Doppelter Spielspaß

Test: Harley Benton Double Pedals

Anzeige
(Bild: Dieter Stork)

Richtig viel Funktion auf wenig Raum und das auch noch für einen schmalen Taler? Harley Bentons Pedale der Double-Pedal-Reihe bieten im Grunde alles, was ein Pedalboard an Basisausstattung benötigt. Dabei sind die Preise mehr als verlockend.

Harley Benton baut die Auswahl im Bereich der Budget-Pedale immer weiter aus und beweist, dass cleveres Design, guter Sound und ein äußerst attraktiver Preis sich nicht zwangsläufig im Weg stehen. Der neueste Wurf des Herstellers sind die Double Pedals. Die Grundidee ist eigentlich recht simpel: Jedes Pedal beherbergt zwei vollkommen unabhängig bedienbare Effekteinheiten, die dank des AB-Schalters (über den jedes Pedal dieser Reihe verfügt) in unterschiedlicher Reihenfolge kombinierbar sind, was oft einen ganz erheblichen Einfluss auf den Klang hat.

Anzeige

GEMEINSAME SACHE

Nicht nur der AB-Mini-Schalter ist allen Pedalen dieser Reihe gemein – auch das Gehäuse und der grundsätzliche Aufbau der Double Pedals sind nahezu identisch. Die Abmessungen erinnern an das etwas größere MXR-Format, wie wir es beispielsweise vom Phase 100 kennen. Die Pedale sind immer in eine rechte und eine linke Effekteinheit unterteilt. Jede dieser Einheiten verfügt über einen On/Off-Schalter, ein zentrales, großes Poti sowie zwei bis drei Mini-Regler und einen Mini-Toggle-Schalter.

In der Mitte befindet sich der bereits erwähnte AB-Switch, der die Laufrichtung des Signals bestimmt (A→B, B→A, A oder B). Die Klinkenbuchsen sind an den Gehäuseflanken untergebracht, während der 9V-Anschluss sich an der Stirnseite der Pedale befindet. Im Inneren sitzt eine große, aufgeräumt wirkende Platine, welche die gesamte Fläche des Pedals einnimmt und aufgrund des Formats keinen Platz für eine Batterie lässt. Rein optisch machen alle Testgeräte einen guten Eindruck, wenngleich das graphische Design der Pedale nicht gerade spektakulär wirkt. Bedenkt man aber die Preise von deutlich unter 100 Euro, geht das vollkommen in Ordnung.

DOPPELTER SOUND

Was auf den ersten Blick vielleicht ein wenig unspektakulär aussehen mag, erweist sich in der Praxis jedoch als überaus spannend. Den Anfang macht das Two Face Pedal, bei dem es sich um eine Kombination aus Tremolo und Overdrive handelt. Letzteres bietet zwei Grundsounds („Hot“ und „Warm“), die über einen kleinen Schalter angewählt werden können. Der Hersteller gibt an, sich hier an einem bekannten, japanischen (grünen?) Vorbild zu orientieren.

(Bild: Dieter Stork)

Im „Warm“-Modus klingt das Overdrive schön komprimiert und ist von einem eher weichen Klangcharakter geprägt. Vor allem die Diskantsaiten klingen hier ausgesprochen gut. Der deutlich hörbare Mittenboost erinnert natürlich an den legendären Tube Screamer von Ibanez, auch wenn das Two Face eine dichtere Gain-Struktur aufweist. Einen größeren Schritt in Richtung Japan macht das Pedal allerdings im „Hot“-Modus, bei dem die Lautstärke ansteigt und die Mitten sich deutlich nach vorne drängeln, während die Gain-Struktur ein wenig offener wird. Hier eignet sich das Two Face sehr gut als Booster mit einem Schuss Verzerrung.

(Bild: Dieter Stork)

Die Tremolo-Sektion arbeitet genauso überzeugend wie die Overdrive-Seite: Von langsam schwellenden Tremolo-Sounds bis hin zu wahnsinnig schnellen Stotter-Klängen, deckt dieses Tremolo eine enorme Bandbreite ab. Der weiche und gutmütige Charakter des Effekts zielt dabei klar in die Vintage-Richtung; hier orientiert man sich scheinbar an den Tremolo-Effekten alter Verstärker der 60er-Jahre. Je nach Stellung der Depth- und Bias-Regler lässt sich die Intensität des Effekts sehr feinfühlig ausformen und mittels des AB-Schalters im Zusammenspiel mit dem Overdrive eine ganze Palette klassischer bis ausgefallener Sounds abdecken.

Mein Tipp: Dreht man mutig alle Regler des Tremolos auf Vollgas, erhält man mit dem Overdrive im „Hot“-Mode einen fast schon Roboter-artigen Sound, der so gar nichts mehr mit einem klassischen Tremolo zu tun hat, aber entfernt an einen Ringmodulator erinnert.

(Bild: Dieter Stork)

Als nächster Kandidat darf das Evil Twin zeigen, was es zu bieten hat. Während die rechte Pedalhälfte sich klanglich identisch zum Two-Face-Overdrive verhält, erweist sich die linke Seite als ein Tube-Amp-Style-Overdrive, welches stark in den Brown-Sound-Revieren wildert und vor allem durch eine tolle Dynamik punkten kann. Das Pedal reagiert trotz hoher Gain-Reserven feinfühlig auf die Anschlagsintensität und das Volume-Poti der Gitarre und bietet dank des „Low Peak/High Peak“-Mini-Schalters die Möglichkeit, dem Signal entweder einen dezenten Bassboost zu verpassen oder dem Sound einen kleinen Schubser in den Hochmitten zu geben. Vor allem der Boost in den oberen Mitten hat einen unwiderstehlichen Reiz und ermöglicht tolle Hot-Rod-Sounds der späten 70er- und frühen 80er-Jahre. Kombiniert man beide Pedalseiten, nimmt vor allem die Klangdichte und der Obertongehalt zu, was natürlich ein wenig zu Lasten der Transparenz geht.

(Bild: Dieter Stork)

Mein Tipp: Während die Overdrive-Seite einen wirklich fantastischen Zerrsound liefert, der mühelos mit dem eines Verstärkers mithalten kann, lässt sich mit der rechten Pedalhälfte ein toller Boost-Sound einstellen, der vor allem für angefettete Clean-Sounds geeignet ist. So hat man zwei völlig verschiedene verzerrte Sounds in einem Pedal, die man je nach gewünschter Gain-Intensität anwählen kann.

(Bild: Dieter Stork)

Nummer Drei im Bunde ist das Double Vision, ein Chorus/Tremolo-Pedal. Während es sich beim Tremolo um den gleichen Effekt wie beim Two-Face-Pedal handelt, soll der Chorus „lushe“ und analog klingende Sounds liefern, die sich laut Hersteller klar an alten Vintage-Pedalen orientieren. Im Praxistest klingt der Chorus zwar durchaus angenehm, kann aber bei weitem nicht an die klangliche Fülle und Tiefe einiger moderner Boutique-Vertreter wie beispielsweise dem Julia von Walrus Audio heranreichen. Der Effekt klingt einfach ein wenig eindimensionaler und flacher. Zusammen mit der Tremolo-Sektion allerdings, erwacht das Double Vision zum Leben: Beide Effekte ergänzen sich gut, und das an sich schon toll klingende Tremolo bekommt durch die Modulation des Chorus noch ein wenig mehr klangliche Tiefe und einen etwas interessanteren Charakter.

(Bild: Dieter Stork)

Mein Tipp: Das Double Vision einfach als Tremolo-Pedal mit schalbarer Modulation verwenden und sich einen schön abgestimmten, warm-wabernden Clean-Sound zusammenstellen.

(Bild: Dieter Stork)

Zuständig für das Verbiegen von Raum und Zeit ist bei den Double Pedals das Duality Reverb und Delay. Eine kleine Besonderheit dieses Pedals ist, das einem in jeder Effektsektion drei Grund-Sounds zur Verfügung stehen, die mit einem Mini-Schalter gewählt werden können. Auf der Delay-Hälfte des Gerätes handelt es sich hier um ein Tape-, ein analoges und ein neutral klingendes Delay. Während die Wiederholungen bei Letztgenanntem ohne klangliche Einflussnahme ausklingen, unterscheiden sich Tape- und Analog-Delay im Wesentlichen durch zwei verschiedene EQ-Kurven, die auf den Wiederholungen zu hören sind – hier wäre vielleicht ein etwas größerer klanglicher Unterschied, beispielsweise durch eine Modulation, schön gewesen.

(Bild: Dieter Stork)

Trotzdem klingt das Delay in allen drei Grund-Sounds gut, wenngleich die klangliche Tiefe beispielsweise eines MXR Carbon Copy hier nicht ganz erreicht wird. Auf der Reverb-Seite sieht es ganz ähnlich aus: Hier kann man zwischen den Hall-Arten Studio, Church und Plate wählen. Die klanglichen Unterschiede sind allerdings deutlich größer, was den praktischen Nutzwert des Duality-Pedals natürlich erhöht. Vor allem das räumlich klingende Studio-Preset und das Plate-Reverb mit seinem etwas dreckigeren Charakter können voll überzeugen. Schön ist, dass sich die Klangfarbe des Reverbs dank einer Tone-Blende beeinflussen und sich damit schön auf das Zusammenspiel mit dem Delay abstimmen lässt.

Mein Tipp: Im Praxistest fand ich die Reverb-Seite des Pedals etwas charakterstärker als das Delay, was natürlich nicht bedeutet, dass man hier nicht ein gutes Brot-und-Butter-Echo bekommt. Am meisten Spaß hat das Pedal dennoch in Kombinationen beider Effekte gemacht – vor allem, wenn das Reverb vor das Delay geschaltet war und sich so etwas dreckigere aber sehr stimmungsvolle Shoegaze-Sounds ergeben. Auch die Oszillation im Analog-Delay-Setting kombiniert mit dem Church-Reverb (hier einfach mal beherzt alle Potis auf Vollgas drehen) sorgt für ziemlich spacig-expressionistische Klangteppiche. Wer einfach eine verzerrt gespielte Solopassage klanglich verdichten möchte, kann natürlich auch mit einem reinen Delay hier super Ergebnisse erreichen.

RESÜMEE

Selbstverständlich ist bei weitem nicht jede Musikerin oder jeder Musiker in der Lage, sich ein großes Pedalboard mit einer Vielzahl teurer Boutique-Pedale leisten zu können. Dass ein guter Sound aber nicht zwangsläufig teuer sein muss, zeigt Harley Benton mit der Double-Pedal-Reihe. Im Grunde kann man sich mit einem finanziellen Aufwand von unter 300 Euro, mit zwei bis drei der Double Pedals, ein erstaunlich vielseitiges und gut klingendes Pedalboard zusammenstellen, das zumindest alle wichtigen Basis-Sounds mühelos abdeckt.

Legt man in einem fiktiven Rechenbeispiel mal ein Harley Benton ISO-1 Pro Netzteil für 49 Euro zugrunde, so bliebe beispielsweise noch genug Budget für ein Evil Twin und das Duality-Pedal, sowie ein preiswertes Stimmgerät, wie beispielsweise der Electro-Harmonix Pedal Tuner. Klangliche Abstriche müssen in diesem Szenario keineswegs in Kauf genommen werden – ganz im Gegenteil: Die Pedale machen richtig viel Spaß und es gibt vor allem in den verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten der Effekte eine Menge Interessantes zu entdecken. Besonders hervorheben möchte ich hier das wirklich hervorragend klingende Evil-Twin-Overdrive. Hier bekommt man ein gleichermaßen vielseitiges wie gut klingendes Zerrpedal, das eine Vielzahl an Schattierungen abdeckt und eine regelrechte Allzweckwaffe auf unserem fiktiven Pedalboard wäre.

PLUS

● Konzept
● Preis/Leistung
● Klangqualität
● Bedienbarkeit
● umfassende Reverb- & Delay-Sounds (Duality)
● dynamische Verzerrung (Evil Twin)

MINUS

● Chorus-Effekt des Double Vision

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2022)

Produkt: Gitarre & Bass 2/2024
Gitarre & Bass 2/2024
IM TEST: Charvel Pro-Mod So-Cal HSS +++ Engl E670FE Special Edition +++ Ortega Guitars Tour Player +++ Ampeg Venture V3, VB112 und VB115 +++ Ibanez Iceman IC420FM +++ Walrus Audio Fable +++ Meta Guitars Veil Bass +++ Fender CS Early 55 Strat Trem & Hardtail +++ Lakland Skyline Decade

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Toller Bericht! Soundbeispiele wären toll gewesen.

    Auf diesen Kommentar antworten

Schreibe einen Kommentar zu Scotty Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren