Blüte im Schatten des SVT:

Acoustic 370 + 301 Bass-Anlage im Test

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Als 1969 der SVT-Turm auf den Markt kam, stand die Bassisten-Welt Kopf: Plötzlich hatte man genügend Leistung und mit zwei 8×10ern (so war die Anlage gedacht) auch genügen Wind im Rücken, um nicht länger auf die damals eher schwächlichen PA-Anlagen angewiesen zu sein.

 

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Vorgeschichte

Der SVT ist besonders in Kombination mit dem bleiernen Kühlschrank für viele Bassisten auch heute noch das Nonplusultra in Sachen leistungsfähiger Bassverstärkung, was schnell vergessen lässt, dass es durchaus starke Konkurrenz-Produkte zu Zeiten des ikonischen Röhrenboliden gab. Bereits 1967 hatte die Acoustic Control Corporation (kurz ACC) eine klangstarke und absolut ausgereifte Alternative am Start: Den 361-Turm – bestehend aus dem 360 Preamp und der aktiven 1×18″ 361PPBox.

Die ebenfalls in den USA ansässige Firma hatte eher einen HiFi-Background und bot hochwertige Transistorverstärker und Boxen im markanten Schwarz/Babyblau-Design zu nicht weniger horrenden Preisen an, als Ampeg es tat. Auch war man bei Acoustic ähnlich schmerzfrei, wenn es um unorthodoxe Lösungen für das Lautstärkeproblem ging: Als ob das Speakerformat nicht exotisch genug wäre, handelte es sich bei der 361PP um ein mächtiges Falthorn mit ähnlichen Abmessungen wie Ampegs 8×10″. Der Speaker saß bei diesem Design in einer relativ kleinen, geschlossenen Druckkammer und war auf die Rückwand des Gehäuses gerichtet, von wo aus der Schall nach oben und unten umgelenkt wurde, um schließlich durch zwei große Hornöffnungen nach vorne auszutreten. Die für den 360 Preamp benötigte Endstufe wurde kurzerhand am Boden der Box untergebracht und lieferte 200 Watt an dem internen L-187-Lautsprecher aus dem Hause Cerwin Vega.

Verblüffenderweise war diese seltsam anmutende Anlage nicht nur wirklich laut, ihr markanter Eigenklang prägte auch den Sound unzähliger Bass-Ikonen und ist entsprechend häufig auf Ton- und Filmaufnahmen dieser Zeit zu hören und zu sehen: Ob John Paul Jones (Led Zeppelin), Jaco Pastorius (Weather Report), Larry Graham (Sly & the Family Stone), David Brown (Santana), Alan Spenner (Joe Cocker), Larry Taylor (Canned Heat), Rick Laird (Mahavishnu Orchestra), Carl Radle (Eric Clapton), John McVie (Fleetwood Mac), Tim Bogert (Vanilla Fudge), und später auch Flea (Red Hot Chili Peppers) – sie alle spielten die 361-Anlage.

Leider hatte es Acoustic in den späten 60er-Jahren noch nicht nach Europa geschafft, weshalb man auf dem deutschen Gebrauchtmarkt heute nur den eng verwandten Nachfolger findet, mit dem die Firma 1972 erneut für Aufsehen sorgte: Der neue 371-Turm hatte die Endstufe für mehr Flexibilität konventionell im Topteil untergebracht und ersetzte die semi-parametrische Mitten-Klangreglung sowie das eingebaute Fuzz seines Vorgänger durch einen damals revolutionären Graphic-EQ. Die insgesamt etwas weniger verspielte Anlage fand mit Bassisten wie Phil Lynott (Thin Lizzy), Verdine White (Earth, Wind and Fire), Gary Thain (Uriah Heep), oder John Deacon (Queen) ähnlich prominente Abnehmer wie das 361-Besteck und wurde schnell zu einer der angesagtesten Bass-Stacks der 70er-Jahre – ganz zu Recht, wie wir in dieser Kult!-Folge herausfinden werden!

Konstruktion

Beim 371-Turm kommt erneut die oben beschriebene 1×18″-FalthornBox zum Einsatz, deren Design übrigens auf Cerwin-Vega-Gründer Gene Czerwinski zurückgeht. Die wenigen Unterschiede zum Vorgänger-Modell sind überwiegend kosmetischer Natur und so findet sich auch in der 301-Box (so heißt das neue Aggregat) ein 4 Ohm L-187-Lautsprecher, wobei spätere Versionen teilweise mit dem nah verwandten 188C bestückt sind. In Zeiten, wo die meisten Boxen fragile Blechkorb-Chassis mit winzigen Magneten beherbergten, setzte der unverwüstliche Cerwin Vega mit seinem starken Ferrit-Antrieb, extra solidem Druckguss-Korb und seiner extremen Belastbarkeit von 300 Watt Maßstäbe, die sich auch heute noch sehen und hören lassen können.

Um an den Speaker zu gelangen, muss die Frontplatte der Box entfernt werden, welche im Originalzustand nicht nur geschraubt sondern auch geklebt ist, um die Druckkammer luftdicht zu halten. Da viele Boxen im Laufe der Jahre gewaltsam geöffnet wurden, empfiehlt es sich hier, genau hinzuschauen und gegebenenfalls mit einem Dichtband nachzubessern. Das Gehäuse selbst ist aus stabiler Tischlerplatte gebaut und durch die aufwendige Hornkonstruktion zusätzlich mehrfach versteift. Bewegt wird der 59 kg schwere Schrank in Sackkarren-Manier, wobei sich Acoustic mit eingelassenen Griffschalen von Ampegs Handtuchhalter abgrenzt.

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In kleinen Mulden auf der Oberseite der Box finden die Füße des 370-Topteils Platz, welches sich mit seinen 19 kg Gewicht – im Gegensatz zum SVT – noch gut alleine bewegen lässt und mit seiner flachen Bauform in schwierigen Pack-Situationen punktet. Natürlich stehen hier dem Spieler keine 300 „Röhrenwatt“ zur Verfügung – es sind eher optimistische 205 Watt an 3.2 Ohm bzw. 325 Watt an 1,6 Ohm, beides mit 5% THD gemessen. Um rein numerisch mit Ampegs Schlachtschiff mithalten zu können, hat Acoustic sich hier die Zahlen ganz offensichtlich schöngerechnet und dabei ignoriert, dass die angegebenen Impedanzen selten bis nie erreicht werden. Bemerkenswert ist dennoch, dass der Verstärker auch mit zwei 4-Ohm-Boxen völlig entspannt läuft und tatsächlich eine so harmonische Endstufenverzerrung erzeugt, dass man ihn, ähnlich wie ein Röhrentopteil, auch guten Gewissens jenseits seiner Clean-Leistungsangaben prügeln darf.

Seine Arbeitspferd-Qualitäten verdankt der 370 nicht zuletzt dem hochwertigen Innenaufbau sowie dem Verzicht auf überflüssigen Schnickschnack: Neben den beiden unterschiedlich empfindlichen Eingängen stehen dem Spieler zunächst ein einzelnes Volume-Poti für die Gesamtlautstärke sowie ein aktiver Dreiband-EQ zur Verfügung. Interessant ist hier nicht nur das unterschiedliche Boost- und Cut-Potential der Bass- (+10/-10dB bei 50Hz), Mitten- (+10/-30dB bei 300Hz) und Höhen-Regler (+15/-25dB bei 10KHz), auch die Frequenz des Höhenbandes ist mit 10KHz – ganz in HiFi-Manier – ungewöhnlich hoch abgestimmt.

Der vermeintlich flexible Graphic-EQ entpuppt sich bei näherem Hinsehen als reines Bass-/Tiefmitten-Tool – die gesamte Range der fünf Slider liegt zwischen 50 und 400Hz. Zuletzt gibt es natürlich noch den für Verstärker dieser Ära fast obligatorischen Bright-Schalter, der auch beim Acoustic für einen rabiaten Höhenboost sorgt und in Kombination mit der 301-Box einen ungeahnten Nutzwert entwickelt. Rückseitig ist unser Topteil eher karg ausgestattet: Neben zwei parallel geschalteten Speaker-Buchsen findet sich hier nur ein Paar Line-Ausgänge im Klinke-Format, die zu ihrer Zeit vornehmlich zum Ansteuern weiterer Endstufen gedacht waren und entsprechend vom Volume-Poti abhängig sind.

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Praxis

Zwar entspricht die Membranfläche eines einzelnen 18ers „nur“ der von etwa drei Zehnzöllern, was aus der 371- Anlage herauskommt, steht Ampegs Kühlschrank jedoch in Sachen Größe und Körperlichkeit in nichts nach. Das Geheimnis ist hier natürlich die Hornkonstruktion, die der 301-Box nicht nur einen hohen Wirkungsgrad, sondern auch ein ganz eigenes Klang- und Projektionsverhalten sowie ein besonderes Spielgefühl beschert. Besonders im Bass und in den Tiefmitten spielt das Horn deutlich direkter und fokussierter als beispielsweise eine 8×10″ oder 2×15″. Grund hierfür ist die Tatsache, dass in der Acoustic nur ein einzelner Lautsprecher sitzt, der zudem durch die Federsteifheit des eingeschlossenen Luftvolumens vor übermäßigen Auslenkungen geschützt wird.

Weiterhin liegt die untere Grenzfrequenz der Box, bedingt durch die Hornlänge, bei etwa gerade einmal 70Hz. Ein nicht sonderlich beeindruckender Wert (übrigens ähnlich dem vieler 8×10er), der jedoch dazu beiträgt, dass das mächtige Low-End kontrollierbar bleibt. Zwar trägt das indirekte Abstrahlverhalten des 18ers dazu bei, dass die Box Horn-typisch deutlich weiter trägt als eine konventionelle Konstruktion, die Höhen des Lautsprechers werden dafür jedoch weniger effizient nach vorne geworfen, was der Box einen sehr gutmütigen Klangcharakter beschert. Blues, Country und Motown-Geschichten bringt die Acoustic-Anlage ohne nennenswerte EQ-Eingriffe gnadenlos authentisch auf den Punkt – mit unglaublicher Wärme und extra starkem Thumb.

Die eigentliche Sensation zeigt sich jedoch erst, wenn man den Bright-Switch am 370 umlegt: Gingen vorher die weichen, ausgesprochen ohrenfreundlichen Obertöne neben den elastischen Bässen fast ein wenig unter, stehen sie nun in erster Reihe. Es scheint so, als wäre die Bright-Funktion minutiös auf diese Box abgestimmt worden – der ungemein ausgewogene und nach oben hin verblüffend offene Ton lässt eigentlich keinen anderen Schluss zu. Natürlich bekommt man hier nicht den filigranen HiFi-Schmatz eines Tweeters geboten, mit einer durchschnittlichen 4×10″ (ohne Hochtöner) kann unser Falthorn obenrum jedoch plötzlich locker mithalten.

Absolut faszinierend ist auch, wie ungemein röhrig das Topteil seinen Ton in Szene setzt – mit einer fundamentalen Bass-Urgewalt und einem sagenhaft schmatzigen Attack, das auch bei extremen Höhen-Anhebungen nicht unangenehm plärrig oder scharf wird. Wirklich Klasse! An dem Punkt, wo man das LautstärkeLimit dieser Anlage erreicht hat, werden die meisten Bandkollegen bereits weinend den Proberaum verlassen haben – dabei ahnen sie nicht, was sie verpassen!

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Die Verzerrung, die das 370-Topteil bei zu heiß gefahrener Endstufe produziert, lässt so manchen Röhren-Amp alt aussehen. Ein fauchender Aggro-Sound der Extraklasse kommt aus der Box geschossen, der – die entsprechende Probelautstärke vorausgesetzt – mühelos jeden Zerrer in Rente schickt. Schön und gut, aber was ist mit Jaco? Der hat, wie oben bereits erwähnt, überwiegend die eng verwandte 361-Anlage gespielt (später sah man ihn auch mit 330/320 Amps sowie der 408 4×15″-Box), welche sich laut Acoustic-Mastermind Russ Allee tonal vor allem durch eine deutliche Absenkung im Mittenbereich zwischen 200-300Hz unterscheidet.

Hier kommt der Graphic-EQ des 370 ins Spiel: Nimmt man die Slider für die entsprechenden Frequenzen ein Stück zurück, kommt man mit einem guten Jazz Bass dem Jaco-Sound nah wie nie. Sofort wird deutlich, dass hier auch die ungewöhnliche Box Sound-prägend ist, wobei der Großteil natürlich auch bei Jaco aus den Fingern kam. Insofern macht sicher auch diese Anlage aus einem Lemmy keinen Pastorius … Das vielleicht beeindruckendste ist am Ende die Praxistauglichkeit dieses über 40 Jahre alten Bestecks. Obwohl der Ton zu jedem Zeitpunkt durch und durch charaktergeladen ist, verfehlt er nie sein Ziel, unterschiedlichen Stilistiken gerecht zu werden. Je nach Kontext stellt sich eigentlich nur die Frage: mit oder ohne Bright? Den Rest macht der hervorragende Dreiband-EQ und falls das nicht reicht, gibt es ja immer noch den erstaunlich musikalischen Graphic-EQ …

Das Erbe

Acoustics 371-Turm gehört sicher zu den aufregendsten und klangstärksten Anlagen der 70er-Jahre und setzt auch heute noch Maßstäbe, wenn es um einen charakterstarken Oldschool-Sound jenseits von glatten HiFi-Klängen geht. Zu schade, dass die einstigen Kult-Stacks Anfang der 80er von der Bildfläche verschwanden – als Grund wird häufig die unübersichtliche Produktpalette mit zahlreichen technisch überladenen Modellen angeführt, die sich zu wenig an den tatsächlichen Bedürfnissen der Nutzer orientierten. Gebrauchte Acoustic-Topteile und -Boxen werden selten über € 400 gehandelt – da ist unsere 371- Kombi mit einem Gesamtwert von ca. € 1000 noch die teuerste (weil gesuchteste) Anlage.

Gemessen an Klang und Qualität bekommt man mit diesem Stack immer noch ein nahezu konkurrenzloses Schnäppchen geboten, zumal der 370-Amp mit seinem schmatzigen, zeitlosen Sound an jeder Box begeistert. Zuletzt hinterlässt Acoustic auch im Hier und Jetzt deutliche Spuren: Russ Allee und sein Kollege Steve Rabe haben Firmen wie AMP (Amplified Music Products) und SWR gegründet und waren bei der Entwicklung diverser Eden-Boxen sowie der World-Tour-Serie involviert. Der Name Acoustic Amplification ist mittlerweile in chinesischer Hand und steht für niedrigpreisige Standard-Designs, die nichts mehr mit den ursprünglichen Modellen der 60er- und 70er-Jahre zu tun haben.

Parallel existiert eine weitere Firma mit dem Namen Acoustic USA. Hier bekommt man zu horrenden Preisen überarbeitete Versionen des 361- Stacks – made in USA versteht sich. Ob direkt oder indirekt: Es gibt also noch eine ganze Menge Acoustic da draußen …

Produkt: Gitarre & Bass 9/2022 Digital
Gitarre & Bass 9/2022 Digital
Im Test: Soldano SLO Mini +++ Harley Benton JJ-45OP und JP-45OP +++ Jensen Speakers Impulse Responses +++ Maybach Stradovari S61 „True Specs“ Masterbuild +++ LTD Phoenix-1000 +++ Epiphone B.B. King Lucille Bone White LTD & ES-335 +++ Keeley Electronics Halo Andy Timmons +++ Universal Audio UAFX Woodrow '55, Ruby '63 & Dream '65 +++ Baton Rouge X11S/FJE-AB Acoustic

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Wo kann ich so ein Teil kaufen?
    Gruß Eckart

    Auf diesen Kommentar antworten
    1. Hallo Eckart!
      Leider gibt es die alten Acoustic Sachen nur noch gebraucht.
      Am häufigsten tauchen sie in den Ebay-Kleinanzeigen oder direkt bei Ebay auf.

      Beste Grüße!
      Stefan

      Auf diesen Kommentar antworten
  2. Aus Altersgründen (66)und weil er mir zu schwer ist wollte ich mich von meinem 371er trennen. Wer Interesse hat: 0281/63512

    Auf diesen Kommentar antworten
    1. Hallo Winfried, hast Du das 371 Set schon verkauft?
      hatte es früher (70/80) und will es wieder spielen . .
      Grüsse aus Oldenburg
      uwe maria werner

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  3. I am the proud owner of the 371 in these pictures. Just one question: how do you remove the front of the speaker cab? It has started to rattle and I need to get inside- but how? Danke und Grüße

    Auf diesen Kommentar antworten
    1. Hey Graeme!
      When you remove both grill-cloths (they sit very tight), you can see the black screws holding the frontplate. Just unscrew these, take the frontplate off and you’re ready to go.
      Best regards!
      Stefan

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