Reise, Reise

Test: Michael Kelly Sojourn Port Acoustic Travel Bass

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Wer einen Bass mit auf die Reise nehmen möchte, steht meist vor der Frage, ob der normale E-Bass nicht zu unhandlich ist – und dann ist da das Ding mit der Verstärkung. Ganz drauf verzichten? Einen (kleinen) Verstärker mitnehmen? Oder einen Kopfhörerverstärker? Oder vielleicht doch gleich den Sojourn, einen überaus kompakten Bass mit überzeugenden akustischen Qualitäten.

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Michael Kelly lässt diesen schnuckeligen Akustikbass in China bauen. Okay, nicht persönlich – Michael und Kelly sind die Namen der Kinder des Firmengründers Tracy Hoeft, der seiner Company eine persönliche Note geben wollte, seinen eigenen Namen aber für nicht wirklich geeignet hielt.

KLEIN …

Der Korpus des Sojourn ist aus laminiertem Koa. Ich gebe zu, das ist ein Holz, das bei mir Vorschusslorbeeren erntet, vor allem, wenn es so schön subtil gemasert ist wie hier der Boden und die Zargen. Dennoch verspreche ich, neutral zu bleiben, sodass das Testergebnis nicht beschönigt wird!

Der Sojourn kommt mit einigen ungewöhnlichen Details, das geht schon mit dem dezentralen Schallloch los. In Verbindung mit einem entsprechend angepassten Bracing soll das für eine bessere Schwingung der Decke zwischen Hals und Brücke sorgen. Ein weiteres, tränenförmiges Schallloch sitzt in der Zarge. Akustische Gitarren und Bässe strahlen ihren Ton hauptsächlich über die Decke ab und damit weg von der Spielerin oder dem Spieler. Das zusätzliche Schallloch soll als Monitor für Hörbarkeit sorgen.

Auf jeden Fall sorgen beide Öffnungen für ungewohnte Einblicke ins Innere des Instruments. Bracing und Reifchen sehen sauber und akkurat aus, auch die Kabel sind soweit möglich aus dem Blickfeld verbannt und fixiert. Ein bisschen eigen ist der große, tapetenartige Aufkleber mit Markennamen, Modellbezeichnung und Seriennummer. Der hätte dezenter auch gereicht. Immerhin lerne ich hier, dass der Bass offiziell MKSBSKGOFR heißt. Schön, dich kennenzulernen, MKSBSKGOFR!

Von einem Bass dieser Größenordnung wird niemand erwarten, dass er rein akustisch in einer Band bestehen kann, ergo ist gleich ein Tonabnehmer eingebaut, um sich Unterstützung per Anlage holen zu können. Michael Kelly greift auf die vielfach bewährten Teile von Fishman zurück. Der Sonicore-Pickup unter der Stegeinlage hängt an einem Presys-II-Preamp, der neben Volume, Bass und Treble auch noch einen Phasenschalter und ein Stimmgerät bietet. Eine eventuell leere Batterie wird ebenfalls angezeigt, die sitzt in Form eines 9V-Blocks zusammen mit der Ausgangsbuchse in der Zarge.

Der Hals ist aus Mahagoni gefertigt, mit einer bis in den dritten Bund großzügig angeschäfteten Kopfplatte. Das Griffbrett mit Dots seitlich und vorne ist aus Ovangkol, aus dem gleichen Holz ist auch die Brücke. Hier werden die Saiten von hinten durchgefädelt. Da das noch etwas mehr an der Brücke zerrt, als wenn die Saiten mit Pins durch die Decke geführt werden, ist sie nicht nur verleimt, sondern zusätzlich mit drei Schrauben befestigt. Die Saiten, die über die Stegeinlage und einen Sattel aus künstlichem Knochen geführt werden, kommen von D´Addario, passend für die ultra-kurze Mensur von 24,75“ (verglichen mit der regulären Shortscale-Mensur von 30“).

Gestimmt wird mit Michael-Kellyeigenen Mechaniken, die leider den bis jetzt guten Eindruck des Basses deutlich schmälern … beim Versuch, den Sojourn zu stimmen, zeigen sie einen Leerlauf und eine Hakeligkeit, die ich schon lange nicht mehr erlebt habe, selbst bei relativ günstigen gekapselten Tunern. Da das alle vier betrifft, scheint mir das kein einmaliger Ausrutscher zu sein – da würde ich mal den Lieferanten wechseln und/oder aufmerksamer in der Endkontrolle sein …

Zurück zu den schönen Dingen: Das sauber bundierte Griffbrett hat am Ende im Bereich der E-Saite einen schicken, passend zum Schallloch geformten Ausschnitt, der für die tiefste Saite 16 Bünde über lässt, während die hohen Saiten alle 19 haben. Der höchste Ton ist also ein D, zwei Oktaven über der Leersaite. Damit die hohen Lagen erreichbar sind, wurde dem Korpus ein schwungvollmodernes Cutaway verpasst, das sich sehr harmonisch ins das Gesamtbild einfügt. Da die versetzte Öffnung in der Decke einen korpusseitigen Zugang zum Stahlstab mindestens erschweren würde, liegt der unter einer kleinen Plastikabdeckung auf der Kopfplatte.

… ABER OHO!

An den Zwei-Wege-Stahlstab muss ich aber erst mal nicht ran, der Bass kommt gut eingestellt aus dem bestens gepolsterten Gigbag. Das ist dankenswerterweise gleich dabei, sitzt wie angegossen, hat noch Taschen für Gedöns und trägt sich sehr gut auf dem Rücken. Im Sitzen liegt der Kleine angenehm auf dem Oberschenkel. Um den Bass im Stehen anspielen zu können, muss ich den Gurt doch tatsächlich an die Kopfplatte knoten – es gibt nur einen Gurtpin am Body-Ende.

Wer von einem Longscale auf so einen Ultrakurzen wechselt, wird erst mal etwas Umgewöhnungszeit brauchen. Ich kenne die Mensur schon von meiner Bass-Uke. Dank der Bundabstände ist so ein Bass überaus bequem zu spielen. Die Saitenlage ist nicht ultraflach, was aber der Spieldynamik zugutekommt, auch bei festerem Anschlag scheppert so schnell nichts. Da zeigt sich auch die Bundierung von ihrer besten Seite. Auch, wenn die Saiten für die Mensur passend ausgesucht wurden, fühlen sie sich im Vergleich eher labberig an, aber noch nicht so arg, dass es mich wirklich stören würde. Immerhin – und das ist das Wichtigste – ist der Sojourn mit ihnen in der Lage, einen schönen akustischen Ton zu produzieren.

Allzu große Lautstärke darf man bei dem Format nicht wirklich erwarten. Die reicht vielleicht, um im kleinen Kreis mit einer Ukulele mitzuhalten. Aber der Bass ist in sich schön ausgewogen, die dicke E-Saite fällt gegenüber dem Rest nicht ab. So macht es auf jeden Fall Spaß, für sich zu spielen, sei es am Küchentisch oder am Strand. Und tatsächlich bringt das Monitor-Schallloch etwas. Deckt man das mal provisorisch ab, merkt man, dass der für die Spielerin oder den Spieler hörbare Ton sich ändert, mit offenem Schallloch nimmt die Ortbarkeit deutlich zu und damit auch das Spielvergnügen.

Das leidet dagegen wieder etwas unter der Oktavreinheit. Hat man den Sojourn sauber gestimmt, was sich durch das Stimmgerät im Preamp eigentlich leicht gestaltet, durch die dürftige Qualität der Mechaniken allerdings erschwert wird, stellt sich in den höheren Lagen eine immer deutlichere Verstimmung ein. Die nimmt von der leicht zu hohen G-Saite zur sehr wahrnehmbar zu hohen E-Saite ordentlich zu. Die Stegeinlage müsste also insgesamt etwas nach hinten versetzt werden und einen größeren Winkel zu den tiefen Saiten bekommen. Bleibt man in der Nähe des gut gekerbten Sattels, ist alles unproblematisch.

Wenn es mit dem Bass mal lauter zugehen soll, ist ja noch der Fishman an Bord. Der macht seine Sache nicht übel. Wichtigster Aspekt auch hier: Die Saiten kommen untereinander ausgewogen rüber, keine fällt ab oder ist ungebührlich laut gegenüber den anderen. Den Klang prägen etwas fiese Hochmitten, die ein leichtes Absenken am Treble-Regler schon angenehm entschärft. Damit wird der Ton insgesamt runder und wärmer. Möchte man den Höhenbereich unangetastet lassen oder für einen noch transparenten Klang gar anheben, muss eine externe Klangregelung bemüht werden, um besagte Hochmitten zu zähmen. Das Bass-Poti sorgt vor allem bei kleineren Lautstärken für ein noch satteres Fundament, ohne allzu schnell zum Dröhnen zu neigen. Überhaupt zeigt sich der Sojourn ziemlich unempfindlich gegenüber Rückkopplungen, da hilft die relativ kleine Deckenfläche – und im schlimmsten Fall kann noch der Phasendrehschalter Abhilfe schaffen.

RESÜMEE

Wenn eine(r) eine Reise tut, dann ist der Sojourn ein feiner Begleiter! Die kurze Mensur und die gute Bespielbarkeit sorgen für Spielspaß, der auch von der etwas unsauberen Oktavreinheit nicht wirklich geschmälert wird. Dafür punktet der Bass, im Rahmen seiner Möglichkeiten, mit einem akustisch ausgewogenem Ton, der durch das zusätzliche Schallloch klar und deutlich ans Ohr dringt und gerade das vor sich hin Daddeln noch ergiebiger macht. Der elektrische Ton am Amp ist gut nutzbar und macht den Sojourn auch für den Einsatz in größeren Zusammenhängen interessant, zum Beispiel als kompakte Geheimwaffe für die Akustiknummer im Set. Klare Antestempfehlung!

PLUS

  • akustischer Ton
  • Monitor-Schallloch
  • Bespielbarkeit
  • Fishman-Pickup & -Preamp
  • Gigbag

MINUS

  • Mechaniken
  • Oktavreinheit


(erschienen in Gitarre & Bass 09/2022)

Produkt: Jack Bruce 1943 – 2014
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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Ups … 650 Teuro für einen nicht Oktav-reinen Kasten … ???
    Lieber nicht!

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