Ein Kessel für allerlei Buntes

Vintage Guitar Stories: 1966 Gibson Barney Kessel Regular

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Barney Kessel war als Bandleader, Session-Größe und Sideman einer der versiertesten Gitarristen seiner Zeit. Die ihm entgegengebrachte Wertschätzung führte auch zu einer Reihe von Signature-Instrumenten.

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Bereits 1956 brachte Kay Musical Instruments eine kleine Serie von Gitarren unter dem Namen Barney Kessel heraus. Mit den Modellen Pro, Artist und Jazz Special wurden gleich drei Signature-Modelle vorgestellt, den prominenten Namen eingraviert in ein Lucite-Pickguard und ausgestattet mit Gold ‚K‘ Kleenex Box Pickups und ‚Full Kelvonator‘-Kopfplatte. Diese Kay-Kessel-Modelle wurden bis 1960 verkauft.

Anfang der 60er-Jahre kam es dann zur Zusammenarbeit mit der Gibson Company, die mit der Barney Kessel Regular und der höherwertigen Barney Kessel Custom zwei auffällig konstruierte Signature-Modelle präsentierte. Beide Versionen wurden von 1961 bis 1973 gebaut und verfügen jeweils über einen 17“-Korpus und Hälse mit gebundenem Palisandergriffbrett. Weitere gemeinsame Ausstattungsmerkmale sind zwei Humbucker mit individuellen Lautstärke- und Tonreglern plus 3-Wege-Schalter und das Barney-Kessel-Tailpiece. Die doppelten Florentine-Cutaways – ein Design, das zum ersten Mal bei den Barney Kessels zu sehen war und später auch bei Gibsons Trini Lopez Signature Verwendung fand – sorgen für eine markante Silhouette.

Von den beiden Kessel-Gitarren besitzt nur die Custom vergoldete Hardware und eine Tune-o-matic Bridge, die Regular bekam welche aus Nickel und eine Ebenholz-Bridge mit kompensierter Saitenauflage. Erstere hatte ‚Bowtie‘-Inlays, die Regular Parallelogramme im Griffbrett. Außerdem gibt es bei der Custom einen 2-teiligen, ab 1963 dann 3-teiligen Ahornhals, gesperrt über dünne Mahagonistreifen; die Regular kam immer mit einteiligem Mahagonihals. Abgerundet wird das Outfit der Custom dann noch durch eine Kopfplatteneinlage in Form einer Musiknote.

EIN KESSEL FÜR ALLERLEI BUNTES

Der Protagonist: Barney Kessels Karriere begann bereits in den 1940er-Jahren. Die elektrische Verstärkung steckte damals noch in den Kinderschuhen, die Gitarre war vornehmlich Begleitinstrument. Erst mit Charlie Christian sollte sich die Stellung der Gitarre im Ensemble ändern. Christian revolutionierte das Gitarrenspiel mit einer solistischen Präsenz, die einem Saxophon gleichkam. Von 1939 an im Benny Goodman Orchestra und später mit den Pionieren des Jazz Charlie Parker, Dizzy Gillespie und Thelonious Monk wurde er als Genie der elektrifizierten Gitarre gefeiert. Ein Vorbild für viele seiner Nachfolger, darunter Wes Montgomery, Herb Ellis, Jim Hall und nicht zuletzt Barney Kessel.

Als Kessel ein Konzert von Charlie Christian in seiner Heimatstadt Muskogee, Oklahoma sah und sogar mit ihm jammen durfte, veränderte diese Erfahrung sein Leben. Im folgenden Jahr schon ging er nach Los Angeles, jobbte zunächst als Tellerwäscher, schon bald aber war er Mitglied des Ben Pollack Orchestra, das die Bühnenshows von Chico Marx begleitete. Mitte der 1940er-Jahre spielte er bereits in den Swing-Bands von Benny Goodman und Artie Shaw. 1947 nahm er an einer legendären Aufnahme-Session mit Charlie Parker teil. Fünf Jahre später trat Barney Kessel zusammen mit Oscar Peterson und Ray Brown auf einer Welttournee mit Norman Granz’ Jazz At The Philharmonic auf. In den 1950er- und 1960er-Jahren sah man ihn in Fernsehshows, auch wurde er für Aufnahme-Sessions gebucht. Er wirkte bei den späten Verve-Recordings für Billie Holiday mit und arbeitete mit Ella Fitzgerald, Sarah Vaughan und Anita O‘Day. 1955 spielte er auf Julie Londons berühmter Version von ‚Cry Me A River‘. In dieser Zeit nahm Kessel auch eine Reihe Platten unter eigenem Namen für das Contemporary-Label auf. Er glänzte durch seine Arbeit im Trio mit Ray Brown und Shelly Manne und gewann bei Jazz-Polls mehrfach in der Kategorie Gitarre.

Mit seiner musikalischen Flexibilität war Kessel aber auch in der aufstrebenden Popszene der 60er-Jahre der Mann der Stunde. Er griff u.a. für Elvis Presley, Connie Francis, Dinah Washington und Sam Cooke in die Saiten. Auch auf Klassikern wie ‚Pet Sounds‘ der Beach Boys oder Hits wie ‚You‘ve Lost That Loving Feeling‘ der Righteous Brothers, ‚I Got You Babe‘ von Sonny und Cher und ‚I’m A Believer‘ der Monkees ist er zu hören. Ebenfalls war er 1968 an der Aquarius-Session für das Rockmusical ‚Hair‘ beteiligt.

In den späten 1960er-Jahren ging Kessel wieder auf Tournee, trat mit Jim Hall, George Benson und Larry Coryell in Europa auf. Zurück in Amerika arbeitete er mit am Soundtrack zu vier Elvis-Presley-Filmen, gründete mit Herb Ellis und Charlie Byrd das Trio ‚The Great Guitars‘ und widmete sich zunehmend dem Gitarrenunterricht. Ein Schlaganfall, den er 1992 auf einer Great-Guitars-Tournee erlitten hatte, beendete seine Bühnenkarriere. Barney Kessel starb im Alter von 80 Jahren am 6. Mai 2004 in San Diego/Kalifornien. Das vorliegende Regular-Modell aus dem Jahr 1966 verfügt über einen Hals-/Korpusübergang am 17. Bund. Bis 1963 war der noch am 14. Bund zu finden.

Auch wurde die Decke aus laminierter Fichte 1965 durch eine aus gesperrtem Ahorn ersetzt. Diese spätere Ausführung ist klanglich fraglos von ihrem „all-maple body“ geprägt. Ihre akustischen Sounds kommen entsprechend präsent und mit perkussiver Anschlagsumsetzung zum Ohr. Mit einer Sattelbreite von knapp 43 mm und angenehm weich verrundetem C-Halsprofil spielt sich dieses Instrument ganz hervorragend. Auch fühlt es sich entgegen seiner etwas sperrigen Optik klaglos komfortabel an. Im Grunde nicht anders, als andere Archtops mit 17“-Korpus und ca. 7,2 cm Zargenstärke auch. Am Verstärker wird das grundlegende akustische Klangbild mit charaktervoll offenem Ton und guter Perkussion umgesetzt. In der Zwischenpostion sind die Pickups out-of-phase geschaltet. Der ausgedünnte Sound ist schon speziell, aber man kann diese alternative Klangfarbe auch mögen. Barney scheint sein eigenes Modell übrigens nicht wirklich geliebt zu haben. Es gibt ein Platten-Cover (‚Workin’ Out!‘), aber ansonsten sind Bilder mit ihm und seiner Signature-Gitarre kaum zu finden.

STATISTIK

1963 wurden von der BK-Regular 154 und von der BK-Custom 43 Exemplare erstellt. Insgesamt gelangten 1117 Regular- und 739 Custom-Modelle zur Auslieferung. Mit einem Barney-Kessel-Modell erwirbt man eine opulente Gitarre. Die exklusive Double-Cutaway-Formgebung schränkt offenbar die Begehrlichkeit etwas ein, sodass gelegentlich eine Regular schon für € 6.000 zu finden ist. Für die Custom wird dagegen um die € 9.000 verlangt.


(erschienen in Gitarre & Bass 01/2024)

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