Im Interview

Andy Timmons: Immer in Bewegung bleiben!

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Andy Timmons(Bild: Ibanez)

Faulheit kann man Herrn Timmons mit Sicherheit nicht vorwerfen. Neben Clinic-Touren für Ibanez und Konzerten mit seiner Band findet der blonde Texaner immer Zeit für zahlreiche neue Projekte. Auf der Liste stehen Lehrvideos, ein eigener Gitarrenkanal, eine Surfplatte, Jazz-Gigs und ein neues Signature-Modell.

Es gibt also einiges zu besprechen vor der Clinic beim Frankfurter Musikladen Session Music. Zu stressen scheinen den schon seit den späten 80ern aktiven Gitarristen die zahlreichen Aktivitäten nicht. Mit fast ekstatischer Begeisterung spricht Andy beim Interview im Thai-Restaurant über seine Musik und Geschäftsaktivitäten und strahlt dabei eine gut gelaunte Grundhaltung aus, die einen fast das deutsche Novemberwetter vergessen lässt. Legen wir los …

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Es gibt ein neues Lehrvideo von dir. Wie kam das zustande?

Ich hatte schon ein paarmal Angebote, Lehrvideos zu machen, aber es hat sich nie richtig angefühlt – es ist ein seltsames Geschäft. Vor sechs Jahren hat mein Freund George Fuller ein Musikgeschäft eröffnet und gefragt, ob ich dem Sohn eines Freundes eine Stunde geben könne, so als Gefallen. Ich fand nie, dass ich ein guter Lehrer war, aber letztendlich wurde eine regelmäßige Beschäftigung daraus und mir fiel auf, dass ich ganz gut darin wurde und viel zu erklären hatte. Dann empfahl mir ein Freund True Fire, wo auch Larry Carlton und Robben Ford veröffentlichen und da dachte ich mir, das müsste in Ordnung sein, denn die kennen das Business schließlich in- und auswendig!

Du hast jetzt sogar eine eigene Unterrichtsseite.

Ja, eine Art Website-Abo namens guitarxperience.net. Jeden Monat erkläre ich einen neuen Song. Ich spiele ihn vor der Kamera, dazu gibt es Transkriptionen in Noten und Tabs. Ich erkläre jede Note, bespreche die Technik, das Equipment und das Songwriting. Unterrichten macht mir mittlerweile Spaß!

Du erklärst dort auch ein paar harmonische Konzepte wie Tension-Notes und Dreiklänge, die aus dem Jazz kommen, wendest sie aber in einem Rock-Kontext an. Ist das dein spielerisches Konzept?

Ich habe es nicht erfunden, aber es macht einen großen Teil von dem aus, was ich mache. Mit 16 habe ich zum ersten Mal Jazz-Standards gelernt, und wenn du als Jazz-Player besser wirst, wird es sehr wichtig, dass du die Stimmführung mit Akkordtönen beherrschst. Je besser ich darin wurde, desto mehr tauchte es in meinem Rock-Spiel auf.

Welche Jazz-Gitarristen magst du?

Joe Pass und Barney Kessel vor allem. Letzterer ist ein dreckigerer, bluesigerer Jazzer. Wes Montgomery und George Benson finde ich auch super. Pat Metheny begeistert mich immer noch, er ist einer meiner liebsten melodischen Gitarristen. Ich liebe auch Mike Stern, er war einer der ersten, die authentisch Jazz und Blues kombiniert haben. Er hatte Hendrix drauf, aber auch das hippe Vokabular, den modernen chromatischen Kram.

Viele Leute sind ja sehr strikt, was den Stil angeht, den sie spielen. Du scheinst das Gegenteil davon zu sein. Warst du immer schon so offen?

Ich liebe einfach die Gitarre, es ist egal ob es The Surfaris, The Beatles, Barney Kessel oder Kiss ist. Ich liebe das Instrument, egal welcher Stil, es berührt mich. Normalerweise wende ich den ganzen Kram in einem Rockkontext an. Jeder sammelt Sachen auf seine eigene Weise und am Schluss klingt es hoffentlich nach dir als Individuum. Ich komme einfach aus einer Menge verschiedener Ecken.

Andy Timmons
Andys ATZ und AT100 (Bild: Ibanez)

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Du spielst immer noch hauptsächlich Instrumentalmusik. Was fasziniert dich daran?

Die Suche nach einer tollen Melodie. Der Gitarrenkram ist cool, aber ich bin viel mehr an einem guten Song interessiert.

Viele moderne Musiker richten ihre Karriere eher nach Marketing-Strategien aus. Du hingegen scheinst immer deinem Gefühl zu folgen. Hat dich das schon mal in Schwierigkeiten gebracht?

(lacht) In meiner Zeit bei Danger Danger habe ich gelernt, dass das Musikgeschäft nichts damit zu tun hat, warum ich Musik mache. Ich dachte, es wäre der heilige Gral, eine Band mit Major-Label-Vertrag zu haben. Aber als ich hinter die Kulissen schauen konnte, war es einfach nur ein Geschäft. Es gab eine Menge Dinge, die mir sauer aufgestoßen sind. Danach habe ich beschlossen, nur noch die Musik zu machen, die aus meinem Herzen kommt und die Rechte daran zu behalten.

Ich habe immer noch eine Karriere, die sich weiterentwickelt, ohne dass ich mich Marketing-mäßig groß anstrenge, es passiert sehr organisch. Die Leute merken, wenn etwas echt ist und ab einem bestimmten Punkt hat das einen Wert für sie. Ich könnte viel mehr Geld verdienen, es gab Angebote diverser Bands, aber ich habe früh herausgefunden, dass es nichts wert ist, wenn du nicht glücklich bist und das tust, was dein Herz sagt.

Vor ein paar Jahren hast du das ganze Sgt.-Pepper-Album der Beatles nachgespielt. Wie kamst du darauf?

Ich hatte ein Arrangement von ,Strawberry Fields‘, das ich auf einer Tour in Italien mit meinem Trio gespielt habe. Mein Tour-Promoter sagte: „Wenn du das nächste Mal kommst, solltest du einen ganzen Abend mit Beatles-Songs machen.“ Ich sagte: „Auf keinen Fall“, aber er brachte mich zum Nachdenken. Also fing ich an zu experimentieren und dachte irgendwann: „Wie wäre es, wenn ich das ganze Sgt.- Pepper-Album spielen könnte, nur für mich?“ (lacht) Es war nicht als Recording-Projekt gedacht, aber nach den Aufnahmen zu ,Theme For A Perfect World‘ hatten wir noch Studiozeit übrig und haben die ganze Platte in zwei Tagen eingespielt. Ich habe nicht versucht, etwas Neues zu erfinden, ich habe nur versucht, die Songs mit meiner Gitarre zu singen.

Arbeitest du zur Zeit an neuen Platten?

Ja. Es wird eine weitere ATB-Platte geben und ein Surf-Album, das schon seit zehn Jahren herumliegt. Ein paar eigene Songs und ein paar Cover wie ,Slaughter On 10th Avenue‘. Dann arbeite ich noch an einer Platte mit Gesang und demnächst kommt ein Fusion-Album raus, das ich mit einer Band namens THC eingespielt habe.

Andy Timmons
Andy entspannt vor dem Workshop (Bild: Schmidt)

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Als wir uns vor zwölf Jahren das letzte Mal unterhalten haben, hast du Ibanez-Gitarren und Mesa-Boogie-Amps gespielt. Ist das immer noch so?

Ja. Der Lone Star ist immer noch mein Haupt-Amp, live und im Studio. Der Amp kommt mit 6L6-Röhren, ich bau den aber immer auf EL34 um. Die Ibanez ist immer noch der Prototyp von 1994, eine Vintageinspirierte Gitarre mit ein paar modernen Möglichkeiten. Ich liebe Vintage-Gitarren, aber ich glaube, ich könnte meine Musik nicht auf ihnen spielen. Wir arbeiten auch an einem neuen Signature-Modell der AZReihe, das etwas mehr Vintage ist und mir durch das SSS-Layout der Pickups zusätzliche Klangoptionen bietet.

Mittlerweile benutzt du aber nur noch den Clean-Kanal des Amps mit ein paar Pedalen, oder?

Ja. Das hat sich auf seltsame Weise ergeben. Was mich am Lone Star angezogen hat, war der Lead-Kanal, ein schöner fetter Sound, nicht zu gesättigt, mit dem Bass fast runtergedreht. Dann habe ich eine Clinic gegeben und der Effektweg war kaputt. Ich konnte meine Delays nicht wie gewohnt einsetzen, habe alles vor den Amp geschaltet und einen Verzerrer namens Angry Charlie benutzt.

Das klang super und Daniel Steinhardt von GigRig, der da war, sagte, mein Ton wäre unglaublich gewesen. Ich merkte, dass die Amp-Verzerrung manchmal der Artikulation der Pedale im Weg steht. Jetzt stelle ich meinen Ton basierend auf dem Clean-Kanal des Lone Stars und der Pedale davor ein.

Andy Timmons
Der Lone-Star-Amp (Bild: Schmidt)

Du hast sogar deine Signature-Version des Angry Charlie. Unterscheidet die sich stark vom regulären Modell?

Sie ist ziemlich ähnlich. Sie hat mehr Headroom und einen Booster. Wir haben außerdem am EQ gearbeitet und verschiedene Wattstufen hinzugefügt. Ich nutze immer die 100-Watt-Stellung. Seit einiger Zeit ist das mein Haupt-Lead-Ton!

Was ist noch auf deinem Board zu finden?

Ich benutze einen Xotic BB-Preamp. Das ist ein netter Boost für bluesige Hals-Pickup-Sounds, den ich in einen Compressor von Carl Martin schicke. Manchmal schalte ich auch zwei BB-Preamps zusammen, um einen etwas heißeren Lead-Ton zu bekommen. Ich habe auch einen modifizierten alten Boss Blues Driver, der wie ein netter, angezerrter JCM 800 klingt.

Andy Timmons
Andys Pedalboard (Bild: Schmidt)

Was verwendest du für deine Delay-Sounds?

Ich hatte zwei Deluxe Memory Man, die toll klangen, aber ständig kaputt gingen. Deswegen bin ich zum Strymon Timeline gewechselt und habe viel mit einem der Dual Echos experimentiert. Du kannst die Modulation der Wiederholungen einstellen, wie beim Memory Man. Ich versuche immer ein Band-Echo zu emulieren, bei dem die Wiederholungen leicht out-oftune sind. Das Strymon ist ein sehr komplexes Gerät, von dem ich nur zwei Sounds nutze: Ein Dual Delay mit einem Expression-Pedal, das die Verzögerungszeit kontrolliert und ein Slapback-Echo.

Danke für das interessante Gespräch!


Andys Neue: Ibanez ATZ

Andy Timmons

Andy’s neue Ibanez ATZ ist eine Melange aus AT100 und AZ-Serie, was man schon an der verschachtelten Typenbezeichnung erkennen kann. Besonders ist, dass es sich um die erste AZ mit SSS-Konfiguration handelt und hier die DiMarzio Cruisers in ihrer eigentlich zugedachten Positionierung verbaut wurden: ein Cruiser Neck an Hals- und Mittelposition und ein Cruiser Bridge an der Brücke.

Bei der AT100 ist es noch so, dass Andy an den beiden Singlecoil-Positionen (Mitte und Hals) einen Cruiser Bridge verwendet, weil er seinerzeit den etwas fetteren Ton sehr mochte. Nachdem er an seiner AT100 endlos modifiziert und stellenweise den Cruiser der Mittelposition gegen verschiedene Singlecoils getauscht hatte, ist er für die neue Signature-Gitarre zum zahmeren Cruiser Neck zurückgekehrt.

Zudem besitzt die Gitarre ein individualisiertes ATZ-Halsprofil, das wesentlich von der Form der anderen AZ-Modelle/AZ-Signatures abweicht: Es ist am Sattel 1,5 mm schmaler und 0,3 mm dicker und am letzten Bund 0,1 mm weiter sowie 0,5 mm dicker. Alle anderen AZ-Signatures (Miller, Quayle, Sfogli etc.) besitzen das Standardprofil der AZ-Serienmodelle.

(erschienen in Gitarre & Bass 02/2019)

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