Meilenstein

Meilenstein 1959: Chuck Berry Is On Top

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(Bild: CHESS RECORDS, UNIVERSAL, WISE PUBLICATIONS, BEAR FAMILY)

Ende der Fünfzigerjahre war Charles Edward Anderson Berry (18.10.1926 – 18.03.2017) auf einem vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere angekommen. Der Gitarrist und Sänger aus St. Louis, den alle nur „Chuck“ nannten, hatte neben vielen erfolgreichen Singles 1958 auch die Alben ,After School Sessions‘ und ,One Dozen Berrys‘ veröffentlicht. Im Juli 1959 erschien mit ,Chuck Berry Is On Top‘ ein Album, das aus heutiger Sicht so etwas wie die Essenz seines Schaffens darstellt.

Die Chess LP 1435 versammelte neben dem neuen ,Blues For Hawaiians‘ elf Songs von Single-A- und -B-Seiten, die zwischen 1955 und ‘59 entstanden waren. Darunter befand sich auch Berrys erste Single ,Maybellene‘, die 1955 Rang fünf der Charts belegte. Der schnelle wie swingende Mix aus Blues und Country war für die Zeit etwas radikal Neues. Doch heute dürften es in erster Linie schnelle Nummern wie ,Carol‘, ,Johnny B. Goode‘, ,Little Queenie‘ und das geradezu programmatische ,Roll Over Beethoven‘ sein, die mit Berry assoziiert werden.

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Ihr Markenzeichen schlechthin war jeweils das was man heute als „Chuck-Berry-Intro“ bezeichnen könnte, eine knackige Kombination aus bluesigen Einzelnoten und Doublestops. Typisch sind dann auch ab Band-Einsatz die energischen Unisono-Bends, die den Groove vorantreiben, bevor der Gesang einsetzt. Legendär sind in dieser Hinsicht die ersten zwölf Takte aus ,Johnny B. Goode‘. Die zeigen auch den großen Einfluss von T-Bone Walker. So kopierte Berry hier einige Licks seines großen Idols, die der Blues-Gigant etwa in ,Strollin‘ With Bones‘ (1950) gespielt hatte.

Auch die eher unbekannten Stücke des Albums wie ,Jo Jo Gunne‘ und ,Anthony Boy‘ boten den typischen Rock-&-Roll-Sound der 50er. Im swingenden ,Almost Grown‘ spielte sich Berrys langjähriger Pianist Johnnie Johnson mit rollenden Läufen nach vorne, zudem begleiteten hier The Moonglows mit mehrstimmigem Doo-Wop-Gesang. Als weiterer prominenter Weggefährte ist übrigens sehr oft Willie Dixon am Kontrabass mit dabei.

Schöne Compilation: Chuck Berry Rocks (Bild: CHESS RECORDS, UNIVERSAL, WISE PUBLICATIONS, BEAR FAMILY)

Das gemächliche ,Hey Pedro‘ mit seinen karibischen Einflüssen zeigte Berrys musikalische Offenheit. Auch ,Blues For Hawaiians‘ klingt exotisch, denn hier kann man Berry an der mit Slide gespielten Lap Steel erleben. Chuck Berry ist hauptsächlich bekannt für seine semiakustische Gibson ES-355. Daneben spielte er im Laufe der Jahre noch weitere ES-Modelle. In den Anfängen war dies hauptsächlich eine Gibson ES-350T, eine Thinline ohne Sustain-Block. Auf der Bühne setzte er zwei Fender Dual Showman Reverb Verstärker ein.

Mit diesen Instrumenten kreierte Berry einen neuen Klang und einen neuen Stil, der viele Wurzeln hatte. Aufschluss über seine Einflüsse gibt ein Interview mit dem US-Magazine Rolling Stone (2010). Hier antwortete Chuck auf die Frage, ob er sich als einer der Erfinder des Rock sehe Folgendes: „Nein. Da ist Louis Jordan. Da ist Count Basie. Nat Cole mit Sicherheit. Und dieser eine Typ, Joe Turner. Da sind Muddy Waters, Blue Eyes (Frank Sinatra) und Tommy Dorsey.“ Und weiter sagte Chuck: „Ich glaube ich habe meine Inspiration, meine Ausbildung und all dies von anderen, die vor mir kamen. Und ich fügte … ich weiß noch nicht einmal, ob ich überhaupt irgendetwas hinzugefügt habe. Ich spielte was sie spielten und ich nehme an, es klang anders.“

Über die große Bedeutung von Chuck Berry für die Entwicklung des Rock & Roll und schließlich der Rock- und Popmusik im Allgemeinen ist schon alles gesagt worden. Um dem nachzuspüren, ist ,Chuck Berry Is On Top‘ der passende Einstieg – letztlich das ABC des Rock & Roll, das sechs Jahrzehnte später immer noch mitreißt und inspiriert!

Das Album wurde mehrmals wiederveröffentlicht, wie z. B. die CD-Version (MCA) von 1993. Sie enthält acht Bonustracks, darunter die Knaller ,No Particular Place To Go‘ und ,Nadine (Is It You)‘. Letzteres wurde im November 1963 aufgenommen und stößt die Tür auf zu Berrys weiterer Karriere nach den so fundamentalen 50ern.

Einen kompakten Überblick (auch über die Hits der 60er) präsentiert die Compilation ,Chuck Berry Rocks‘ (Bear Family, 2011), die im schicken Digipak und mit dickem Booklet kommt. Wer das Feeling und die Besonderheit der Chuck-Berry-Alben nachempfinden möchte, hält Ausschau nach den Originalen. Zum Schluss noch der Tipp, dass ‚Chuck Berry 1926-2017‘ (Wise Publicatons/Music Sales, 2017) sehr gute Transkriptionen zu insgesamt 14 Klassikern bietet, von denen die Hälfte auf ,Chuck Berry Is On Top‘ zu finden ist.

Klasse Transkriptionen: Chuck Berry 1926-2017 (Bild: CHESS RECORDS, UNIVERSAL, WISE PUBLICATIONS, BEAR FAMILY)

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2019)

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