Das Erbe

Test: G&L Fullerton Deluxe LB-100

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(Bild: Dieter Stork)

Am Anfang schuf Leo die Telecaster. Und Leo sah, dass sie gut war. Er sprach aber: Es ist nicht gut, dass die Telecaster allein sei. So lass mich ihr einen Bass zur Seite stellen. Und so geschah es. Und er war gut.

So oder ähnlich trug es sich Anfang der 1950er-Jahre zu, und die entstandenen Klassiker haben bis heute Bestand. Nach der Zeit in seiner eigenen Firma war Leo Fender bekanntlich noch für Music Man tätig, bevor ihm am Ende seines Lebens noch gute zehn Jahre beim letzten, von ihm und George Fullerton gegründeten Unternehmen blieben: G&L – womit wir beim Testobjekt angekommen wären.

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ANDERS, ABER GLEICH

Die noch recht neue Fullerton-Deluxe-Serie ist so etwas wie ein Best Of, eine Kombination von Optionen aus dem Custom-Shop-Menü, die besonders oft und gerne zusammen bestellt werden. Das Basismodell kam zuerst 1992 auf den Markt, das erste Modell unter den neuen Eigentümern BBE Sound. Ursprünglich hieß er Legacy Bass, dagegen hatte der Basshersteller Zon, der ein gleichnamiges Modell im Programm hatte, aber etwas einzuwenden, also wurde sein Name zu LB verkürzt.

G&Ls Verneigung vor Leos Erbe basiert hier sehr offensichtlich auf seinem großen Wurf, dem Fender Precision Bass, in seiner späteren Form ab Ende der 50er, aber mit eigenen Akzenten versehen. Der Korpus ordnet sich mit seiner Form und seinen Shapings sofort als Preci-esk ein, ist aber etwas feiner geschnitten und hat ein tieferes unteres Cutaway für den leichteren Zugang zu den hohen Lagen. Die Holzauswahl variiert je nach Farbe, hier ist er aus Erle, lackiert in intensivem Fullerton Red.

Auch die Form des Tortoise-Pickguards ist an den veränderten Schnitt angepasst, aber nicht von Grund auf neu – warum auch? Noch vertrauter ist der Pickup: Wer hier den G&L-Magnetic-Field-Design-Splitcoil sucht, wird beim Schwestermodell SB-1 fündig, beim LB-100 wird er mit AlNiCo-Magneten gebaut und im traditionellen Gehäuse verpackt. Etwas schöner hätte man die Höhe der Magnete lösen können, die in der einen Hälfte des Abnehmers aus der Kappe herausstehen, in der anderen dagegen bündig abschließen, wie es zu bevorzugen wäre. Die Regler geben wahrscheinlich niemandem Rätsel auf, Volume und Tone können nach Gusto angepasst werden, bevor es an die Ausgangsbuchse geht, die sich wie die Regler mit auf dem Schlagbrett befindet.

Typisch G&L und ein echtes Leo-Design ist die Saddle-Lock-Brücke mit ihren verchromten Messingreitern. In Saitenhöhe und Intonation justierbar, können die Reiter mit einer Madenschraube in dem massiven Rahmen fixiert werden. Daraus und aus der insgesamt sehr massigen Bauweise soll ein besserer Transfer der Energie der schwingenden Saiten auf den Body resultieren und mehr Resonanz bringen. Dazu dient auch die Verschraubung des Halses, die, statt vierfach beim Fender und dreifach beim ursprünglichen LB, hier gleich mit sechs Schrauben in individuellen Pitten ausgeführt ist.

Der matt klarlackierte Ahornhals kommt mit einem modernen Medium-C-Profil und einer Sattelbreite von 1 ⅝ Zoll, also gut 41 mm – nicht so breit und fett wie ein alter Vintage-Hals, aber immer noch mit guter Substanz. Auch G&L hat sich im Zuge der CITES-Palisander-Geschichte umorientiert. Wenn es also wie beim Testbass ein dunkleres Griffbrett sein soll, kommt Chechen zum Einsatz, das zwar als „Caribbean Rosewood“ bezeichnet wird, aber nicht mit Palisander verwandt ist. Optisch ist eine gewisse Nähe nicht von der Hand zu weisen, es sieht im Vergleich beim Testbass nur etwas trocken aus, als ob es mal eine gepflegte Ölung vertragen könnte.

Das Griffbrett hat einen Radius von 9,5 Zoll, es sind 21 Medium-Jumbo-Bünde eingesetzt sowie große Dots und kleinere in der Flanke zur Orientierung. Custom-G&L-Mechaniken sollen mit leichterem Gewicht für weniger Kopflastigkeit sorgen, dazu haben sie Wickelachsen aus Alu, die zudem noch konisch geformt sind. So werden die Saiten beim Aufziehen zuverlässig in Richtung Kopfplatte gezogen und haben mehr Druck auf den sorgfältig gekerbten Sattel. Einen Niederhalter für D- und G- Saite gibt es trotzdem.

(Bild: Dieter Stork)

POST-LEO PRECI

Die Maßnahmen für eine bessere Balance tragen beim LB-100 deutlich Früchte: Sowohl im Sitzen als auch im Stehen am Gurt macht der G&L eine gute Figur und zieht nicht in die Waagerechte, bei angenehmem, lange entspannt spielbarem Gewicht. Und sonst? Spielt sich wie ein … fasst sich an wie ein … klingt wie ein … Okay, das wäre etwas arg knapp für einen vernünftigen Test. Und außerdem – Preci ist nicht gleich Preci, und das Preciversum ist groß und bunt!

Also noch mal detaillierter: Der trockene Ton ist auf der definierten, festen Seite, da macht sich neben der soliden Konstruktion sicher auch die massive Brücke bemerkbar. Dennoch leistet sich der LB-100 einen Fauxpas, der bei fast jedem fenderigen Schraubhalsbass mehr oder weniger auftritt: einen Ton, der ohne großes Grundton-Sustain schnell in Obertöne kippt, gewöhnlich Deadspot genannt. Der im 7. Bund der G-Saite ist hier ausgesprochen deutlich ausgeprägt.

Das war’s dann aber auch an nicht so guten Nachrichten, alle anderen Töne kommen sauber und resonant. Uneingeschränkt glänzen kann die Bespielbarkeit. Proberaum- oder gar bühnenfertig kommt er aus seinem sehr fahrradtauglichen Gigbag, aber auch mit noch niedrigerer Saitenlage bleibt der LB-100 schnarrfrei. Auch wenn nicht mehr alle G&Ls geplekt werden, gibt es hier nichts auszusetzen. Um die Saiten dem Griffbrett näher zu bringen, muss bei der Brücke die namensgebende Saddle-Lock-Schraube gelöst werden, die von unten gegen den G-Saitenreiter drückt und nach erfolgter Justage alles wieder sicher fixiert. Im besten Sinne unauffällig vollzieht sich die Einstellung der Halskrümmung, die mit dem beiliegenden Inbus von der Kopfplatte aus unkompliziert und entspannt von der Hand geht.

Der stabile akustische Ton übersetzt sich am Amp in einen ebensolchen mit (wen wundert’s?) deutlicher Preci-Note. Den Schwerpunkt setzt der LB-100 in den Mitten, die knarzig und füllig rüberkommen. Je nach Anschlag wird der Ton wärmer oder rockig-rauer, der G&L reagiert darauf angenehm sensibel. Punchige Bässe unterfüttern das Geschehen, während Höhen in ausreichender Menge für Definition sorgen, sich aber auch bei harter Plektrumarbeit nie nervig in den Vordergrund spielen. Weiteren Einfluss auf Höhen und Mitten habe ich mit dem Tone-Regler, der sich als sehr gleichmäßig arbeitend erweist und mit seinem gesamten Regelbereich eingesetzt werden kann. Selbst ganz zugedreht behält der Sound seine Konturen, auf dem Weg dahin wird eine schöne Bandbreite an unterschiedlichen Mittenschattierungen bedient.

RESÜMEE

Einen schönen Preci hat G&L da gezaubert, nicht mehr, aber ganz sicher auch nicht weniger. Die Lackierung ist prächtig, die Verarbeitung akkurat und über fast jeden Tadel erhaben – mit Ausnahme des Pickups. Das bezieht sich aber nur auf die Optik mit den herausstehenden Polepieces, was durchaus für ein Montagsmodell sprechen könnte (was dann allerdings die Qualitätskontrolle hätte ausmustern sollen), nicht auf den Ton. Der ist rund und mit einem reichen Mittenspektrum gesegnet, während die solide Konstruktion dem Ganzen stabilen Punch verpasst.

Dazu eine hervorragende Bespielbarkeit mit perfekter Bundabrichtung und einem, gegenüber der reinen Vintage-Lehre, etwas schlankeren und schmaleren Hals, der aber auch nicht zu modern wirkt. Da mag man über den Deadspot fast hinweghören. Auch wenn der LB-100 erst nach Leo Fenders Ableben entwickelt wurde – dessen Geist erfüllt diesen Bass, der sich qualitativ wie preislich zwischen gehobenem US-Standard und Custom Shop ansiedelt. Feines Gerät für Leo-Fans!

PLUS

● Optik
● Bespielbarkeit
● Bundabrichtung
● Sound
● Gigbag
● Tonblende

MINUS

● teilweise vorstehende Polepieces

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2022)

Produkt: Gitarre & Bass 12/2023
Gitarre & Bass 12/2023
IM TEST: Nik Huber Piet +++ Jackson American Series Virtuoso +++ Guild Polara S-100 Kim Thayil +++ Squier Sonic Precision Bass +++ Fender Tone Master Pro +++ Blackstar HT Club 40 MK III +++ Aguilar SL 110 +++ Beetronics Seabee +++ 901SOUND Fulcrum EXP

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