Hardtail contra Trem: Fender Custom Shop Early 55 Strats im Test
von Redaktion,
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(Bild: Dieter Stork)
In diesem Test stehen sich zwei an die legendären Strat-Exemplare der Mitt-50er-Jahre angelehnte Fender Custom Shop-Modelle mit einteiligem Ahornhals und Korpus aus Esche in der Tremolo- und Hardtail-Version gegenüber. Eine seltene Gelegenheit – wir sind gespannt!
Der Fender Custom Shop kommt derzeit mit der Fertigung kaum noch nach. So ist schon für Teambuild- und Custom-Order-Gitarren mit 12 Monaten Wartezeit zu rechnen, Artist Guitars erfordern bis zu 18 Monate Geduld und für Master Builders mag man schon gar keine Fristen mehr nennen – der Laden brummt!
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FRÜHER WAS ALLES BESSER?
Nun, wir können sicher davon ausgehen, dass im Fender Custom Shop heute deutlich besser ausgebildete Leute arbeiten, als das damals mit lediglich angeleiteten und schlecht bezahlten Hilfskräften der Fall war. Bleibt das zur Verfügung stehende Material. Das ist heute sicher nicht mehr vergleichbar mit den damals zur Verfügung stehenden Qualitäten an Holz grundsätzlich, aber auch was andere Materialien angeht, etwa Metalllegierungen für Pickup-Magnete. Alte Instrumente mögen als Referenz gelten, aber wer weiß denn schon, wie die Originale vor über 65 Jahren neu geklungen haben? Die Standards in der Fertigung haben sich bei Fender aktuell jedenfalls auf erfreulich hohem Niveau etabliert. Man kann es auch entschlossener formulieren: Nie wurden Fender-Gitarren besser gebaut als im Custom Shop heute! Diese offensiv formulierte These gilt es anhand der vorgelegten Modelle dann noch auf Gültigkeit zu überprüfen.
Beide Strats kommen mit einem zweiteilig gefügten Korpus aus Esche im „56 Strat Body Style“ – ein Begriff der sich vornehmlich auf die über die Jahre leicht variierenden Komfortkonturen des Bodies bezieht. Lackiert sind die Strats in der damaligen Standardfarbe 2 Color Sunburst. Esche blieb bis 1956 Standard, danach wurde auf die leichter zu lackierende Erle umgestellt. Der wesentliche Unterschied zwischen unseren Probanden wird spätestens bei einem Blick auf den Korpusboden deutlich: die Trem-Version verfügt über die übliche Federkammer – da fehlt also ein Stück Holz in der Korpusmitte. Die Hardtail-Version hat dort lediglich Einschlaghülsen wie von der der Tele bekannt für die Strings-thru-Body-Saitenkonterung.
(Bild: Dieter Stork)
Der kleine Unterschied: Tremolo gegen Hardtail Bridge
(Bild: Dieter Stork)
Die mit klassischer Vierfachverschraubung über eine Neckplate in den Korpus eingebrachten einteiligen Hälse aus Ahorn mit den bekannten, nach Montage der Trussrods eingesetzten Skunk Stripes aus Nussbaum am Rücken, zeigen mit annähernd identischem Zuschnitt absolut makellose Verarbeitung. Da passt kein Haar mehr zwischen Hals und Halstasche (das nahm man früher eher nicht so genau) und die identisch nach 50er-Jahre-Manier gerundeten Hälse mit deftigem 1954-„U“-Profil sind mit weich abgeglichenen Griffbrettkanten und den schlüssig daran angepassten Enden der perfekt gemachten Bundierung nicht weniger als eine Einladung zum Spiel. Welche dann noch unterstützt wird durch den sich von 7.25″ auf 9.5″ öffnenden Compound Radius des Griffbretts – so viel Anpassung an moderne Spieleigenschaften darf bei aller Traditionsverbundenheit gerne sein.
Die jeweils parallel herausgeführte kleine Kopfplatte ist mit Fender-Vintage-Mechaniken ausgestattet; ein String Tree hält die hohen zwei Saiten nieder. Zwischen den schmalen Sätteln aus Knochen und den Bridges schwingen die Saiten mit der klassischen Fender-Mensur von 648 mm.
Die Saitenreiter aus gebogenem Stahlblech mit ihren Madenschrauben sind bei den Early 55 Strats identisch. Die Bridge Plates erweisen sich, abgesehen von der seitlich herausgeführten Nase für den Tremoloarm, als vergleichbar groß, wurden aber unterschiedlich befestigt. Während die der Tremolo-Version auf die üblichen sechs Schrauben des Vintage-Systems gestützt frei schwebend an ihren Federn aufgehängt ist, wurde die Hardtail Bridge mit drei Schrauben fest auf den Body montiert. Wir werden später feststellen, wie sich dieser deutliche konzeptionelle Unterschied auf den Sound auswirkt.
Für die Tonwandlung stehen bei den Custom Shop Strats identische 54 Strat CC Single Coil Pickups mit ausgeglichenen elektrischen Widerständen von jeweils 5,4 kOhm bereit. Montiert auf das zeitgerecht einfache Eggshell-Pickguard finden wir in üblicher Anordnung auch noch einen 5-Wege-Pickup-Schalter und die bekannten Volume- und Tone-Regler mit 250K-Pots.