Q&A of today: Was ist mit dem Lack des Halses genau los und gibt es ein brauchbares Gegenmittel?

Klebriger Hals einer Gibson-Akustik

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Q: Mit dem Kauf einer Gibson Songwriter Studio Deluxe ging der lang gehegte Wunsch nach einer hochwertigen akustischen Gitarre in Erfüllung. Nun ist mir aufgefallen, dass bereits schon nach kurzer Spielzeit die Rückseite des Gitarren-Halses sich total klebrig anfühlt. Man wird richtiggehend gebremst, was der Spielfreude der an und für sich spitzenmäßig tönenden Gibson massiv Abbruch tut.

Gibson
GIbson Songwriter

Nun habe ich in Foren vom so genannten SNS gelesen, dem “sticky neck syndrom”, und musste feststellen, dass noch viele andere Besitzer von Gibson-Gitarren das gleiche Problem haben wie ich. Nun meine Frage: Was ist mit dem Lack der Gitarre genau los und vor allem, gibt es ein brauchbares Gegenmittel, das der Qualität der Gitarre nicht schadet? In den Foren werden teilweise die abstrusesten Methoden beschrieben, um dieses klebrige Gefühl zu entfernen.

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Jean K.

 

A: In der Tat: Eine schöne Gitarre, die Gibson Songwriter. Aber auch diese kämpft, wie praktisch alle nitrolackierten Gitarren, mit diesem klebrigen Hals. Dieser Lack ist ein ein Einkomponenten-(Nitro-)Lack. Die Aushärtung erfolgt nicht chemisch mittels Härter wie bei einem modernen Zweikomponentenlack, sondern durch Verdunstung der im Lack enthaltenen Lösungsmittel. Vor “hart” ist dann eben “feucht” und danach kommt “klebrig”. Wurde der Lack mit wenigen Schichten sehr dick aufgetragen, können die Lösungsmittel aus den tieferen Lackschichten nur sehr schlecht durch die darüber liegenden Lackschichten ausdünsten. In diesen Fällen bleibt der Lack für viele Jahre klebrig. Bei besserer Lackierung mit dünneren Schichten, die genug Zeit zwischendurch zum Austrocknen haben, dauert das nur wenige Jahre, bis der Lack tatsächlich richtig hart wird.

Irgendwie sind heutige Gitarristen etwas ungeduldig – und nicht alle möchten verständlicherweise auf fernöstliche, dick und mit Zweikomponenten-Lacken versiegelte Massenware ausweichen. Dazu kommt noch, dass moderne Einkomponenten-(Nitro-)Lacke nicht mehr mit einem hohen Anteil von schnell flüchtigen Lösungsmitteln hergestellt werden, wie das in den 1950er bis 1970er Jahren noch der Fall war. Das alte, schnell trocknende Zeug ist einfach viel zu giftig und daher per Gesetzgeber verboten worden.

Schwierig wird es mit Handschweiß. Je nach Gitarristen-Typ ist dieser in der Zusammensetzung, aber auch der Menge unterschiedlich. Auf jeden Fall reagiert der Lack damit und bildet mehr oder weniger schnell eine ziemlich klebrige Schmutzschicht, die im Laufe der Jahre schon auch mal auf 0,5mm und mehr anwachsen kann, wie manch eine Vintage-Gitarre zeigt. Poliert man diese Schicht herunter, wird alles wieder schön glänzend und rutschig – bis zum nächsten Schmutzkleberbefall. Zum Polieren kann man das extrem feine Schleifleinen von Micromesh benutzen. Leider ist dieses Schleifleinen schnell verklebt. Besser nimmt eine Lackpolitur. Nigrin Autopolitur (Art.-Nr. 72940) für alte, verwittere Lacke (aus dem Baumarkt – aber NUR mit dieser Bezeichnung!) wäre die billigste Variante (ca. 6 bis 8 €). Etwas kräftiger polierend und reinigend ist das im Musikgeschäft erhältliche Restore-Polish Step 1 von Planet Waves, welches man zum Abschluss noch mit dem Dunlop 65 Cream of Carnauba veredeln kann. Zur Schlussveredelung  gerade bei Klebrigkeit der Hälse hat sich das Gibson Hi Gloss Guitar Polish bewährt. Also zuerst den Hals reinigen (mit dem gröberen Polish-Mittel), dann das Gibson-Polish drauf – und das Ding flutscht wie nie zuvor.

Nach dem Spielen nicht vergessen: Den Hals inkl. Saiten und den Korpus mit einem feinen Mikrofasertuch abreiben und die Gibson-Politur immer mal wieder auftragen. Nach Auskunft von Gibson soll nur dieses eine Mittel helfen, sonst nichts! Und ich muss bestätigen, dass mir selbst noch nichts Besseres untergekommen ist. Irgendwie erinnert mich der Geruch an Mutters uralte Möbelpolitur, die mindestens 50 Jahre alt ist und mit der sie zu meiner Jugendzeit die damals üblicherweise in Nitro lackierten Möbel einmal wöchentlich bearbeitet hat.

 

Sollte auch das nichts helfen und dein Handschweiß eine dauerhaft klebrige Verbindung zum Hals deiner Gibson eingehen, dann muss halt der Lack ab und der Hals geölt werden, was freilich eine optische Beeinträchtigung ist! Eine weitere Alternative wäre ein Anschleifen des Lacks nur im Griffbereich und anschließend matt überlackieren. Denn matter Nitro-Einkomponentenlack flutscht aufgrund seiner Plastikbestandteilchen super gut. Optisch ist diese Variante deutlich besser. Aber mit Hochglanzlacken kommst du nicht weiter. Denn auch einen harten Zweikomponentenlack, der meist glatt und so gut wie niemals klebrig ist, kann man nicht auf den weichen Nitrolack lackieren.

 

Produkt: Gitarre & Bass 7/2022 Digital
Gitarre & Bass 7/2022 Digital
IM TEST: Guild Surfliner +++ Mooer GTRS +++ Gibson G-45 und G-Writer +++ Schecter dUg Pinnick +++ Blackstar St. James 50 6L6 +++ Line 6 DL4 MKII Delay +++ Walrus Audio Mako M1 +++ Markbass AG1000 +++ Genzler 4 on the floor & re/Q

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Dieser Ratgeber ist nicht korrekt und gefährlich. Nigrin 72940 enthält in hohem Maße Dimethicone (Position 6 der Stoffliste, gibt es dank REACH im Internet), das ist nix anderes als Silikonöl und wird einen Nitrocellulose Lack ruinieren. Auch Dunlop 65 enthält angeblich 1% Silikonöle, habe ich aber nicht geprüft.

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  2. Hallo Andreas,

    vielen Dank für Deine Kritik.

    Jedoch wünsche ich mir eine Erklärung, was ganz genau aus Deiner Sicht gefährlich sein soll.

    Dimenthicone sind ein auf Silikon basierendes Mittel, welches in der Hauptsache Kosmetika beigemischt wird. Z.B. in Creme, Duschgel, Haarshampoo und dort aufgrund der negativen Wirkung auf die Gesundheit umstritten ist. Im genanten Nigrin Lackreiniger ist dieser Stoff in der Tat auf der Firmeneigenen Nigrin Inhaltsliste an Position 6 deklariert. Jedoch ist der Volumenanteil nicht beziffert. Von daher ist die Aussage “in hohem Maße” solange mit einem Fragezeichen zu versehen, bis die Einsicht in die genaue Rezeptur erfolgt ist.
    Meines Wissens enthalten die Glanzpolituren von Nigrin in der Tat höhere Beimengungen von Silikon. Diese Polituren bringen auf dem Instrument nichts, auch, weil sie keine Abrasiven Bestandteile beinhalten und sind daher nicht geeignet.

    Aus meiner eigenen, langjährigen Erfahrung kann ich bestätigen, daß Nigrin 72940 Nitrolack nicht angreift und nicht beschädigt, solange dieser nicht über eine längere Zeit als die, die für die Politur selbst gebraucht wird, auf dem Lack verbleibt. D.h. die Politur wird in dieser kurzen Zeitspanne (ca. 5 bis 10 Minuten) den Lack nicht angreifen und nicht beschädigen. Das hat jedoch nichts mit Silikon zu tun, sondern mit eventuellen lösungsmittelhaltigen Bestandteilen. Sollte jemand andere Erfahrungen gemacht haben, so möchte er doch unter Vorlage von Bildmaterial bitte Berichten. Denn häufig werden Rezepturen im Laufe der Jahre verändert.

    Nigrin 72940 wird in diesem Beitrag deshalb genannt, weil es einfach zu bekommen und recht preisgünstig ist. Andere für Nitrolacke geeignete Polituren von 3M oder Farecla dagegen müssen im Lack-Fachgeschäft teuer eingekauft werden und sind dort auch meist in für Gitarren sehr großen Gebinden (ab 0,5L) erhältlich.

    Silikon selbst schädigt meines Wissens Nitrolack nicht. Ich lasse mich aber gerne eines besseren belehren und bitte hier um entsprechenden Quellennachweis.

    Unbestritten ist, daß Silikon selbst bei Neulackierungen teilweise unerwünschte Auswirkungen zeigt. Dort wo sich kleinste Partikel von Silikon auf dem Lack befinden, haftet ein erneuter Lackauftrag nicht. Es bilden sich sogenannte “Silikonkrater”. Das sind kleine, runde Stellen, etwa Stecknadelgroß, an welchen der Lack nicht haftet. Das aber betrifft grundsätzlich alle Lackarten, also nicht nur Nitro, sondern auch Acryl, Polyurethan usw. Ein Lackierer kennt die Problematik und trifft Vorkehrungen, wie z.B. die Verwendung von Lacken, die dafür weniger anfällig sind oder mischt entsprechende Mittel zu (Antisilikonzusatz). Auch wird bei einer Neu- oder auch Überlackierung (Overspray) der bestehende Lack zwingend angeschliffen, womit diese Problematik sowieso nicht mehr besteht. Aus meiner eigenen jahrzehntelangen Reparaturpraxis heraus habe ich bei Reparaturen, Z.B. Lackierung von Kopfplattenbrüchen) hinsichtlich Silikonproblematik jedoch keine Probleme.

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  3. So, nach langer Zeit (9 Monaten) endlich eine Antwort von mir als Urheber des ersten Kommentars: In der Tat konnte ich trotz intensiver Bemühungen keine Belege aufbringen, dass Silikonöle und Nitrocellulose Lacke nachteilige Verbindungen eingehen, ziehe meine ursprüngliche Aussage zurück und bitte den Autor um Nachsicht für den Angriff. Ich selbst bin eine Chemie-Niete und kann daher auch keine Analyse präsentieren. Ich bin in meinem Sticky-Frust wohl einer Fake News Ente aufgesessen. Damit dies keine weiteren Kreise zieht hier nun die Gegendarstellung.

    Ich interpretiere, dass in der Diskussion zwei Dinge zusammengeworfen wurden: Sticky Neck Probleme und Politurprobleme allgemeiner Art, so dass in der Legende die Aussage entstanden sein muss, dass der Sticky Neck DURCH die Politur entsteht (was wohl in Bezug auf Silikonöle so pauschal nicht korrekt ist). Was häufig beschrieben wird, ist die nachteilige Auswirkung auf folgende Lackierung oder spätere Lackkorrekturen, aber das wurde vom Autor ja oben ausführlich dargestellt, Paradebeispiel ist die Automobilindustrie, die ein komplettes Silikonverbot in der Produktion verhängt hat.

    Die Nigrin Politur habe ich inzwischen auf nicht-klebrigen Nitro-lackierten Gitarren angewendet, klebrig wurden sie dabei nicht. Anders herum ist es mir nicht gelungen, mit Hilfe der Nigrin Politur die eine klebrige Oberfläche dauerhaft zu ent-kleben.

    Noch eine Warnung aus eigener Erfahrung zum Gibson Pump Polish (Nachfolger des High Gloss Polish? Zumindest riecht es identisch!): Ich habe damit versucht, einen alten Hals mit angeblich 90er Nitro Overspray zu reinigen, der wurde dabei klebrig, und zwar so, dass das Pump Polish den Lack komplett gelöst hat, er ist nun weg (viel war ohnehin nimmer davon da …). Also im Zweifel am besten nur ein schwach angefeuchtetes Tuch nehmen!

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    1. Kleiner Nachtrag, nachdem André Waldenmaier und ich nun ein paar mal dazu hin- und hergemailt haben: Nach seiner Aussage ist Pump Polish nicht der Auslöser der oben am Ende beschriebenen Problematik, da es nach seiner Aussage definitiv keine einen Nitro-Lack anlösenden Substanzen enthält, vielmehr ist dann wahlweise davon auszugehen, dass
      a) der Schmutz unter Zugabe der Politur eine Klebepampe bildet, die mit einer abrasiven Politur abgetragen werden müsste, Pump Polish selbst macht das nicht
      b) kein Nitro Overspray, sondern irgend etwas anders (Schelllack, Wachs/Öl etc.) aufgebracht war, welches vom in der Politur vmtl. enthaltenen Reinigungsbenzin gelöst wurde
      Also unterm Strich – alles nicht so einfach, am besten den Fachmann fragen!

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      1. Den Fachmann fragen, am besten das zu behandelnde Objekt dort auf den Tisch legen, ist immer der beste und sicherste Weg. Denn dann kann das Instrument begutachtet und ggf. getestet werden. Auch geben die meisten Kollegen gerne mal den einen oder anderen Tipp, ohne gleich eine Rechnung zu stellen. Anschließend kann man immer noch entscheiden, ob man machen lassen, selber machen oder so wie es ist, belassen will.

        Im Fall der Telecaster von Andreas hat es sich letztendlich herausgestellt, dass das Overspray gar kein “Overspray” war, da vom vermeintlichen Overspray nach der Reinigung nur noch das blanke Holz übrig war. Ergo war da gar kein Lack unter dem Overspray. Das könnte also eine aufpolierte Schicht Hartöl, Öl&Wachs, Reste einer Schelllackpolitur oder irgend etwas anderes gewesen sein. Genaues weiß man nicht. Seine gemachte Erfahrung führte aber zum Verriss des Gibson Produkts, welches dafür gar nichts kann.

        Das Gibson Polish hat eine ölhaltige, auf Reinigungsbenzin basierte Rezeptur. Dieses kann keinen Nitrolack auflösen, da Reinigungs- oder auch Haushaltsbenzin chemisch nicht mit Nitrolack reagiert. Entweder wurde die Schmutzschicht angelöst – oder etwas, das gar kein Nitrolack war.

        Wer sich weiter in Sachen Aufpolieren von alte Gitarren vertiefen möchte, dem sei an dieser Stelle noch das Magazin Gitarre&Bass Special “Gitarren ABC” empfohlen. Dort wird ab Seite 99 vom Kollegen Klaus Deimel Schritt für Schritt Reinigung und Politur mit vielen Tricks und allerlei Hilfsmitteln erklärt.

        Hier der Link zur Seite: https://www.gitarrebass.de/workshops/gitarrenpflege/

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