Wer hat den Punk erfunden?

Meilenstein 1976: Ramones

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Ramones
1976: Ramones (Bild: WARNER/ROBERTA, BAYLEY)

Es ist ein alter Disput unter Punk-Historikern: Wer hat den Punk erfunden und war zuerst da, die Ramones aus New York oder die Sex Pistols aus London? Unzweifelhaft lösten die Pistols mit ihrem einzigen Album 1977 die Punk-Welle in Europa aus. Allerdings brachten die Ramones den Rock‘n‘Roll bereits ein Jahr früher wieder auf Touren. Und letztlich noch früher, denn gegründet wurde die Band bereits 1974 in Forest Hills, einem Stadtteil von Queens/NY.

Es folgten zahllose Gigs in New Yorker Clubs, vorrangig im legendären CBGB, der Keimzelle des US-Punkrock und -New-Wave. Hier schärften Frontmann Joey Ramone (aka Jeffrey Hyman), Gitarrist Johnny Ramone (John Cummings), Dee Dee Ramone (Douglas Colvin) am Bass und Drummer Tommy Ramone (Tamás Erdélyi) in zahlreichen Gigs ihren Sound und ihre Attitüde.

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Was sie schließlich mit dem Debütalbum ,Ramones‘ am 23. April 1976 auf die Welt losließen, ist auch über vier Jahrzehnte später noch ein dickes Brett. Das eröffnende ,Blitzkrieg Bop‘ ist die Punkrock-Hymne schlechthin. Gitarre, Bass und Drums laufen schnell und gerade durch und über vier Akkorde singt Joey letztlich im überbordenden Stil eines Rock’n’Roll-Sängers der 50er, immer unterbrochen vom legendären „Hey, ho, let‘s go“. Ironische Anspielungen auf die 50er-Jahre tauchen auch im geradezu schmalzigen ,I Wanna Be Your Boyfriend‘ auf – im Vergleich zum schnellen Rest des Albums eine „Ballade“.

Ramones
Ramones live (Bild: WARNER/ROBERTA, BAYLEY)

Die Ramones spielten aufregende neue Musik, die im Kern minimalistisch war und in der Tradition des frühen Rock’n’Roll der 50er-Jahre und eben harter 60er-Bands wie MC5 und The Stooges. Und Joey Ramone provozierte mit düsteren Texten über Kettensägenmassaker, darüber, wie es ist, ein Nazi zu sein oder das Schnüffeln von Klebstoff. Nix mehr für Hippies, von Love & Peace keine Spur.

Gitarrensoli sind Fehlanzeige, stattdessen produzierte Johnny mit den Ramones einen ultrakompakten Band-Sound, in dem die Achtel des Gitarristen immer nach vorne treiben. In alten Live-Mitschnitten sieht man, wie er und Dee Dee die Saiten durchgängig von oben anschlagen (Downstrokes) – und dies eben in höllisch hohen Tempi! Und das machten die Ramones auf ihrem Debüt durchaus tight. Im Studio gab es keinen Clicktrack. Lediglich Tommy richtete sich nach der Lichtanzeige eines Metronoms, das er vor seinem Drumkit in Sichtweite aufgebaut hatte. Die Instrumente wurden in getrennten Räumen aufgenommen, später kamen der Gesang und weitere Gitarren hinzu.

Ramones
Im Studio (Bild: WARNER/ROBERTA, BAYLEY)

Geschwindigkeit ist die eine große Qualität des Ramones-Punkrock – die spiegelt sich auch darin, dass Bassist Dee Dee auf der Bühne jeden Song mit einem zackigen wie heute kultigen „One, Two, Three, Four“ anzählte.

Eine weitere Qualität die beim Hören des Albums deutlich wird, ist die Lautstärke. Auf der Bühne spielte Johnny Ramone über drei Marshall-Amps und fünf Marshall-4x12er-Boxen. Bassist Dee Dee setzte zwei Ampeg-SVT-Topteile ein, die über zwei Ampeg-8x10er-Boxen liefen. Legendär ist auch Johnnys schräges Gitarren-Design, das er all die Jahre spielte, eine seltener anzutreffende Mosrite Ventures Model Mk II. Genauso wie Dee Dees weißer Fender Precision Bass hing die Mosrite fast auf Kniehöhe – noch so ein optisches Markenzeichen!

Ramones
Legendäres Logo (Bild: WARNER/ROBERTA, BAYLEY)

Die Ramones waren damals der Gegenpol zu einer zunehmend ausgefeilter und bombastischer werdenden Rockmusik, die mit minutenlangen Soli, Hardrock-Riffs und verschachtelten Drum-Breaks daherkam. Mit einem rauen Sound und einer kompromisslosen Attitüde avancierten die Ramones vom Start weg zu einem der großen Idole des Punkrocks. Der Einfluss auf die gesamte Szene und in artverwandte Genres hinein ist bis heute spürbar und reichte auch bis England.

Motörheads Lemmy Kilmister outete sich des Öfteren als Fan und spielte später auch mit Johnny Ramone zusammen. Dass die Ramones, die 1976 durch England tourten, auch Johnny Rotten & Co beeinflusst haben, wird auf www.sexpistolsofficial.com offiziell bestritten. Spielt aber irgendwie auch alles keine Rolle, die Musikgeschichte haben beide verändert und sie inspirieren immer noch.

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(erschienen in Gitarre & Bass 04/2018)

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