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Blues Bootcamp: Auf ein Tänzchen – Moll-Blues in 6/8
von Peter Fischer, Artikel aus dem Archiv
Greetings and salutations, my dearest blues friends! Wow. Schon 25 Folgen Blues Bootcamp – astrein! Und an dieser Stelle mal ein großes Dankeschön für das nette Feedback auf die vorherigen Folgen. Wie wäre es denn mal mit einem kleinen Tänzchen, so zur Feier des Tages? Nein? Danke. Puh – Glück gehabt! Wobei … wenn ich ehrlich bin, habe ich in meinem Leben einfach VIEL zu wenige Songs komponiert, die nicht im 4/4-Takt geschrieben sind. Das ist eigentlich echt schade, dachte ich mir, und habe es einfach mal probiert.
Es gibt ja eine Reihe sehr hübscher Jazz-Standards, die im 3/4- oder 6/8-Takt komponiert sind. Die bekanntesten dürften ‚Bluesette‘, ‚Some Day My Prince Will Come‘, ‚Footprints‘ oder ‚All Blues‘ sein, von denen es auch zahlreiche Versionen von bekannten Gitarristen gibt. Beim Komponieren hatte ich mir vorgenommen, verschiedene Elemente miteinander zu verbinden: Es sollte im 6/8-Takt sein, es sollte in Moll sein, ich wollte modern klingende Akkorde verwenden, aber auch einige möglichst dramatisch klingende Akkordverbindungen, die sich etwas von einer normalen 12-Takt-Form unterscheiden.
Das Ergebnis ist ‚Stuck In The Fourth Season‘ von meinem Album ‚Retro Jazz‘. Im Gegensatz zu einem regulären Mollblues, ist die Form etwas verlängert. Nach den üblichen ersten 10 Takten verlasse ich die gewohnte Form und hänge noch ein paar Takte mit möglichst dramatisch klingenden Akkorden an. Besonders der in den Takten 11 und 15 vorkommende Fm6 und der Am7b5 in Takt 14 klingen sehr effektiv dafür. In Beispiel 1 findest du die 16-taktige Form des Stückes.
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MILES-DAVIS-STYLE-AKKORDE
Anstelle von normalen Moll- oder Moll7-Akkorden, benutze ich diesmal moderner und offener klingende Moll11-Akkorde, wie man sie auch in dem bekannten Miles Davis Standard ‚So What‘ vom ‚Kind Of Blue‘-Album findet. Die Rückung von Cm11 nach Cm13 (Dm11/C) bzw. später von Fm11 nach Fm13 (Gm11/F) erzeugt durch die große Sexte in dem nach oben gerückten Akkord einen dorischen Sound und klingt wirklich modern, offen und cool, finde ich.
DER MAGISCHE AKKORD
In Takt 16 gibt es dann endlich mal wieder einen „Magic Chord“. Vielleicht habe ich in den letzten 24 Episoden noch nicht genug von der Klangmagie des 11er-Akkords geschwärmt. Ganz korrekt heißt dieser Akkord ja eigentlich Dom7/9/sus11, was bedeutet, dass es sich dabei um einen um die None und Undezime erweiterten Dom7-Akkord handelt, bei dem die Terz ausgelassen wird, da es sonst zu in der Regel unerwünschten Reibungen mit der Quarte (Undezime) kommen würde. Umgangssprachlich wird dieser Akkord aber eigentlich immer nur 11er genannt. In der Praxis wird dieser Akkord aber auch meist ohne die Quinte gespielt.
Betrachtet man ihn dann mal genau, erkennt man, dass es sich – in unserer Tonart – um einen F-Durdreiklang mit G als Basston handelt. Daher wird dieser Akkord auch sehr oft in der Slash-Chord-Schreibweise F/G bezeichnet. Diese Schreibweise ist einerseits zwar sehr praktisch und was Greifmöglichkeiten betrifft auch sehr eindeutig, sie „verschleiert“ allerdings auch etwas um welchen Akkordtyp es sich wirklich handelt.
Vom Sound her ist sie eigentlich so etwas wie eine Geheimwaffe zum Aufhübschen von Akkordverbindungen. Man kann mit dem 11er jeden Dom7-Akkord in jeder Akkordfolge ersetzen – es klingt SOFORT „teurer“ und moderner und das nicht nur im Jazz, sondern auch sehr gut in Pop und Rock. Es gibt unzählige Popsongs, in denen man diesen Kniff finden kann. Daher wird dieser Akkord auch gerne als die „Pop-Dominante“ bezeichnet.
In Beispiel 2 findest du einige populäre Voicings für diesen Akkord.
In Beispiel 3 findest du eine Akkordbegleitung für die o.g. Akkordverbindung aus Beispiel 1.
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In Beispiel 4 gibt es einen Solodurchgang über ‚Stuck In The Fourth Season‘. Taucht in einem Mollakkord eine große Sexte auf, ist die erste Wahl zum darüber Improvisieren in der Regel die dorische Tonleiter. Ergänzt durch den ein oder anderen chromatischen Umspielungston, bildet sie die Grundlage für die Ideen über die Mollakkorde in der Akkordverbindung.
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Hier ist wie gewohnt eine kurze Analyse des Geschehens:
- Takt 1: Ein hoher Cm11-Akkord steigt in das Solo ein
- Takt 2 und 3: C-Dorisch
- Takt 4: Über den alterierten C7-Akkord gibt es ein C7-Arpeggio und ein paar Töne der alterierten Tonleiter
- Takt 5 und 6: F-Dorisch
- Takt 7: ein alter Bekannter – Bbmaj7 über Cm7
- Takt 9: Ab Mixo#11 (4. Modus von Eb Melodisch Moll) über den nicht funktionalen Ab7
- Takt 10: G7 Arpeggio plus ein paar Alterationen (b9 und #9 und b13, als as, b und es)
- Takt 12: F- und G-Dur Dreiklänge über G7
Für euer privates Amusement, habe ich die Blues Bootcamp Playlist bei Spotify etwas ergänzt. Mein Username ist immer noch @Gitarrenpeter.
So viel für heute. Viel Erfolg beim Üben und auch sonst so. Haltet durch und bleibt echt. Immer.
(erschienen in Gitarre & Bass 08/2024)
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