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Extended Range Guitars: Pros & Cons gefächterte Bünde

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(Bild: Simon Hawemann)

Auch wenn das Thema gefächerte Bünde (oder englisch: Fanned Frets) im Rahmen dieser Reihe bereits mehrfach angesprochen wurde, will ich mich dieses mal doch noch etwas eingehender mit diesem Konzept auseinandersetzen.

In den letzten Jahren konnte ich etliche Fanned-Fret-Gitarren testen. Und auch wenn vielen Custom Shops und populäre Gitarrenmarken häufig auf gewisse Standards zurückgreifen, gibt es doch diverse Unterschiede in der technischen Umsetzung.

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Ob es eine Formel für die perfekt gefächerten Bünde gibt, wollen wir heute herausfinden. Dabei gibt es viele zu berücksichtigende Faktoren: Wie weit ist der Fächer? Wo ist der parallele Bund/Scheitelpunkt? Was eignet sich besser fürs Rhythmusspiel und was fürs Leadspiel? Fragen über Fragen. Antworten gibt es hier und heute!

sinn und zweck

Warum haben gefächerte Bünde in den letzten Jahren und besonders im Extended-Range-Bereich eigentlich solch einen enormen Popularitätsschub erfahren? Die Antwort ist relativ einfach: Das Konzept der Multiscale-Konstruktion sorgt für eine verlängerte Mensur auf den tiefen Saiten, was wiederum zu einem strafferen Saitenzug führt, sodass die Frequenzen von Keller-Tunings transparenter und kontrollierter wiedergegeben werden. Das Patent für das Fanned-Fret-Konzept wurde bereits 1989 von Ralph Novak angemeldet, der bis heute die Rechte an dem Markenzeichen besitzt, weshalb viele andere Hersteller lieber von Multiscale-Instrumenten sprechen. Hinter beiden Begriffen verbirgt sich jedoch ein und das selbe Konzept.

So weit, so gut – eine Bariton-Gitarre kann das auch, oder nicht?! Jein. Denn bei gefächerten Bünden sind die hohen Saiten von der verlängerten Mensur weniger betroffen. Den Shredder unter euch sollte das entgegenkommen, denn Lead-Spiel und besonders Bendings gehen auf einer Gitarre mit Standard Mensur deutlich leichter von der Hand. Und gefächerte Bünde bieten beides: Eine Bariton-Mensur auf den tiefen und eine Standard-Mensur auf den hohen Saiten.

Damit bietet diese Konstruktionsweise Rhythmus- und Lead-Gitarristen eine enorm gute Kompromisslösung. Positive Nebeneffekte sind u.A. eine bessere Intonation und, zumindest für einige, eine angenehmere Ergonomie. Zweiteres hängt natürlich nicht nur von der genauen Umsetzung, sondern auch dem individuellen Geschmack des Gitarristen ab.

Bei der LTD M1008 hat die Fächerung der Bünde besonders
in Richtung Sattel einen sehr humanen Winkel.
(Bild: Simon Hawemann)

der teufel steckt im detail

Nachdem sich gefächerte Bünde in der Extended-Range-Szene dank vieler innovativer Custom Shops schon stetig etablieren konnten, mussten natürlich auch die großen Marken früher oder später auf den Zug aufspringen. Wenn ich mich recht entsinne, war die erste Multiscale-Gitarre die ich je probiert habe die Ibanez RGIF7. Diese war 2015 eines der ersten in großer Stückzahl gefertigten Serienmodelle mit gefächerten Bünden. Wie so viele siebensaitige Gitarren mit Fanned Frets, kam auch die Ibanez RGIF7 ab Werk mit einer Mensur von 27“ auf der tiefsten und 25.5“ auf der höchsten Saite. Dies ist ein etablierter Standard der durchaus Sinn ergibt, da er die klassische Fender-Mensur mit einer typischen Bariton-Mensur kombiniert.

Die Ergonomie des Fächergriffbretts ist übrigens davon abhängig, wo der parallele Bund (Scheitelpunkt) positioniert ist – und genau hier haben Ibanez eine Entscheidung getroffen, die durchaus polarisiert: bei ihren Multiscales sitzt selbiger Bund nämlich in der 12. Position. Der Nachteil dieser Positionierung liegt vor allem darin, dass die Fächerung in den tiefen Lagen zu einem sehr steilen Winkel führt. Das macht das Rhythmusspiel eher unkomfortabel und widerspricht ein Stück weit dem ergonomischen Anspruch, der Multiscale Gitarren zumeist schon pro Forma zugesprochen wird. Punkten kann Ibanez‘ Scheitelpunkt-Position jedoch mit einem besonders milden Winkel in den oberen lagen, was vor allem Shreddern und Flitzefingern entgegenkommt.

Das dramatischste Gegenbeispiel dazu dürften übrigens die Fanned-Fret-Modelle von ESP/LTD Guitars sein. Bei diesen sitzt der Scheitelpunkt im 5. Bund, was zum Sattel hin für einen sehr geringen Winkel sorgt und sich somit für Rhythmusgitarristen sehr natürlich anfühlen dürfte. Der Haken an der ganzen Sache ist, dass sich der steile Winkel schlichtweg zur Brücke verschiebt – auch hier muss man also seine Spielweise anpassen. Besonders Palm Mutes müssen mit einem etwas unkomfortabel angewinkelten Handgelenk gespielt werden. Je extremer der Winkel an der Brücke, desto unnatürlicher ist also auch die Position des Handballens beim dämpfen der Saiten. So richtig ideal ist diese Variante also auch nicht für alle Spieler.

Die Custom Shops und Gitarrenschmieden, die sich an der physischen Mitte des Griffbretts orientieren, landen in der Regel im 9. Bund und erzielen somit am Sattel und am 24. Bund ungefähr den gleichen Winkel. Neben der häufig verbauten 27“-25.5“-Mensur ist das ein Standard, der sich weitestgehend etablieren konnte. Damit ist das Griffbrett an sich jedenfalls sehr ausgewogen gefächert.

Als Gitarrist kommt man aber dennoch nicht drum herum, auszuprobieren, was einem hier am ehesten liegt. Ich persönlich bin mit keiner Lösung so richtig warm geworden. Ich hatte zwei Kiesel-Multiscale-7-Strings mit einem 9. parallelen Bund und habe mich trotzdem nicht wahnsinnig wohl mit dem daraus resultierenden, durchaus wohl ausbalancierten Fächer gefühlt. Sind gefächerte Bünde für mich damit erledigt?

Die koca lightmare 7ff hat mit einer 28“-27“-Mensur einen sehr milden Fächer. Der parallele Bund sitzt hier in der 7. Lage. (Bild: Simon Hawemann)

koca lightmare 7ff

Einen letzten Versuch wollte ich doch noch wagen! Und dieser bot sich, als mir der lokal ansässige Gitarrenbauer Erdem Koca das Angebot machte, mir eine Multiscale exakt nach meinen Vorstellungen zu bauen. Ich gestand Erdem, dass ich Gitarren mit gefächerten Bünden bisher nie für besonders komfortabel empfunden habe und dass mir die Vorteile gegenüber normalen Bariton-Gitarren auch langfristig nie groß genug gewesen sind. Aber Erdem war überzeugt, dass wir die für mich perfekte Multiscale entwerfen könnten – und da ein solcher Prozess immer spannend ist und außerdem eine Menge Spaß macht, konnte ich nicht widerstehen.

Wie also könnte ich das Konzept gefächerte Bünde für mich optimieren und das Maximum aus einer solchen Konstruktionsweise herausholen? Zunächst mal entschied ich mich für sieben Saiten und eine sehr geringe Fächerung von nur einem Zoll. 28“ auf der tiefsten und 27“ auf der höchsten Saite sollten es werden. Warum? Ich spiele normaler Weise 27“-Bariton 7-Strings und kann dank meinem sehr tiefen Tuning daran eigentlich nur folgende Schwäche erkennen: Für meine tiefe F-Saite sind 27“-Mensur nicht das Optimum.

Ich benutze für dieses Tuning eine .75er-Saite, da diese für mich den besten Kompromiss aus Klang und Spielgefühl bietet. Da ich ein paar Jahre zuvor allerdings mal eine 28“-Achtsaiter getestet habe und den Saitenzug auf dieser für das tiefe F als absolut perfekt empfand, fiel mir die Entscheidung leicht.

Die Kiesel AM7 hat den Scheitelpunkt im 9. Bund und stellt grundsätzlich einen guten Kompromiss für Rythm- und Lead-Player dar. (Bild: Simon Hawemann)

Zu guter Letzt musste ich mich also für die Position des parallelen Bundes entscheiden. Glücklicherweise konnte Erdem Koca mir dank einer Auswahl an technischen Zeichnungen mit verschiedenen Parallel-Bund-Positionen an dieser Stelle ausgezeichnet weiter helfen. Dank meiner bisherigen Erfahrung mit Multiscales und mithilfe eines gesunden Augenmaßes, entschied ich mich schlussendlich für den 7. Bund.

Im Zusammenspiel mit der ausgewählten Mensur und dem kleinen Fächer von nur 1“, erlaubte uns diese Wahl auf eine feste Hipshot-Brücke mit einem Winkel von lediglich 11° zurückzugreifen. Und um zu verdeutlichen wie vertretbar dieser Winkel ist: Hipshot Brücken für Gitarren mit gefächerten Bünden gibt es bis zu einem Winkel von 26°.

Nach einer Wartezeit von ein paar Monaten hielt ich endlich das Resultat in den Händen. Und hält die Feinjustierung des Multiscale-Konzepts das, was ich mir von ihr versprochen habe? Die kurze Antwort ist: Ja! Alles in Allem ist dies die bisher komfortabelste Fanned-Fret-Lösung, die ich je gespielt habe. Der Winkel am Sattel und auch der 11°- Winkel an der Brücke machen sich gut, auch wenn ich nach wie vor das Problem habe, die Position meines Handballens etwas umständlich anpassen zu müssen, um saubere Palm Mutes zu spielen.

So richtig spielt die Koca Lightmare 7FF ihre Stärken auf der tiefsten Saite aus. Geradezu Piano-artig straff knallt das tiefe F dank der 28“-Mensur aus den Boxen. Bei all den Gedanken zur Ergonomie und dem Spielkomfort ist das trotzdem das echte Highlight für mich!

Die Ibanez RGIF8 hat den Scheitelpunkt im 12. Bund und ist damit eher was für Shredder. (Bild: Simon Hawemann)

fazit

Machen wir es kurz und knapp: Den perfekten Mittelweg gibt es bei dieser Konstruktionsart meiner Erfahrung nach nicht. Je nach Spieler, Spielart, Technik und ja, Physik, variieren die „Sweet Spots“ von Multiscale-Gitarren schlicht und ergreifend. Wer einen möglichst dramatischen Querschnitt aus den verschiedenen Variationen gefächerter Bünde testen will, sollte am besten die LTD M-1007, Schecter C-7 Multiscale, Kiesel AM7 (oder Ähnliches) und eine Ibanez RGIF7 testen. Die verschiedenen Parallel-Bund Positionen dieser Gitarren sollten euch dabei helfen festzustellen, in welcher Ausführung gefächerte Bünde mit eurem Spielstil am ehesten kompatibel sind.

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Hi Simon,vielen Dank für die interessante Information/Abhandlung.
    Hab mir spaßhalber so ein Ding gekauft.Werde aber nicht shreddern,sondern gemäßigte Sachen komponieren.Spiele auch Konzert,Steel,FloydRose etc.und meine, jedes Teil hat seine Berechtigung.Eine Klampfe für alle Zwecke
    wird schwer zu finden sein.

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  2. Sehr interessanter Beitrag, der genau meine Erfahrungen bestätigt. Daher spiele ich am liebsten Gitarren mit einem milden Multiscale und dem Parallelbund an der Position 0, also dem Halsende. Dies findet sich bei der Strandberg Boden Standard Gitarre. So hat man beim Rock’n’Roll Strumming ein normales gewohntes Handling und bei den Soli in den hohen Lagen scheint die Verschränkung genau zu der sich ändernden Winkelstellung der Finger zu passen. Absolut optimal, gefühlt im Schnitt insgesamt komfortabler als mit einer Standardmensur.

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