Marcus’ Next Topmodel

Test: Sire Marcus Miller V10

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(Bild: Dieter Stork)

Dass die von Sire für Marcus Miller gebauten Bässe im Markt ordentlich eingeschlagen sind, dürfte fast eine Untertreibung sein. Im Bereich moderner, aktiver und dabei preisgünstiger J-Style-Bässe kann kaum ein Konkurrenzprodukt gegenhalten. Da liegt es nahe, das Angebot aufzubohren, mit P-Bässen, Shortscales, passiven Varianten – oder eben auch in höhere Preisgefilde vorzustoßen, wie mit unserem edel anmutenden Testgerät.

Der Sire V10 stellt aktuell die Spitze der Modellreihe dar, mit noch mehr ausgefuchsten Details und opulenten Hölzern.

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GERÖSTET UND GEFLAMMT

Das erste, was einem ins Auge springt, ist die sehr schön gemaserte bookmatched Decke aus geflammtem Ahorn. Das ist zwar nur ein Furnier, aber ein sehr schönes, das auch durch das exzellente Finish eine dreidimensionale Wirkung zeigt. Darunter ist eine weitere Schicht Ahorn, die sich deutlich vom Sumpfesche-Body abhebt und optisch wie ein natürliches Binding rüberkommt, was durch eine feine, dunkle Zwischenlage noch verstärkt wird.

Eine solche „Einfassung“ bedeutet, egal wie sie zustande kommt, eigentlich immer eine schärfere Kante zur Decke. So auch hier, umso lobenswerter, dass es dennoch eine Armauflage gibt, über die der Ahorn rundgezogen wird. Auch die Esche kann optisch mit ihrer Maserung punkten, obschon sie durch das einheitlich dunklere Rotbraun als Gegenstück zur Tobacco-Sunburst-Lackierung der Front unauffälliger wirkt.

Während der Korpus perfekt verarbeitet ist, kann man das vom vierfach über eine Halsplatte verschraubten Hals nicht behaupten. Es finden sich Bearbeitungsspuren im Holz, eine überlackierte kleine Delle im Griffbrett und allgemeine Unsauberkeiten im Lack, vor allem in Sattelnähe. Das sind alles optische Mängel, die zum Teil erst bei genauerer Betrachtung ins Auge fallen.

Ein neues Feature der zweiten Generation sind die verrundeten Kanten des Griffbretts. Hier stellt sich das Spielgefühl eines über Jahrzehnte rundgespielten Halses ein. Das ist gut gelungen, an vielen Stellen wirkt der Übergang zur lackierten Oberseite dadurch allerdings wie eine Folge von Abnutzung. Schwerer wiegt, dass ab dem sechsten Bund auf der Treble-Seite spürbare kleine Knubbel hervorstehen. Das hätte in der Qualitätskontrolle auffallen müssen. Gleiches gilt für den Spalt zwischen Halsfuß und Halstasche. Nicht seitlich, wie sonst oft, da ist das Spaltmaß in Ordnung, sondern unten.

Einmal abschrauben und wieder anschrauben bringt Linderung, trotzdem passt an einigen Stellen noch ein Blatt Papier dazwischen. Ursache ist die nicht vollständige Entlackung der Halstasche, die für Unebenheiten und leichte Abstände sorgt.

So, nun zu den schönen Dingen: Der Knochensattel ist gut gekerbt, die echten Abalone-Block-Inlays sauber eingesetzt und eine wahre Augenweide! Das Griffbrett soll geröstetes und geflammtes Ahorn sein, wofür man sehr genau hinsehen und zusätzlich seine Fantasie bemühen muss. Eine Flammung sehe ich, wenn überhaupt, dann eher beim Hals selbst. Hübsch ist es trotzdem, die Röstung beschert dem bleichen Ahorn die charakteristisch karamellig-dunkle Färbung. Unsichtbar unter dem Griffbrett liegen noch Grafitstäbe, die den Hals zusätzlich verstärken.

(Bild: Dieter Stork)

Hardwareseitig finden sich generische Tuner, die Saiten werden von einem durchgehenden Niederhalter in den Sattel gedrückt, was einen Saitenwechsel immer mühsam gestaltet. Die Brücke ist ein massiverer, mit ganzen acht Schrauben befestigter Blechwinkel. Die Saiten können entweder, wie ab Werk geschehen, mit starkem Knick durch den Korpus geführt werden, oder normal hinten eingefädelt werden, wobei die Bohrungen dicht über der Decke sitzen. Da sollte man aufpassen, dass man ihr keine Kratzer verpasst.

Ein auffälliges Merkmal der Sire-Miller-Bässe war von Anfang an das üppige Regelwerk. Gefüttert wird es von zwei Premium-J-Revolution-Pickups. Die werden im passiven Betrieb mit Volume und passiver Tonblende, die sich als Doppelpoti einen Platz teilen sowie dem Balance-Regler verwaltet. Das Tone-Poti bleibt auch im Signalweg, wenn per Minischalter auf aktiv gewechselt wird. Dann kommt ein mit 18 Volt befeuerter EQ dazu, der neben Reglern für Höhen und Bässe ein weiteres Doppelpoti bietet, das semiparametrisch die Mittenfrequenz boostet oder beschneidet. Volle Flexibilität also!

Der Blick ins E-Fach zeigt einen mit Abschirmfolie versehenen Holzdeckel, der über abschirmenden Lack mit einer Kupferfolie im Bereich der Regler und des Schalters verbunden ist. Des Weiteren sieht man saubere Verdrahtung und ein Trimpoti zur Anpassung der aktiven Ausgangslautstärke.

(Bild: Dieter Stork)

Übrigens sind auch die PU-Fräsungen sauber mit Abschirmlack ausgepinselt und an Masse gelegt, sehr gut. Die beiden Batteriefächer sind ohne Werkzeug zu öffnen und nehmen die 9V-Blöcke ohne Fummelei an Batterieclips auf. Laut Webseite soll das in Zukunft von einem Holzdeckel ersetzt werden, was sicherlich schön ist, die Funktionalität der alten Lösung finde ich aber besser. Wer seinem V10 ein Jazz-Bass-typisches Schlagbrett verpassen möchte, findet ein transparentes zur Selbstmontage gleich beigelegt. Eine gute Idee, so hat man die Entscheidung selbst in der Hand!

SLAPPING BEAUTY

Mit Nylongurt an den konventionellen Pins pendelt sich der mit 4,2 kg komfortabel gewichtete Bass in der beherrschbaren Waagerechten ein. Der Hals fühlt sich, von den beschriebenen Einschränkungen abgesehen, wirklich gut an. Nicht nur die abgerundeten Kanten, auch das unsymmetrische Profil tragen zum Wohlbefinden bei. Wer sich den für ihn oder sie tauglichen Bass nach Sattelmaß aussucht, muss beim Miller die Kantenbearbeitung mit einrechnen, die dem Hals in der tiefen Lage ein schlankeres Spielgefühl beschert, als es die reine Maßangabe vermuten lässt.

Die C-Form ist so verschoben, dass der Hals unter den tiefen Saiten am dicksten ist, sich aber dabei nicht sonderlich fett anfühlt. Die rechte Hand findet mit 18 mm Saitenabstand komfortable Arbeitsbedingungen vor. Die einstellbare schnarrfreie Saitenlage liegt im mittleren Bereich, da wäre mit besserer Abrichtung noch mehr drin. Der unverstärkte Ton hat Tiefe, Draht und ist recht laut. Passiv am Amp klingt es nach – Überraschung! – Jazz Bass der etwas moderneren und spritzigeren Variante, mit ordentlicher H-Saite.

Als reine Singlecoils bringen die Alnico-bestückten Pickups im Einzelbetrieb das typische Brummen mit sich, dafür ist der Ton transparent und offen. Das lässt sich mit Balance-Regler und Tonblende gut bearbeiten, die wie das Volume-Poti sauber und gleichmäßig arbeiten und sehr nuancierten Zugriff erlauben. Das gelingt mit den griffigen und gut ablesbaren Alu-Knöpfen gleich nochmal so gut. Aktiv kommt der EQ dazu, bei dem alle Regler eine Mittenrastung haben.

Ab Werk ist das Trimpoti im E-Fach so eingestellt, dass die Lautstärke gleich bleibt, nur die Höhen werden wegen des niederohmigen Signals etwas strahlender. Auch ein Boost, oder die Anpassung einer aktiven Einstellung mit angehobenen Bässen und Höhen an das passive Signal, sind kein Problem. Der Bassregler kommt extrem mächtig rüber, da ist etwas Vorsicht angeraten. Mitten und Höhen sind da umgänglicher, wobei die Frequenz des Mittenreglers in einem weiten Rahmen von 80 Hz bis 2 kHz einzustellen ist, und damit in den äußeren Einstellungen in den Bass- bzw. Höhenbereich vordringt.

Die eigentlich nicht nötige Rastung erweist sich schnell als gar nicht so unpraktisch. Von Punch über Growl bis zu Finger- und Pickgeräuschen reicht die Bandbreite der Anhebungen, oder eben Absenkungen, wenn es rund oder funkiger klingen soll. Der Miller-Funk ist natürlich auch drin, obwohl die Pickups in der 60er-Position sitzen. Trotzdem knackt der Ton, dass es nur so eine Freude ist.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Der Sire Marcus Miller V10 hinterlässt einerseits einen guten Eindruck: Das Vorhaben, der Reihe ein edles Kleid zu verpassen, ist aufgegangen. Andererseits wäre der Eindruck mit etwas mehr Aufmerksamkeit für die Verarbeitung noch besser ausgefallen. Fairerweise muss ich sagen, dass ich genügend Fotos von verschiedenen V10 gesehen habe, die erkennbar sauber verarbeitet waren und auch die versprochene Flammung von Griffbrett und Hals zeigten. Da muss man sich gegebenenfalls „seinen“ Bass aussuchen. Das lohnt sich durchaus, denn Spielgefühl und Sound können sich absolut sehen, oder besser gesagt, hören lassen!

PLUS

● Optik
● Sound
● Potiknöpfe
● Gigbag

MINUS

● Bundbearbeitung
● Bearbeitungsspuren Hals

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2021)

Produkt: Gitarre & Bass 11/2023
Gitarre & Bass 11/2023
IM TEST: Knaggs Guitars Eric Steckel Kenai T/S +++ Fender Limited Edition Tom DeLonge +++ Stratocaster +++ Cort G290 FAT II +++ Guild D-140 / D-140CE +++ Fender Vintera II 60s Precision Bass +++ Captain Black Betty 1x12 Combo +++ Origin Effects DCX Bass Tone Shaper & Drive +++ Strymon Cloudburst Ambient Reverb +++ Boss IR-200

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