Eine Reise in die Niederlande

Pawn Shop: Egmond Tempest

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Wer diese Kolumne aufmerksam verfolgt, wird eventuell ein gewisses Muster erkennen. Richtig – zum dritten Mal präsentieren wir eine europäische Jazzmaster/Jaguar-Kopie in Sunburst aus den 60er- und 70er-Jahren. Die Ähnlichkeiten im Design sagen schon viel über den zeitgenössischen Geschmack aus, wie ich finde.

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Dieses Mal stoßen wir weiter nach Westen vor, und zwar in die Niederlande. Dort, im beschaulichen Valkenswaard, gründete ein gewisser Uilke Egmond im Jahr 1932 einen Musikalienladen und begann mit dem Import von Geigen aus Osteuropa. Bald siedelte das Geschäft nach Eindhoven um, und Egmonds Söhne stiegen mit ein. Als während des Zweiten Weltkriegs der Import versiegte, begann die Familie selbst mit der Produktion von Instrumenten. Bis in die 1960er-Jahre sollte das Unternehmen auf 80 Mitarbeiter und einen angeblichen Ausstoß von 2000 Gitarren pro Woche anwachsen!

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Seltsame Logo-Anordnung

Wie auch die Gitarrenfirmen in anderen europäischen Ländern, geriet Egmond in den frühen 70er-Jahren in schwieriges Fahrwasser. Obwohl sehr viel billiger in der Produktion als die amerikanischen Marken, wurden die Holländer von den neuen asiatischen Herstellern im Preis noch deutlich unterboten – der Absatz, vor allem in die USA, brach ein. Bis 1983 hielt sich Egmond mit Auftragsarbeiten, z. B. für C.F. Martin (Vega-Serie) über Wasser, doch dann war Schluss – eine traurige Analogie zu den deutschen Herstellern derselben Ära. Heute liegen die Rechte an der Marke bei einer kanadischen Firma, doch eine geplante Wiederauflage einiger Modelle wurde nach dem Tod des Designers 2011 gestoppt.

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Elegantes 60s Schlagbrett-Design

Früh erkannte Egmond den großen Bedarf an Gitarren gerade auf dem britischen Markt, und so landeten (dort als „Rosetti“ gelabelte) Exemplare in den Händen von George Harrison, Brian May und Paul McCartney. Ob die uns vorliegende Tempest von 1968 von irgendwelchen Celebrities gespielt wurde, ist mir nicht bekannt – eine coole Gitarre ist sie allemal, und wir wollen sie uns näher anschauen.

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Auch von hinten schnittig

Oberflächlich betrachtet folgt die Tempest dem Vorbild – in diesem Fall der Jaguar, denn auch die Holländerin weist eine Mensur von ca. 628 mm auf. Egmond begnügte sich aber nie mit der schnöden Kopie der US-Modelle, sondern bewies viel Eigenständigkeit. Auf dem elegant geschwungenen Schlagbrett prangen zwei super twangy Singlecoils, die über einen Drei-Wege-Rotary-Schalter bedient werden. Dazu Master-Volume und –Tone, mehr braucht es hier nicht. Die Brücke ähnelt unter dem Handschutz der des Originals, sitzt aber etwas höher, weshalb die Saiten auch bei Bendings nicht so leicht aus den Reitern hüpfen. Das liegt an dem sehr hoch in der Fräsung sitzenden Hals – einem typischen Merkmal, das sich aus dem Schlaggitarrenbau herleitet.

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Twangy Pickups

Wie immer bei Egmonds, zeigten die Holländer beim Griffbrett – es sieht mir nach Palisander aus – nicht so wirklich Motivation am Schleifgerät, denn die Oberfläche ist roh, was im deutlichen Kontrast zur ansonsten doch sehr ordentlichen Verarbeitung der Gitarre steht, die sich mit der westdeutscher Modelle dieser Zeit (siehe die Klira Kentucky im letzten Heft) durchaus messen kann.

Es gibt viele Egmonds mit eher rustikaler Fertigung, denn die Firmenpolitik der 1960er war immer „Quantität statt Qualität“. Nicht jedoch bei diesem Modell, was den Spaßfaktor beim Spielen auf der Tempest enorm erhöht – zwar bremsen die dünnen und niedrigen Vintagebünde auf dem recht stark gerundeten Griffbrett den modernen Spielfluss, aber die Holländerin ist auch nicht so widerspenstig wie so manche zeitgenössische Asiatin. Wie so oft sind es vor allem die Pickups, die unsere Pawnshop-Probandin richtig brauchbar machen – kehliger Twang im Gold-Foil-Stil ist hier Programm.

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Der Rotary-Switch ist von Volume- und Tonepoti nicht zu unterscheiden.

Egmond-Gitarren sind nicht so häufig auf den üblichen Online-Märkten anzutreffen – da es in Deutschland genügend eigene Anbieter gab, verbreiteten sie sich hierzulande nicht so stark. Allerdings ist auch die Nachfrage relativ gering, weshalb man für die Holländerinnen nur zwischen € 100 und € 300 berappen muss, für die qualitativ oft sehr mauen Schlaggitarren sogar weniger (aus gutem Grund). Wer eine Tempest oder ein Schwestermodell günstig ergattern kann, sollte aber zugreifen – je länger ich sie anschaue und auf ihr rumnudle, desto mehr schwinden meine guten Verkaufsvorsätze!

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(erschienen in Gitarre & Bass 10 / 2017)

Produkt: Gitarre & Bass 3/2023 Digital
Gitarre & Bass 3/2023 Digital
Im Test: Fender Je¬ Beck Stratocaster, E-Gitarre +++ König & Brüggen Juli, E-Gitarre +++ 48ers Loveliner, E-Gitarre +++ Rocktile Vinstage ST- und T-Style, E-Gitarren +++ Ibanez FRH10N-BSF, E-Nylonstring +++ Lakota DWG-5000 & DWG-6000, A-Gitarren +++ Schecter Corsair Bass, E-Bass +++ Ibanez SR5FMDX2-NTL, E-Bass +++ amp // box // fx // zubehör +++ Harley Benton Sugar & Spice, FX-Pedal +++ Blackstar Dept.10 Amped 2, Amp im Pedalformat +++ Solar Guitars Chug Pedal +++ Two notes ReVolt Bass, Preamp +++ Darkglass DFZ, Fuzz-Pedal +++ KHDK Gojira Drive, OD-Pedal

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Hallo ich habe auch eine egmond E-gitarre bin mir aber nicht sicher ob die was wert ist oder nicht bzw würde ich das gerne erfahren 🙂
    Ausserdem suche ich, falls sie noch funktionsfähig wäre, ersatzteile für diese Gitarre. Kennen sie jemanden der mir bei beiden Sachen helfen könnte ?

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    1. Wenn sie ganz und nicht verzogen ist,ist Egmond super.
      Habe eine 12 saitige von den Holländern.Der Hammer
      Gruss Bluesbrother

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  2. Brian May von Queen umd Georg Harrison von den Beatles lernten auf einer Egmond

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  3. Ich bekam Herzklopfen als ich das Bild sah. Genau dieses Modell war meine erste E-Gitarre, die ich mir vom ersparten Taschengeld für damals 290,- DM gekauft hatte. Ich habe noch das original Garantiezertifikat vom 30.4 1974. Die Gitarre selbst existiert leider nicht mehr. Die Qualität war nach heutigen Maßstäben (Tremolo, Tonabnehmer, Saitenlage usw.) grausig.

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