Interview

Voivod: Auch nach 35 Jahren noch in Bestform

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Voivod
(Bild: Gaelle Beri)

In der bunten Welt des Heavy Metal besetzen die Kanadier Voivod eine eigene, ganz außergewöhnliche Position. Denn abseits aller Trends und Moden zelebrieren sie seit mehr als 35 Jahren eine einzigartige Mischung aus Thrash, Punk, progressiven sowie psychedelischen Einflüssen und sogar vereinzelten Querverweisen an den Jazz. Seit einigen Jahren dabei: Gitarrist Daniel „Chewy“ Mongrain (DM) und Bassist Dominic „Rocky“ Laroche (DL).

Wir haben die beiden bei einer Voivod-Show im Hamburger „Logo“ getroffen und uns von ihnen das neue Album ‚The Wake‘ mit allen Konsequenzen für die Spielweisen der beiden und ihr aktuelles Equipment erklären lassen.

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Voivod sind seit Jahren Stammgäste in deutschen Metal-Clubs. Fühlt ihr euch bei uns besonders heimisch?

DL: Obwohl ich erst seit 2014 bei Voivod bin, habe ich schon sieben Mal in Deutschland gespielt. Hamburg mag ich besonders. Hier im ‚Logo‘ bin ich heute bereits zum dritten Mal, für mich ist dies der beste Club der Stadt.

DM: Beim letzten Mal waren wir im ‚Hafenklang‘ in der Nähe der Hamburger Docks, auch ein sehr schönes Venue mit sehr intensiver Atmosphäre.

Apropos intensiv: Würdet ihr zustimmen, dass euch mit der neuen Scheibe ‚The Wake‘ eines der intensivsten Alben der Voivod-Historie gelungen ist?

DM: Ja, dieser Einschätzung würde ich sofort zustimmen. Wir haben Elemente aus unterschiedlichen Schaffensphasen der Band miteinander gemischt. Da gibt es die thrashigen, aber auch die progressiven Momente von früher, plus neuere Einflüsse, die Rocky und ich mit unserem Songwriting beigesteuert haben. Ich finde, ‚The Wake‘ ist die bislang progressivste Scheibe von Voivod, inklusive der bekannten Thrash-Sounds und einiger psychedelischer Elemente. Wir sind wirklich sehr stolz auf das Album.

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Dominic „Rocky“ Laroche (Bild: Mineur)

Lassen sich die Songs von ‚The Wake‘ ohne Soundverluste auf die Bühne übertragen? Wie sind da eure bisherigen Erfahrungen?

DM: Es ist zumindest eine riesige Herausforderung, zumal solch unterschiedliche Dynamiken wie bei ‚The Wake‘ in der Metal-Szene eher selten vorkommen. Manchmal nehmen wir die Lautstärke komplett zurück, um sie direkt anschließend umso höher zu fahren. Solche Unterschiede findet man zwar im Jazz und in der Klassik, im Metal aber nur sehr selten. Metal bedeutet normalerweise: Alle Regler auf 11! (lacht)

Mit den Songs von ‚The Wake‘ versuchen wir, diese Dynamik auch in die Konzerte zu übertragen. Und man kann sehen, dass die Zuschauer beeindruckt sind, da sie so etwas nicht kennen. Im Studio haben wir eine Menge Overdubs aufgenommen, die wir nun live reproduzieren müssen. Deshalb spielt Rocky seinen Bass häufig wie eine Gitarre.

DL: Ich versuche herauszufinden, welcher Part für den Song von elementarer Bedeutung ist, und wenn ein zweiter Gitarrenpart notwendig ist, ahme ich ihn auf dem Bass nach. Das ist zwar nicht immer ganz einfach, aber es funktioniert. Zumal alle unsere Songs vor der Studioproduktion im Proberaum getestet wurden und dort auch ohne Overdubs funktionierten.

DM: Andererseits versuchen wir natürlich nicht, die Studioversion zu kopieren, sondern einfach nur den Song so zu spielen, dass er auch live funktioniert.

DL: Deswegen ist die Verzerrung im Bass-Sound auch so wichtig für die neuen Songs, denn dadurch kann der Bass eine andere Rolle übernehmen, nämlich die einer zweiten Rhythmusgitarre. Mit dem dazwischengeschalteten Verzerrer klingen die Bassparts halt mitunter wie eine weitere Rhythmusgitarre.

Gibt es auf ‚The Wake‘ auch Songs, die live nicht funktionieren würden?

DM: Nein, sie alle funktionieren, auch wenn sie ein wenig anders als im Studio klingen. An der generellen Identität der Stücke ändert das aber nichts.

Habt ihr aufgrund der neuen Songs euer Live-Equipment ändern oder anpassen müssen? Ich habe gesehen, dass Chewy jetzt mit einem Fractal Audio arbeitet. Das war vor einem Jahr noch nicht der Fall, oder?

DL: In meinem Fall hat sich nichts geändert. Ich stehe total auf Ampeg SVT und möchte auf Tour möglichst nichts anderes spielen. Bei den Effekten hat sich einiges getan. Chewy hat mir ein Distortion-Pedal, das Rockett Pedals 10 Ton Hammer geschenkt, das zusammen mit dem SVT einen warmen Overdrive-Tube-Sound liefert. Im Studio habe ich übrigens ein Marshall-Topteil gespielt, so wie Lemmy. (lacht) Es gab fünf Kanäle, die wir gemischt haben: ein D.I. vom 10 Ton Hammer, zwei verschiedene Mikrofone vor den Marshall Boxen, außerdem hatte ich einen alten 66er Fender Bandmaster mit zwei weiteren unterschiedlichen Mikrofonen, sodass unser Engineer Francis Perron insgesamt fünf Signale zum Mischen hatte. Das alles übrigens mit meinem Gibson The Ripper Bass, den ich über alles liebe.

Wie sieht es bei dir aus, Chewy?

DM: Wie du richtig erkannt hast, spiele ich seit neuestem über ein Fractal Audio FX 8 Mark II, das eine Amp- und Speaker-Simulation besitzt und sämtliche Stompbox-Sounds umfasst. Man kann sie in allen erdenklichen Kombinationen routen. Ich verwende die Four-Cable-Method, bei der man – je nach Bedarf – die Effekte vor oder hinter den Amp schalten kann. Man muss dazu zwar eine Menge Dinge im Fractal programmieren, aber wenn man die Setups stehen hat, ist das Teil sehr einfach zu bedienen und klingt unglaublich gut. Ich setze häufig den Pitch Shifter und das Delay ein, beides steuere ich über ein Expression Pedal, vor allem in den Soli, bei dem ich das Delay über das Pedal ständig in ein anderes Mischverhältnis setze. Hinzu kommt ein Volume-Pedal, ein wenig Chorus-Effekt, dazu Distortion und Boost.

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Daniel „Chewy“ Mongrain (Bild: Mineur)

Ich habe vorhin beim Fotografieren gesehen, dass du nur den cleanen Kanal deines Rectifiers benutzt.

DM: Richtig. Ich route einfach den Fractal Audio auf den cleanen Kanal und ändere nur dessen EQ-Einstellung, je nach örtlicher Gegebenheit in den Clubs. Alles andere kommt aus meinem Pedalboard.

Erzähl bitte etwas zu den beiden Gitarren, die du dabei hast. Die Bond-Instruments-Gitarre ist dein Signature-Modell, die Gibson Les Paul einfach nur Ersatz, falls die Bond-Klampfe mal ausfällt?

DM: Exakt. Ich warte gerade auf mein zweites Bond-Modell. Die Gitarre stammt von einem Instrumentenbauer in Montreal. Sie ist ein Einzelstück, das ich gemeinsam mit dem Hersteller entwickelt habe. Die Gitarre hat einige Features, die damals in den Achtzigern auch Piggys Gitarre hatte (Original-Voivod-Gitarrist Denis „Piggy“ D‘Amour starb 2005, Anm. d. Verf.), all diese verrückten kleinen Details. Mein Modell ist ein klein wenig runder als seines, nicht ganz so kantig, ich durfte mir mein eigenes Holz dafür aussuchen. Es handelt sich um 50.000 Jahre altes Holz, das man unter einer dicken Lavaschicht entdeckt hat.

Wie würdest du den Klang der Gitarre beschreiben?

DM: Sie klingt sehr warm und nicht allzu aggressiv. Ich mag es nicht, wenn eine Gitarre zu bissig klingt. Sie hat passive Pickups, die perfekt zum Charakter der Gitarre passen.

In welchen Tunings spielt ihr?

DM: In Standard-Tuning, aber einen Halbton tiefer. Im Studio habe ich übrigens zusätzlich noch eine zwölfsaitige Akustik-Gitarre, eine Telecaster und eine Stratocaster gespielt, meistens für die cleanen Parts, die ich oft gedoppelt habe. Man kann es nicht auf den ersten Zugriff hören, aber es wertet den Sound der Rhythmusgitarren enorm auf, vor allem dann, wenn ich verschiedene Voicings verwende, die verzerrt zu uneindeutig klingen würden. Mit den cleanen Gitarren im Hintergrund sind sie einfach klarer definiert.

Ist die Les Paul als deine Ersatzgitarre ein Indiz dafür, dass dein Bond-Modell eher einen Les-Paul-Klangcharakter hat?

DM: Kann man so sagen. Auch die Bond-Gitarre hat zwei Humbucker, der Korpus besteht aus Mahagoniholz. Die beiden Gitarren klingen zwar nicht komplett identisch, aber doch sehr ähnlich.

Rocky, auch du hast zwei Bässe dabei?

DL: Richtig, und ebenfalls den zweiten nur als Ersatz, falls mein Gibson The Ripper mal ausfällt. Es ist ein Ibanez Soundgear, den ich im vergangenen Jahr in Budapest gekauft habe. Er war sehr günstig und erfüllt einen wichtigen Zweck. Denn du weißt ja, wie es ist: Hätte ich ihn nicht dabei, würde mein Gibson garantiert viel häufiger ausfallen. (lacht) Zu Hause in Kanada besitze ich auch noch einen Rickenbacker, der vorher Piggy gehört hat und den ich auf der EP ‚Post Society‘ in dem Song ‚Silver Machine‘ gespielt habe …

… eine Coverversion des Hawkwind-Klassikers, damals mit Lemmy am Bass.

DL: Ganz genau. Ich spielte den Rickenbacker über ein Marshall-Topteil, um den originalen Lemmy-Sound zu bekommen. Ich liebe Rickenbacker-Bässe, aber die Bridge passt nicht so richtig zu der Art, wie ich auf ‚The Wake‘ spiele, mit all den Palm-Muting-Parts.

Spielst du mit Plektrum?

DL: Ja, jedenfalls im Studio. Auf der Bühne nehme ich allerdings die Finger. In vielen anderen Projekten, die ich vor Voivod hatte, habe ich ausschließlich mit Fingern gespielt. Ich mag Jaco Pastorius und spiele viele Parts von ihm, ich mag auch Geddy Lee, Steve Harris, Cliff Burton.

DM: Rocky und ich spielen nebenbei auch noch in einer Tribute-To-Metallica-Band und er interpretiert dort das Cliff-Burton-Solo von ‚Kill ‘Em All‘ wirklich perfekt.

DL: Es hängt immer davon ab, welche Rolle ich gerade übernehmen muss. Ich könnte sämtliche Parts auch mit Fingern spielen, aber wenn es mit Plektrum besser klingt, nehme ich halt das Plektrum.

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Dale Tomlinson, Voivod-Fahrer, -Tourleiter, -Techniker und -Merchandiser in Personalunion (Bild: Mineur)

Ist der größte Unterschied zwischen Voivod heute und vor 30 Jahren, dass durch die stärkere Hinwendung zu progressiven Einflüssen die technischen Ansprüche größer geworden sind?

DM: Ich habe Voivod durch ‚Killing Technology‘ entdeckt und mir anschließend auch ihre beiden älteren Scheiben zugelegt. Auf ‚Killing Technology‘ gab es noch diese raue Punk-Attitüde in Verbindung mit vereinzelten progressiven Elementen. Genau diese Mischung gefiel mir. Piggy hatte einen ganz ungewöhnlichen Spielstil, der mir imponierte, vor allem weil er neu und aufregend war. Ich sah Piggy im Fernsehen, aber leider war bei uns zu Hause der Empfang damals sehr schlecht, sodass ich immer nur dann und wann erkennen konnte, was genau er spielt. Piggy war der Grund, weshalb ich mir eine Gitarre kaufte und in einer Band spielen wollte.

Zu deiner Frage: Ich denke, dass sich Away und Snake (Schlagzeuger Michel ‚Away‘ Langevin und Sänger Denis ‚Snake‘ Belanger sind die Voivod-Originalmitglieder, Anm. d. Verf.) in den zurückliegenden 35 Jahren technisch und auch kompositorisch enorm verbessert haben. Sie wissen, was funktioniert und was nicht, haben enorm viel Erfahrung und sind mit allen Wassern gewaschen.

Away weiß, dass er nicht 30 Minuten lang ununterbrochen Blastbeats spielen kann, deshalb hat er sehr anspruchsvolle Kompromisse gefunden, die zu seinem Markenzeichen geworden sind. Als Snake mit dem Singen anfing, wusste er eigentlich gar nicht, was er da so genau macht, denn er war jung und unerfahren. Mittlerweile hat auch er einen eigenen Stil entwickelt und so den typischen Voivod-Sound kreiert.

Insofern vermischt ‚The Wake‘ Elemente von sämtlichen bisherigen Voivod-Scheiben. In manchen Songs gibt es Thrash-Parts und psychedelische Passagen, in anderen Progressive-Rock mit Metal-Anteilen. Hinzu kommen brandneue Einflüsse wie beispielsweise in ‚Spherical Perspective‘ mit seiner spacigen Ausrichtung. So etwas habe ich noch nie auf einem vorherigen Voivod-Album gehört.

DL: Es kommt wirklich alles zusammen, die alten Voivod-Einflüsse und die frischen Ideen von Chewy und mir. Die Voivod-DNA ist von klein auf in unserem Blut. Wir sind sehr stolz darauf, in dieser Band zu spielen.

Danke, Chewy und Rocky, für das sehr nette Gespräch!

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2018)

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