Ibanez Premium RG870QMZ im Test

Anzeige
Drei E-Gitarren von Ibanez in verschiedenen Farben, stehend
(Bild: Dieter Stork)

 

Klaffte etwa im Ibanez-Programm bislang eine Lücke zwischen der Standard- und der Prestige-Line?! Hm, ist mir nie aufgefallen. In einer straff organisierten Suchaktion hat der japanische Hersteller diese ausfindig gemacht und umgehend mit adäquaten Gitarrenmodellen ausgefüllt. So (oder ähnlich) kam man wohl auf die Premium-Reihe, die sich am hohen Qualitätsstandard der Prestige-Modelle orientiert und im Premium-Werk in Jawa Timur, Indonesien gefertigt wird.

Anzeige

 

 

Als Highlights der neuen Modellreihe meldet Ibanez speziell verrundete Bunddrahtkanten, neu entwickelte CAP-VM-Pickups, ausgesuchte premium-grade Hölzer sowie das neue Edge Zero II Vibrato mit Zero-Point-3-System. Zudem besitzt der Hals die gleiche Konstruktion und Stärke wie der bewährte Prestige Wizard.

 

Konstruktion der Ibanez Premium RG870QMZ

Amerikanische Linde, hälftig zusammengefügt, findet für den Body Verwendung, der mit großzügig geschnittenen Cutaways und daraus resultierenden schlanken Hörnern im gewohnten RG-Design daherkommt. Eine breite Ergo-Fräsung schont die Rippen, die frontseitige Deckenschräge bietet dem Arm eine Wohlfühl-Auflage, der verrundete Halsübergang stressfreien Zugang zu den höchsten Lagen. Ansonsten hat man den Korpus rundum recht kantig belassen. Unser Blick fällt natürlich zuerst auf die kontrastreich gezeichneten, bookmatched halbierten und von sogenanntem Natural Binding umgebenen Quilted-Maple-Deckenfurniere. Ob rot, violett oder grau – in jedem Fall bringen die spiegelglatt polierten Transparentlackierungen die Ahornwölkchen wunderbar zur Geltung. Hinten gibt es drei Kammern, alle präzise Oberkante bündig von Kunststoffplatten abgedeckt. Die Fächer der Elektrik und der in die Zarge eingelassenen Rohrklinkenbuchse wurden sorgfältig mittels Graphitlack und Alufolie, der Boden Ersterer sogar mit Kupferfolie abgeschirmt. Alles besitzt Kontakt zur Masse und minimiert damit den Empfang von Einstreuungen. Große Gurtknöpfe verhindern weiteres Ungemach.

Mit bemerkenswerter Präzision hat man die Halstasche gefräst, in die der aus drei Ahorn- und zwei Walnussstreifen längs gesperrte Hals mündet. Nicht einmal ein dünnes Blatt Papier lässt sich zwischen Halsfuß und Body schieben. Respekt! Vier einzeln eingelassene Holzschrauben verleihen der Verbindung endgültige Stabilität. Das von Ahorn-Binding umgebene Palisandergriffbrett trägt 24 vorbildlich abgerichtete Jumbo-Bünde, deren Enden perfekt verrundet und poliert wurden, allerdings auch ein gewisses Buckelpisten-Feeling vermitteln. Vielleicht hätte man die Enden zusätzlich noch ein wenig abflachen sollen. Nichtsdestotrotz ein exzellenter Fretjob. Exakt zwischen den Basssaiten positionierte Perlmuttpunkte und kleine schwarze Dots im Binding markieren die Lagen, Doppelpunkte die Oktaven. Optimal aus- und abgerichtet fixiert der von vorne montierte Klemmsattel die Saiten. Ein Kragen verstärkt den grazilen Übergang zur Kopfplatte, an der Ibanez-Tuner Präzisionsarbeit verrichten. Inzwischen dürfte sich auch Ibanez’ überaus praktische werkzeugfreie Trussrod-Abdeckung herumgesprochen haben, deren Deckel einfach zur Seite geschoben wird.

Als Steg-/Vibratoeinheit haben unsere drei RG870QMZs das neue Edge Zero II mit ZPS3 an Bord. Hä?! Soll heißen FR-Type-Vibrato mit Messerkantenlagerung und steckbarem Hebel, dessen Gängigkeit mittels Schraubmuffe und Teflonring variiert werden kann. De facto ist das II ein abgespecktes Egde Zero, bei dem auf die praktischen Intonationsschrauben verzichtet wurde. Das ZPS3 (Zero Point System) beschert, wie der Name erahnen lässt, dem Vibrato einen je nach Justierung mehr oder weniger fixen Ruhe- bzw. Nullpunkt, der bei Double-Finger-Bendings oder gerissenen Saiten Verstimmungen verhindert. Durch Aushängen der äußeren beiden ZPS-Federn kann das Edge Zero II leicht auf Floating-Betrieb umgestellt werden. Die Spannung der Vibratofedern lässt sich über ein großes Rändelrad justieren, zu dem eine Öffnung im Kammerdeckel direkten Zugang gewährt.

Die Saitenschwingungen überträgt ein HSH-Set der neuen Ibanez-CAP-VM-Pickups, die man höhenjustierbar direkt im Korpusholz verankert hat. Verwaltet werden sie per Fünfwegschalter, Master-Volume und -Tone. Die Schalterpositionen 1, 3, und 5 aktivieren die Pickups einzeln, die Zwischenstellungen 2 und 4 den Singlecoil simultan mit den jeweils benachbarten Spulen des Hals- bzw. Steg-Humbuckers.

 

ibanez_premium_rg870qmz_1
(Bild: Dieter Stork)

 

Praxis

Das seit Jahren bewährte RG-Design bietet hohen Spielkomfort, der sich in ausgewogener Balance am Gurt und auf dem Oberschenkel, angenehmem Tragegefühl, ergonomischer Anordnung der Bedienelemente und einem spindeldürren Halsprofil mit griffigem Rücken äußert. Wenngleich der Hals sicherlich nicht jeden Geschmack trifft, lässt er sich ausnahmslos über alle Lagen komfortabel und fließend bespielen und kommt sowohl modernen High-Speed-Spieltechniken als auch kleinen Händen entgegen. Trotz exzellenter Bearbeitung könnten die Enden der Bünde für meinen Geschmack noch etwas flacher sein.

Das Edge Zero II Vibrato zeigt auch nach härtesten Up- und Down-Bendings stabile Stimmung, allerdings löst sich hin und wieder die Schraubmuffe des Hebels, sodass dieser zu wackeln beginnt. Zudem fällt die recht spärliche Rändelung der Feinstimmer auf, die dadurch nur wenig Grip besitzen. Dass Ibanez sich bei der Premium-Reihe für ausgesuchte, hochwertige Hölzer entschieden hat, zeigt sich am intensiven gleichmäßigen Schwingen der Konstruktion, an der direkten spritzigen Ansprache und rekordverdächtig vitalen Tonentfaltung. Jeder angeschlagene Akkord oder Ton klingt lange und stabil nach und ebenso gleichförmig ab und bescheinigt damit hohes Sustain-Potential. Unverstärkt liefern alle drei Testgitarren nicht sonderlich kraftvolle, voluminöse Klangbilder, glänzen jedoch mit Ausgewogenheit, Transparenz, Leichtigkeit, Brillanz sowie beachtlichem Obertongehalt und reagieren feinfühlig auf jede Nuance des Spiels.

Am zerrfreien Verstärker gibt sich der CAP VM1 Humbucker bestens ausgewogen und lässt auch dem breiten Obertonspektrum der RG870QMZ genügend Raum zur Entfaltung. Sein Fundament besitzt nicht die Wucht und das Volumen eines Classic PAFs, was das Klangbild offener und luftiger erscheinen lässt. Natürlich trägt auch die 24-Bund-Position einen nicht unerheblichen Teil dazu bei. So lassen sich nach Herzenslust volle Barré-Akkorde schrammeln, ohne dass es auch nur im Geringsten matscht oder zerrt. Zudem lässt der VM1 stets einen gewissen Anteil von Strat-Singlecoil durchscheinen und belebt damit das Klangbild zusätzlich. Wie erwartet zeigt der Einspuler in der Mittelposition direkte Klangverwandschaft zur Strat, wenngleich er deutlich mehr Pegel als ein Vintage-Typ liefert. Drahtig, klar und obertonreich perlt der Sound aus den Lautsprechern und empfiehlt sich für Rockabilly Rhythmus- und Solospiel wie für perkussive Singlenotes und funky Chords gleichermaßen. Der Wechsel zum Steg-Humbucker hebt den Pegel nur leicht an, dafür aber umso mehr die Mitten. Auch die Bässe erhalten noch einen leichten Schub. Trotz knackigen Attacks klingt der VM2 sehr ausgewogen, wird von Obertönen gekrönt und sogar von einer gewissen Wärme durchzogen. Neben soviel Klangpotenzial verblassen meines Erachtens die In-Between-Sounds. Während Schalterposition 4 noch halbwegs den Knopfler rauskehrt, lässt sich die Paarung aus Singlecoil und VM1-Stegspule kaum richtig einordnen. Weder Fisch noch Fleisch, mit gutem Willen könnte man noch von Eigenständigkeit reden. Unterm Strich besitzen beide Paarungen für meinen Geschmack zuviel Out-of-phase.

Trotz überwiegend sehr guter Clean-Sounds geben unsere Probanden ihre eigentlichen Vorlieben erst am zerrenden Amp preis, und zwar unabhängig von Crunch, Lead oder dazwischen liegenden Gain-Settings.

Sämtliche Pickup-Konstellationen zeigen straffe Bässe, Definition, Transparenz, singende Mitten, exzellente Dynamik und hohes Durchsetzungsvermögen. Der Hals-Pickup überträgt sogar High-Gain-Akkorde mit präziser Trennung und unterstützt, wie alle anderen Klangvarianten auch, ausdrucksstarkes Spiel und Tonbildung. Mit entsprechendem Anschlag lassen sich allen Tonabnehmern samtweich singende bis bissige, aggressive Sounds entlocken, die vom bemerkenswerten Sustain der RG870QMZs getragen werden.

Alle Potis rotieren sahnig weich, besitzen gleichförmige Regelcharakteristik und gestatten präzise Kontrolle von Pegel, Gain und Klang. Ein Kondensator an den Volume-Reglern minimiert Höhenverluste beim Reduzieren der Lautstärke.

 

Resümee

In der Tat fehlte dem Ibanez-Programm bislang eine Gitarrenlinie, die die Lücke zwischen den Standard- und Prestige-Modellen schloss. Das scheint mit unseren drei RG870QMZ-Schönheiten absolut gelungen, denn sie bieten reichlich Qualität fürs Geld. Das beginnt bei den ausgesuchten Tonhölzern, geht weiter mit hochwertiger Hardware, klasse CAP-Pickups, vorbildlicher Verarbeitung und endet bei der überaus ansprechenden Optik. Somit kommt auch das Auge nicht zu kurz. Klanglich kann das Trio absolut überzeugen, auch wenn die cleanen In-Between-Sachen im Vergleich zu allen anderen Spulenkonstellationen ein wenig blass bleiben. Trotz der vorbildlich bearbeiteten Bünde würde ich mir wünschen, dass man deren Enden noch ein wenig abflacht.

 

Übersicht

Fabrikat: Ibanez

Modell: Premium RG870QMZ, -BI, -HVV, -RDT

Typ: Solidbody E-Gitarre

Herkunftsland: Indonesien

Mechaniken: Ibanez, gekapselt, 18:1

Hals: Ahorn/Walnuss, 5-fach gesperrt, verschraubt, Kopfplatte mit Walnussfurnier, 4 mm Ahornplatte und Quilted-Maple-Furnier verstärkt, Natural Binding

Sattel: Ibanez Locking Nut

Griffbrett: Palisander, Ahorn-Binding, Perloid Dot Inlays

Radius: 16“

Halsform: D, flach (Wizard)

Halsbreite: Sattel 43,1 mm; XII. 53,3 mm

Halsdicke: I. 17,9 mm; V. 18,7 mm; XII. 19,8 mm

Bünde: 24, Jumbo (2,75 ¥ 1,38 mm)

Mensur: 648 mm

Korpus: Amerikanische Linde, zweiteilig; Decke: Quilted- Maple-Furnier, bookmatched

Oberflächen: BI (Black Ice), HVV (High Voltage Violet), RDT (Red Dessert), Matching Headstock, alles transparent und hochglanzpoliert; Hals: Satin Finish

Schlagbrett:

Tonabnehmer: 3x Ibanez CAP: VM1 Humbucker (Hals, 9,79 kOhm), VM1S Singlecoil (Mitte, 6,23 kOhm), VM2 Humbucker (Steg, 15,85 kOhm)

Bedienfeld: 1x Master-Volume, 1x Master-Tone, 1¥ Fünfweg-Pickup-Schalter

Steg: Ibanez Edge Zero II Vibrato mit ZPS3Fe-System

Hardware: Cosmo Black

Saitenlage: E-1st 1,70 mm; E-6th 2,00 mm

Saitenabstand Steg: E-1st – E-6th 53,70 mm

Gewicht: 3,45 kg

Lefthand-Option: nein

Vertrieb: Roland Meinl,

91468 Gutenstetten

www.meinldistribution.com

Zubehör: Premium-Koffer, Gurt GS-602LG, Multi Tool, Manual

Preis: ca. 898

 

Plus

  • Sounds (mit Ausnahme der Zwischenpositionen im Clean-Betrieb)
  • Resonanzeigenschaften
  • Dynamik & Sustain
  • Spielbarkeit
  • Verarbeitung
  • Preis/Leistung

Minus

  • Griffigkeit der Feinstimmer
Produkt: Gitarre & Bass 8/2023
Gitarre & Bass 8/2023
IM TEST: Ibanez BTB 805MS +++ FGN Mighty Jazz Dark Evolution +++ EVH 5150 Iconic 15W 1X10 Combo +++ Gretsch G5420T-140 und G5622T-140 +++ Fender Nile Rodgers Hitmaker Stratocaster +++ Driftwood Purple Nightmare Tube Preamp Pedal +++ Hagstrom Swede NewGen und Super Swede NewGen +++ Markbass Little Mark IV, Little Mark 58R & MB58R 102P +++ Shure GLX-D16+ Dual Band Digital Wireless Guitar Pedal

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren