Dark Phoenix

Test: LTD Deluxe Phoenix-1004

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(Bild: Dieter Stork)

Schon vor zehn Jahren gab es einen Test des LTD Phoenix im Heft, zwischendurch war er aus dem Programm verschwunden. Aber wie der Name es nahelegt, ist nun ein neuer Phönix der Asche entstiegen.

Aufgrund der großen Nachfrage, wie man so schön sagt, hat ESP das beliebte Design in der LTD-Deluxe-Reihe wieder aufgelegt. Nicht ohne ein paar Änderungen vorzunehmen.

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IST ES EIN VOGEL?

Einen Preis fürs Erraten des Vorbildes gibt es mal wieder nicht gewinnen, zu offensichtlich ist die Anlehnung an den Gibson Thunderbird. Die Korpusform ist insgesamt sehr ähnlich, aber nicht gleich. So ist das Cutaway großzügiger und hat gleichzeitig eine eigene Form mit einer kleinen Kante bekommen, der sich das ansonsten klassische Pickguard anpasst, die Ablage für den rechten Arm ist leicht abgeschrägt. Wie beim Vorbild ist die Korpusmitte mit dem durchgehenden Hals dicker als der Rest. Beim Gibson ist diese erhöhte Mitte auch auf der Rückseite auszumachen, darauf verzichtet der LTD Deluxe Phoenix-1004, was ihm einen deutlich dickeren Korpus beschert, der um ca. einen Zentimeter zulegt.

Die Korpusseitenteile bestehen aus Mahagoni, der Hals aus Mahagoni und Walnuss. ESP hatten schon vor Jahrzehnten den Ruf, exzellente Lackierungen zu zaubern. Den haben sie bis heute bewahrt, und auch bei LTD gibt es da nichts zu meckern. Daher ist es unmöglich zu sagen, aus wie vielen Streifen der Hals besteht und wie breit er im Korpusbereich ist. Unter der mal wieder perfekten Lackierung sind keine Übergänge im Holz auszumachen, der Bass könnte genauso gut aus einem Stück sein.

(Bild: Dieter Stork)

Ebenfalls perfekt gemacht ist der Übergang mit einer klaren Kante vom hochglänzend lackierten Korpus zum matten Hals, die in der Bespielbarkeit nicht stört. Im von einem akkuraten Binding eingefassten Ebenholz-Griffbrett sitzen 21 sauber abgerichtete Stainless-Steel-Bünde im Jumboformat, für weiteren Kontrast zum restlichen All-Black-Look sorgen hübsche Flaggen-Inlays. Bei der Kopfplatte hat sich LTD für eine Reverse-Form entschieden, die bei genauerem Hinsehen gar nicht so weit vom Original weg ist, nur dass die offenen Mechaniken im Gotoh-Stil eben nach unten zeigen.

Der Übergang vom deutlich abgewinkelten Headstock zum Hals ist mit einer Volute verstärkt und damit weniger bruchgefährdet. Die Brücke ist statt einer Dreipunkt- oder Zweipunkt-Konstruktion eine originale Gotoh 201 B-4, ein beliebter, massiverer Ersatz für den klassischen Fender-Blechwinkel. Die aktiven Pickups kommen wie so oft bei ESP/LTD von EMG. Die Gehäuse mögen Soapbars sein, in ihnen stecken aber ein Reverse-P am Hals und ein Jazz-Bass-Pickup am Steg.

Tonabnehmer: EMG 35P4 & EMG 35J (Bild: Dieter Stork)

Wie von EMG gewohnt, sind sie in jeder Einstellung brummfrei. In gerader Linie, parallel zum Absatz im Korpus warten zweimal Volume und einmal Tone auf ihren Einsatz. Auf der Rückseite des Korpus befindet sich das E-Fach und das Fach für die zum Betrieb zwanghaft nötige Batterie. Der Deckel ist mit zwei Gewindeschrauben befestigt, der 9V-Block selbst sitzt über einen soliden Batterieclip angeschlossen fest in einer Metallklammer. Dass sich LTD für die Lötvariante entschieden hat, statt die EMGs über Steckverbinder zu verbinden, überrascht mich etwas. Die Lötarbeiten sind sauber und zur vollsten Zufriedenheit ausgeführt, die Kabel hätte man aber noch ein ganzes Ende kürzen können, auch wenn das bei aktiven Pickups keinen Einfluss hat. Insgesamt kann ich dem LTD Phoenix mal wieder beste Verarbeitung bescheinigen, alles picobello!

MIT VOLLER WUCHT

Thunderbirds und ihre Derivate stehen immer unter dem Generalverdacht der Kopflastigkeit, und auch der mit 4,2 kg mittelschwere LTD lässt sich in dieser Hinsicht nicht lumpen. Der dickere Zuschnitt gibt dem Korpus mehr Masse, gegen den langen Hals ist er mit meinem Rutschegurt an den konventionellen Gurtknöpfen dennoch machtlos. Ebenso neigt sich der Phoenix leicht nach vorne von mir weg. Der Zug der Kopfplatte nach unten ist aber mit einem weniger rutschigen Gurt beherrschbar, vor allem, wenn beim Spielen der rechte Arm aufgelegt wird.

Belohnt wird man mit richtig guter Bespielbarkeit, denn der Bass kommt gut eingestellt aus dem Karton. Am sauber gefeilten Graphtech-Sattel beträgt die Halsbreite 40 mm, das unter „Thin-U“ laufende Profil liegt gut in der Hand. Die Saitenlage kann sogar noch ein Stück runter, ohne dass es anfängt zu schnarren. Was beim trockenen Anspielen sofort auffällt, ist, dass jeder Anschlag einen ordentlichen Punch produziert, der sowohl den Body des Basses als auch meinen ordentlich vibrieren lässt. Und das ohne Deadspots durch alle Lagen, das ist schon mal eine gute Grundlage! Apropos Lagen: Wie beim Original sind die letzten beiden Bünde nicht mehr locker zu erreichen. Gut, dass der LTD einen Bund mehr hat, so komme ich ohne Probleme bis zum D.

Der erste Impuls an der großen Anlage ist der Griff zum Bassregler! Nicht, um etwa ein anämisches Signal aufzublasen, sondern um die enorme Wucht zu bändigen, die der Phoenix raus tut. Was für ein dickes Fundament! Das ist schon beeindruckend. Eventuelle Sorgen, das könnte im Verbund mit der Mahagoni-Konstruktion zu weich werden oder zu wummerig sein, kann ich gleich wieder ad acta legen – nichts davon passiert hier. Da drücken die bewährten EMGs dem Ton ihren Stempel auf. Die sorgen mit konkretem Bass und guter Ausleuchtung der Höhen dafür, dass die Ortbarkeit nicht auf der Strecke bleibt und sich der Phoenix konkret im Band-Gefüge durchsetzt.

Neben der Wuchtigkeit im Bass gibt die Konstruktion dem Sound auch noch fette Tiefmitten mit, die für viel Tragfähigkeit sorgen. Die EMGs färben das entsprechend ihrer Position ein, der Halspickup solo hat eine kehligere Note, der Steg-Pickup drückt und knödelt eher, zusammen sind sie ausgewogen und sogar Slap-tauglich. Nach einem normalen, fenderigen PJ klingt es allerdings nie. Das wäre bei der Holzauswahl und dem durchgehenden Hals auch verwunderlich, dazu kommt die zum Hals hin verschobene Einbauposition des Reverse-P-Pickups. Damit ist der Phoenix auch klanglich eindeutig als modernere T-Bird-Variante einzusortieren, und macht als solche eine fantastische Figur!

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Ein großer Bass, nicht der bequemste in der Handhabung, nicht der flexibelste in der Sound-Ausbeute – und ein ganz toller Bass! LTD liefert mit dem Phoenix-1004 eine Thunderbird-Interpretation mit guter Ausstattung und sauberster Verarbeitung ab, die klanglich am Vorbild anknüpft und gleichzeitig modernisiert. Bei aller Wuchtigkeit und reichhaltigem Tiefmittenanteil, bleibt der Ton so aufgeräumt, ortbar und durchsetzungsfähig. In Details näher am Original als sein Vorgänger, trotzdem eigen und ein unbestreitbarer Blickfang, der seinen Weg verdientermaßen auf diverse Rock-, Blues-, und Metal-Bühnen finden wird. Wobei diese stilistische Einordnung eher der Optik als dem Sound geschuldet ist – der Phoenix ist überall zuhause, wo konkrete Tragfähigkeit gefragt ist.


(erschienen in Gitarre & Bass 12/2021)

Produkt: Gitarre & Bass 12/2023
Gitarre & Bass 12/2023
IM TEST: Nik Huber Piet +++ Jackson American Series Virtuoso +++ Guild Polara S-100 Kim Thayil +++ Squier Sonic Precision Bass +++ Fender Tone Master Pro +++ Blackstar HT Club 40 MK III +++ Aguilar SL 110 +++ Beetronics Seabee +++ 901SOUND Fulcrum EXP

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