Riesiges Potential zur kreativen Entfaltung

Modulare Delays für moderne Menschen: Meris LVX im Test

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SOUND

Eigentlich könnte ich das hier ganz kurz halten: Es geht fast alles, was du von einem Delay möchtest und es klingt alles super. Echt. Eigentlich muss man sich hier nicht die Frage stellen, ob es bessere Delays gibt, sondern nur, ob man den hier gebotenen Umfang braucht und bezahlen möchte.

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Dennoch möchte ich kurz mal ein bisschen vorstellen, was einem hier geboten wird: Schon bei Preset Nr. 3 mit dem Namen „Cinema“ bin ich lange hängen geblieben. Spielt man hier Stakkato, hört man ein deutliches rhythmisches Delay, welches stark moduliert ist. Lässt man den Akkord stehen, mischt sich ein sehr angenehmer Swell-Sound dazu, den man mittels Pitch auch problemlos in Shimmer-Gefilde treiben kann. Was bei anderen Pedalen schnell billig und kitschig wirken kann, klingt hier grandios. Nimmt man das Attack im Spiel etwas zurück oder fadet die Gitarre mittels Volume-Poti ein, bleibt nichts mehr vom rhythmischen Delay und es ertönt nur noch der Shimmer-Part. Und all das, ohne irgendwas am Preset zu ändern. Aber das dürfen und wollen wir hier natürlich. Also schnell den Delay-Typ von Digital auf Magnetic geändert und der Sound bekommt sofort einen leichten Retro-Charme. Etwas kaputter, etwas analoger, etwas saturierter. Ich weiß gar nicht, was mir hier besser gefällt. Schnell noch den Preamp-Typ von Tube zu Transistor gewechselt, um etwas mehr Betonung in den Höhen zu erhalten. Wow.

Achso … Es gibt sogar noch andere Presets? Dich interessieren die Swells und Drones? Dann ist Preset Nr. 5 namens „Prism Shift“ genau dein Ding. Der Name ist Programm. Da bin ich fast froh, Mix und Feedback im Direktzugriff ein klein wenig zurücknehmen zu können.

Wer auf Reverse-Delays steht, sollte unbedingt „Rewind“ ausprobieren. Hier wird das Signal nicht nur umgedreht, es passiert auch jede Menge Modulation und Pitch-Shifting. Zudem wird es rhythmisch anders aufbereitet und so entsteht ein wunderbares Chaos. Ich weiß gar nicht, wie ich das in anderen Delays nachbauen würde.

Und einfach nur, weil es geht, ändere ich den Preamp-Typ auf „Bit Crusher“. Dieser Modus ist aus dem genialen Ottobit Jr. von Meris entliehen und lässt sich in der Bit-Tiefe regeln. Schon mal ein 6-BitReverse-Delay mit Flanger gehört? Hier lohnt es sich, auch den Mix voll aufzudrehen und so nur noch das Signal mit Effekt auszugeben.

Im „Suboct Swell“-Preset fadet sich anschlagsdynamisch die Oktave unter dem gespielten Ton ein. Das Tracking funktioniert wunderbar und der Sound erinnert schon deutlich an Synthies.

Von den 99 möglichen Speicherplätzen sind 81 bereits vorbelegt. Natürlich kann man diese ändern oder auf den verbleibenden 18 seine eigenen Kreationen beginnen.

Bauen wir doch zur Abwechslung mal ein „Brot und Butter“-Delay. Denn warum sollte man neben dem LVX noch ein anderes Delay-Pedal auf dem Board haben? Also Preset 82 ausgewählt und los geht’s. Ein Tape-Delay mit leichter Modulation und einem Op-Amp-Preamp, der etwas Gain einfügt, ist in kürzester Zeit erstellt und klingt ebenso grandios wie der Rest des Pedals.

Wer die anderen Meris-Pedale wie das Polymoon, Hedra, Enzo oder eben Ottobit Jr. kennt, der wird hier einige Sounds wiederfinden. Looper und Tuner funktionieren übrigens wie zu erwarten ohne Fehl und Tadel. Der Looper lässt sich gut bedienen und gibt das Signal originalgetreu wieder. Die 60 Sekunden Stereo sind auch eine Ansage und dürften für viele Anwendungen reichen. Der Tuner erkennt präzise selbst die tiefen Töne und bietet eine gute optische Hilfestellung. Dabei zeigt er (klein und nicht störend) Zeichen, welche Buchstaben einer fremden Zivilisation sein könnten. Solche kleinen Gimmicks finde ich ja immer cool.

ALTERNATIVEN

Vor nicht allzu langer Zeit durfte ich das Eventide H90 testen (Test in Ausgabe 01/2023). Es kostet mit rund € 1200 noch mal eine ganze Ecke mehr und hat einen etwas anderen Fokus. Beim Eventide hatte ich immer das Gefühl, man kauft es, weil man eben genau die Eventide-Effektkombinationen gut findet. Und gut sind sie natürlich auch, keine Frage. Das Meris bietet einem viel mehr Freiheit, eigene Kreationen zu erschaffen, was mir persönlich noch ein bisschen lieber ist. Natürlich gibt es auch von Herstellern wie Strymon, Empress oder Source Audio super Delays. Diese basieren aber eigentlich immer auf grundlegenden Delay-Typen, die man dann in kleinen Details anpasst. Die Herangehensweise ist also eine andere, auch wenn man natürlich zu ähnlichen Ergebnissen kommen kann. Wenn man den Ansatz und Sound von Meris mag, kann man durchaus auch mit dem Polymoon Delay für € 370 glücklich werden. Es kann weniger und ist durch das fehlende Display schwerer zu bedienen, klingt aber ebenso grandios.

RESÜMEE

Meris war schon immer ein wenig speziell und hat außerhalb der Norm gedacht. Damit hat man Gitarristen ein riesiges Potential zur kreativen Entfaltung gegeben – und es immer ein wenig durch die komplexe Bedienung beschränkt. Das LVX kann nicht nur mehr als die anderen Meris-Pedale, es lässt sich auch leichter bedienen. Dabei kann man dank vier Potis die wichtigsten Parameter direkt einstellen und hat sowohl einfachen Zugriff auf Presets, als auch auf Looper und Tuner. Der Klang ist absolute Referenzklasse und kann dank der vielen Optionen wohl so granular abgestimmt werden, wie bei keinem anderen Pedal auf dem Markt.

Wer Delays nur zum Andicken von Soli nutzt, wird vermutlich keine € 700 ausgeben wollen. Alle, die experimentellere Klänge und Soundscapes bauen möchten, sollten jetzt mal gut das Portemonnaie durchsuchen, ob sich noch irgendwo die nötigen Scheine finden. Billig ist das Meris keinesfalls, aber sein Geld mehr als wert.

PLUS

  • Bedienung
  • Sounds
  • kreative Möglichkeiten


(erschienen in Gitarre & Bass 02/2024)

Produkt: Treble Booster im Test
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