Vintage Guitar Stories: 1957 Gibson Les Paul TV Junior

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(Bild: Franz Holtmann)

Zwei Jahre nach Einführung der Les Paul Goldtop kam Gibson 1954 mit dem abgespeckten Modell Les Paul Junior heraus. Die schlichte Brettgitarre sollte sich schnell zur bestverkauften Electric der Firma in den 50er-Jahren entwickeln. 1955 bekam das Modell noch die heute gesuchte, da seltenere TV-Variante an die Seite gestellt.

Bereits 1954 ergänzte Gibson sein Solidbody-Programm um das Junior Single Cutaway „Economy“ Model mit nur einem P-90 Dog Ear in der Stegposition. Der auf das Wesentliche reduzierten Gitarre verschaffte man einen kräftigen Korpus aus Mahagoni mit immerhin gut verrundeten Kanten, dem aber die Deckenkonturen der „Deluxe“-Versionen Les Paul Standard und der etwa zeitgleich eingeführten Les Paul Custom fehlten. In den planen Korpus wurde ein aus Mahagoni gefertigter, einteiliger Hals mit ungebundenem Griffbrett aus Rio-Palisander eingeleimt. Wie die Goldtop aus diesem Jahrgang bekam auch die Junior ein einteiliges Wraparound-Tailpiece.

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Ansonsten sind an profanen Ausstattungsdetails nur noch die einfachen Kluson 3+3 Strip Tuners und das einfache schwarze Pickguard zu erwähnen. Das Junior-Modell wurde in Dark Mahogany, die Decke in traditionellem Sunburst lackiert und entwickelte sich wegen seines guten Preis-/Leistungsverhältnisses schnell zu einem Renner. In der Gibson-Preisliste vom September 1954 ist die LP Junior mit $ 99,50 gelistet, die Standard kostete im Vergleich dazu schon $ 225, die Custom (damals noch Deluxe) gar $ 325.

Ende 1955 gesellte sich dann noch die Les Paul TV in einer speziellen beige-gelben Farbgebung zum bereits erfolgreich eingeführten Student Model. Parallel dazu kam auch noch die Les Paul Special auf den Markt, ebenfalls mit dem „Limed Mahogany Finish“ versiegelt, eine Farbe, mit der man wohl Kapital aus den damals populären Les Paul & Mary Ford TV Shows ziehen wollte. Die Special brachte es auch noch auf achtbare Produktionszahlen, aber das TV-Junior-Modell gehört heute nicht ohne Grund zu den eher selten zu findenden Gibson-Gitarren.

Mitte 1958 führte Gibson bei der Les Paul Junior dann schon das neue Double-Cutaway-Design ein, welches dank seines Hals-Korpusübergangs am 22. Bund einen verbesserten Zugang zu den hohen Lagen versprach. Vom Cutaway abgesehen blieben die Korpusdimensionen gleich, aber die Farbe wechselte von Sunburst zu Cherry Red und das schwarze Plastik-Pickguard wurde durch eines aus Tortoise ersetzt. Anfang 1961 wurde die kurzlebige Double-Cutaway-Variante durch das flache SG-Korpus-Design abgelöst und gegen Ende 1963 verschwand dann auch der Name Les Paul auf den SGs.

LP-TV-Junior-Protagonist Keith Richards hat in jungen Jahren bereits Junior-Modelle gespielt, und natürlich sind verschiedene Versionen in seiner umfangreichen Sammlung zu finden. Live sieht man ihn seit Anfang der 70er-Jahre und in den letzten Jahren sogar verstärkt immer wieder und wohl nicht ohne Grund mit TVSingle-Cut- und TV-Double-Cut-Juniors. Bei Songs wie ‚Midnight Rambler‘, ‚Out of Control‘ oder ‚Sympathy For The Devil‘ gehören sie zu seinem Standard-Repertoire an Bühnengitarren.

(Bild: Franz Holtmann)

„BLONDES HAVE MORE FUN“

Das an dieser Stelle abgebildete Gibson-Les-Paul-TV-Modell wurde 1957 gebaut, dem mit 552 Ausga – ben erfolgreichsten Produktionsjahr der TV Junior. Die Gitarre befindet sich im absoluten Originalzu – stand mit einem angenehm rundlich profilierten Hals und gerade noch spielbaren Spaghetti-Bünden im fetten, braunen Griffbrett aus Rio-Palisander.

Die Knöpfe der noch gut laufenden Mechaniken sind allerdings stark geschrumpft, Repros von All – parts wurden montiert, die Originale im zugehörigen Chipboard-„alligator skin“-Case deponiert. Das sehr gut erhaltene Limed Mahogany Finish der TV Junior weist ein attraktives Weather Checking mit feinem Crackling auf und abgesehen von ein paar Spielspuren und Kratzern ist das Instrument in Bestform.

Erstaunlich, mit welch starker elektrischer Performance diese nette kleine Gitarre dann auftritt. Der Dog-Ear-Singlecoil-Pickup hat 7,8 kOhm Widerstand – angeblich wurden in Junior-Modellen gezielt Tonabnehmer mit hohem Output verbaut – was allein seinen umwerfenden Tontransport aber nicht erklären kann. Die Junior-Konstruktion ohne Pickup-Fräsung hinter dem tief eingesetzten Halsfuß (der Korpus bleibt dort massiv), sorgt für fetten Ton und üppiges Sustain. Beste Bedingungen für jenen kraftvollen Rock-Sound also, dessen Relevanz sich erst lange Zeit nach dem Bau der Gitarre erschließen sollte.

Aus dem einstigen Schülerinstrument wurde im Laufe der Zeit eine ikonische Rock-Gitarre, da das abgespeckte Konzept im Prinzip auf bewährte Konstruktionsweisen und auch auf genau die Materialien zurückgriff, welche selbst bei den teuren Gibson-Modellen Verwendung fanden, vor allem also Honduras-Mahagoni und Rio-Palisander. Auf legalem Wege kommen mit Rio-Palisander ausgestattete Instrumente nicht mehr ins Land und bereits hier befindliche müssen ein entsprechendes, mit Herkunftsgutachten unterlegtes und von der zuständigen Umweltbehörde ausgestelltes CITES-Dokument vorweisen, will man sich damit in der Öffentlichkeit zeigen oder reisen.

STATISTIK

Von der Single-Cutaway-TV-Variante wurden in Kalamazoo insgesamt nur etwa 1600 Exemplare gebaut, im Gegensatz zu 11.300 Versionen der Single-Cutaway-Junior in Sunburst. Die Preise am Vintage-Markt liegen demgemäß entsprechend hoch für das selten anzutreffende Instrument. In rundum originalem und unversehrtem Zustand wird jedenfalls kaum mehr eines unter € 12.000 angeboten.

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2020)

Produkt: Gitarre & Bass 5/2022 Digital
Gitarre & Bass 5/2022 Digital
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