Death-Metal-Meisterklasse

Cannibal-Corpse-Bassist Alex Webster im Interview

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(Bild: Aguilar)

Neben Schlagzeuger Paul Mazurkiewicz ist Alex Webster das einzige verbliebene Gründungsmitglied, einer der Hauptsongwriter und das Sprachrohr von Cannibal Corpse. Der eloquente 53-Jährige hat als Bassist mit seinem virtuosen Fingerstyle Maßstäbe im extremen Metal-Bereich gesetzt und fungiert sozusagen als nachdenkliches Hirn der Band.

INTERVIEW

Alex, eure Alben unterscheiden sich in der Regel nicht großartig voneinander, aber hattet ihr während der Arbeit am neuen trotzdem konkrete Ziele?

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Cannibal Corpse stehen für einen etablierten Sound, an dem wir festhalten wollen, doch für dieses Album haben wir zum ersten Mal nicht im Anschluss an eine lange Tournee Songs geschrieben, weil wir wegen der Pandemie keine Konzerte für unsere Platte ‚Violence Unimagined‘ geben konnten. ‚Chaos Horrific‘ entstand also unmittelbar danach unter dem Eindruck seines Vorgängers zu einer Zeit, in der wir kaum etwas anderes tun konnten, als Musik zu machen. Dabei wollten wir uns nicht wiederholen, weshalb wir bestimmte Grooves und Songstrukturen bewusst gemieden haben.

Bestand deswegen nicht die Gefahr, das Songwriting zu verkopft anzugehen, was dem Ergebnis die Spontaneität und Energie geraubt hätte?

Nein, strenggenommen war diese Gefahr bei ‚Violence Unimagined‘ sogar größer, denn ich wohne schon seit einiger Zeit in Oregon, während der Rest der Band 3.000 Meilen weit weg in Florida geblieben ist, also konnten wir während Corona nicht gemeinsam ins Studio gehen. Ich arbeitete meine Parts zuhause aus und nahm sie auch dort auf, da hätte ich wirklich ewig an manchen Sachen feilen können. Diesmal spielten wir wieder alles in Florida ein, wobei unser Gitarrist Erik Rutan (Interview in Gitarre & Bass 10/2023) erneut als Produzent fungierte. Er arbeitete eng mit mir zusammen und wusste genau, wann ein Take von mir gut war beziehungsweise wiederholt werden musste. Er hat ein überragendes Ohr, ist aber nicht überkritisch wie ich, wenn ich in meinem Heimstudio sitze.

Vintage Ampeg „Blue Line“ SVT von 1970 und Aguilar DB 751 (Bild: Alex Webster)

Wie sah dein Setup aus?

Erik hat einen klassischen Ampeg-SVTVollröhrenverstärker von 1970 im Studio, aber an sich spiele ich Aguilar, auf deren Geräte ich gerade live nicht verzichten will. Darüber hinaus habe ich einen Boss-ODB-3-Verzerrer und meine beiden Signature-Fünfsaiter von Spector benutzt. Beim Abmischen arbeiteten wir schließlich mit dem trockenen DI-Signal und einer per Mikrofon aufgenommenen Spur. Die DI-Box kommt generell für den Fall zum Einsatz, dass etwas schiefgeht, denn dann kann man dieses Signal reampen oder mit Plug-ins aufpeppen. Letzten Endes hört man auf dem Album vor allem die Mikrofonspur.

Auf dem neuen Album kam der Boss-ODB-3-Verzerrer zum Einsatz. (Bild: Alex Webster)

Ihr verwendet außerdem unterschiedliche Stimmungen.

Ja, das ist bei uns ein bisschen komplizierter. In unserer Frühphase hatten die Gitarristen sechssaitige Instrumente, und ich spielte einen Viersaiter, wobei alle Saiten einen Halbton tiefer gestimmt waren; das taten damals im Grunde alle härteren Metal-Bands, etwa auch Morbid Angel oder Slayer. Später verlagerten wir uns auf sieben und fünf Saiten, blieben aber bei dem Halbton, bis wir auf die Idee kamen, eine kleine Terz runterzugehen, also auf Gis. Dieses Tuning kommt allerdings nur bei langsameren Songs zum Tragen, und man braucht sehr dicke Saiten, damit es gut klingt und vor allem sauber gespielt werden kann. Um welches Tuning es sich bei meinen Bässen handelt, erkennt man an der Farbe. Den roten Spector nehme ich für die höheren Sachen, den schwarzen für die tieferen.

Wie bist du Musikfan und schließlich selbst Musiker geworden?

In meinem Elternhaus war Musik allgegenwärtig, es gab also kein bestimmtes Ereignis, das mich auf diese Bahn gebracht hat, sondern ergab sich eher natürlich, weil Musik einfach dazugehörte. Meine Mutter hatte sich das Klavierspielen selbst beigebracht, und mein Vater gehörte einer Dudelsack-Kapelle an, meine Familie hat schottische Wurzeln. Zudem besaß er noch alte Rock’n’Roll-Singles aus seiner Jugend in den 1950ern, die mich wahrscheinlich auf die Rockschiene brachten. Ich bekam mit sechs Jahren Gitarrenunterricht, den ich aber schnell wieder bleibenließ, weil mir der Lehrer Folksongs aufzwang und ich als kleiner Junge nicht sonderlich diszipliniert war. Erst mit 14 fand ich zur Musik zurück und meinte, Bass spielen zu müssen, wozu ich Sachen mit gut hörbaren Basslinien lernte.

Mein Freund Mike Hudson, der ein paar Jahre älter und wie ich Mitglied einer Pfadfindergruppe war, spielte schon gut Bass und wurde mein Lehrer. Er hat mir den Einstieg in die Welt dieses Instruments erleichtert, weshalb ich ihm gar nicht genug danken kann, obwohl wir uns längst aus den Augen verloren haben. Der Bass kam mir insofern entgegen, als ich mir bescheidene Ziele setzte. Ich mochte AC/DC und Van Halen, doch Angus Young oder Eddie Van Halen nachzueifern war undenkbar. Den Part von Cliff Williams und Michael Anthony zu übernehmen traute ich mir hingegen zu. Es fühlte sich von Anfang an gut an, und ich glaube, mich auf den Bass festzulegen war die beste Entscheidung meines Lebens, denn ich wäre nie ein guter Gitarrist geworden. Darüber hinaus liebe ich das Schlichte, auch wenn man das wegen der Musik von Cannibal Corpse nicht glauben mag. Der ursprüngliche Accept-Bassist Peter Baltes gehört auch zu meinen Favoriten, vor allem seine ganz simpel pulsierenden Linien in ‚Up To The Limit‘ oder ‚Turn Me On‘.

Über Spieltechniken und Fokale Dystonie auf Seite 2

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Hi,

    ich interessiere mich nicht nur für Death Metal, sondern spiele selber zumeist ziemlich schnelle Riffs und Sweeping-Licks. Alex seine Beschreibung mit dem kritischen Blick aufs eigene Spiel kann ich ebenfalls bestätigen. Die psychologische Seite und der eigene Anspruch und die daraus resultierende Übungsdichte scheint hier ein großer Teil des Problems zu sein. Leider bin ich ebenfalls im kleinen Finger von einer Dystonie betroffen, was mir lange Zeit das Leben sehr schwer gemacht hat. Der Trick mit dem Handschuh hat bei mir leider nicht geklappt. Ich würde mich freuen, wenn ihr euch weiter mit dem Thema auseinandersetzen und berichten würdet.

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