sie erinnert sehr sehr weit entfernt an Robert Plant (Ex-Led Zeppelin),kommt jedoch nicht wirklich an Robert‘s sehr außergewöhnlichen Gesang heran. Und somit reiht sich Greta Van Vleet in die lange Schlange der üblichen Bands ein,die faktisch nicht unbedingt zu meinen Favoriten zählt. Sorry,die Stimme ist doch sehr hochfrequent.
    Und sind E.-Pianos/Keyboards manchmal nicht doch richtig nervig? Zuviel des „Guten“ scheint auch hier übertrieben und absolut nervtötend.
    Zudem ist Keyboardlastigkeit aber auch rein subjektiv,wo es im Hintergrund paßt,ist es schon okay.Es geht diesbezüglich auch heftiger zur Sache: Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur mal an ein sehr aussagekräftiges Music-Video,in dem der Ausnahmegitarrist Ted Nugent mit seinem wuchtigen Schnellfeuergewehr auf ein Keyboard zielt und es schlußendlich durch den intensiven Beschuß in seine Einzelteile zerlegt. Damit ist eigentlich bereits alles gesagt. Ich finde jedoch,daß Keyboards zu manchen Songs durchaus sehr gut passen,solange sie nicht über einen längeren,sehr ausgedehnten Zeitraum fast endlos wabern sind sie als Intro/Outro durchaus zweckmäßig und hörbar. Der sehr harmonische Songtitel „The Sun goes down“ von Thin Lizzy wäre z.B. gänzlich ohne Keyboard garantiert klanglich nicht so hervorragend geworden. Manchmal ist eben etwas weniger doch mehr.

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