Rebecca und Megan Lovell über ihr neues Album, Lieblings- und Signaturegitarren

Twin Guitars: Larkin Poe im Interview

Anzeige

Rebecca und Megan Lovell sind Larkin Poe, das derzeit wohl beliebteste Bluesrock-Duo der Welt. Und mehr noch: In der Geschichte dieser Musikrichtung gab es noch kein vergleichbares Beispiel zweier Schwestern, die so exzellent Gitarre und Lapsteel spielen, gleichzeitig aufregende Songs komponieren, grandios zweistimmig singen und in ihren Texten wirklich etwas mitzuteilen haben.

(Bild: Anna Pearson)

Dabei stehen Megan (33) und Rebecca (31) vermutlich erst am Beginn einer beispiellosen Karriere. Zu dieser Erkenntnis muss man jedenfalls kommen, wenn man ihr neues Studioalbum ‚Blood Harmony‘ hört, das in Zusammenarbeit mit Rebeccas Ehemann, dem US-Rockstar Tyler Bryant entstanden ist und direkt mal in die deutschen Albumcharts eingestiegen ist. Wir haben uns mit Rebecca (RL) und Megan (ML) über die neue Scheibe unterhalten, aber auch über ihre aktuellen Lieblingsgitarren und eine angekündigte brandneue Megan-Lovell-Signature-Lapsteel-Gitarre.

Anzeige

INTERVIEW

Eigentlich gibt es ja drei Lovell-Schwestern: Die älteste unter euch, Jessica, hat das Musikmachen allerdings an den Nagel gehängt. Wie lautete einst der Plan eurer Eltern für ihre Töchter: drei Schwestern, drei verschiedene Instrumente?

RL: Nein, es war anders. Als wir klein waren schickten unsere Eltern Jessica, Megan und mich zum klassischen Geigenunterricht. So kamen wir alle drei zur Musik. Wir haben also während unserer gesamten Kindheit Geige, und ab etwa unserem elften oder zwölften Lebensjahr auch Klavier gespielt. Übrigens ebenfalls mit klassischer Musik. Als wir älter wurden, änderten sich unsere Interessen und wir wählten unterschiedliche Instrumente.

Wann und wodurch hat Megan eigentlich Lapsteel- und Resonator-Gitarren entdeckt?

ML: Als Kinder haben wir häufig Alison Krauss mit ihrer Band Union Station gehört, zu der auch der Dobro-Spieler Jerry Douglas gehörte. Das heißt, dass wir von klein auf immer auch den Sound von Slide-Gitarren im Kopf hatten. Wir hörten sehr viel The Allman Brothers, bei denen Slide-Gitarren quasi an der Tagesordnung waren. Als wir dann keine Lust mehr auf den Geigenunterricht hatten und andere Instrumente ausprobieren wollten, entschied sich Rebecca für Mandoline, Banjo und Gitarre. Ich versuchte es auch damit, aber es klickte bei mir einfach nicht. Bis ich zum ersten Mal Jerry Douglas die Dobro spielen sah. So fing ich mit der Dobro an und kam später, als wir etwas härter wurden, zur Lapsteel-Gitarre. Denn wir wollten auch mit Schlagzeug spielen, und da machten natürlich Instrumente Sinn, die man elektrisch verstärken kann. Ich bin unfassbar froh, dass ich die Lapsteel-Gitarre gefunden habe, denn sie ist für mich Herz und Seele. Es ist der Sound von David Lindleys Solo in ‚Running On Empty‘, es ist der Sound von Pink Floyd und den coolen Lapsteel-Parts auf ‚Dark Side Of The Moon‘, es ist der Sound, nach dem ich immer gesucht hatte.

War der Wechsel von Geige und Klavier zu Gitarre und Lapsteel schwierig?

RL: Anfangs war es in der Tat nicht einfach. Wenn man, so wie wir, klassisch ausgebildet wird, spielt man schwerpunktmäßig vom Blatt, sprich: nach Noten. Insofern war der Übergang von notierter zu improvisierter Musik ziemlich anspruchsvoll. Außerdem spielt man Geige mit einem Bogen, Gitarren dagegen mit Plektrum. Aber vor allem hatte unser neues musikalisches Interesse ein anderes Grundkonzept und mehr künstlerische Freiheiten, viel mehr Improvisationen mit weitaus mehr eigenen Ideen. Für mich war das anfangs schwierig, und ich denke, dass es ein paar Jahre gedauert hat, bis wir uns wirklich in diese neue Welt hineingefunden hatten. Es bedurfte viel Geduld, wir mussten eine Menge experimentieren, um uns mit dem Konzept der Improvisation wirklich wohlzufühlen.

(Bild: Frank Witzelmaier)

Die Lovell Sisters mit eurer Schwester Jessica waren deutlich stärker im Folk und Bluegrass verortet als euer heutiger Bluesrock mit Larkin Poe, oder?

ML: Ja, das stimmt, unsere Musik als Trio war stärker auf Roots fokussiert, vor allem auf Bluegrass, Country und Gospel, speziell wegen der mehrstimmigen Gesänge. Wir liebten es, als Schwestern dreistimmige Melodien zu singen. Wir hatten das bereits als kleine Kinder gemacht, insofern war es für uns eine völlig normale Sache. Als aus den Lovell Sisters dann Larkin Poe wurde, änderte sich unsere Musik. Wir hatten immer schon auch Rockmusik gehört und wollten sie jetzt selbst spielen. Unsere Vorbilder waren Black Sabbath, die Allman Brothers, deren heavy Sound wir unbedingt in unsere Songs integrieren wollten. Es war klar, dass wir härter und lauter spielen wollten als mit den Lovell Sisters.

Wart ihr eigentlich überrascht, als Jessica im Jahr 2010 das Musikbusiness verließ und sich ins Privatleben zurückzog? Was macht sie heute?

RL: Zunächst einmal: Seinen Lebensunterhalt mit Musik zu verdienen und pausenlos auf Tournee zu sein, das ist nicht jedermanns Sache. Als Jessica sich entschied, unser Trio zu verlassen und ein Leben abseits des Musikbusiness zu führen, bekam sie unsere komplette Unterstützung. Heutzutage führt sie ein völlig anders Leben als wir, was an unserer engen Bindung als Schwestern aber nichts geändert hat.

Könntet ihr bitte beschreiben, wie eure jeweiligen Instrumente beschaffen sein müssen, damit ihr euch damit wohlfühlt?

RL: Ich nahm erst nach etwa drei oder vier Jahren mit Larkin Poe zum ersten Mal eine elektrische Gitarre in die Hand. Es war, soweit ich mich erinnere, eine Fender Jazzmaster. Mir gefielen die Form und ihre Größe. Meine Jazzmaster hatte beispielsweise einen recht breiten Hals, was mir beim Übergang von der Akustik zur E-Gitarre sehr half. Trotzdem dauerte es eine gewisse Zeit, bis ich mich an die E-Gitarre gewöhnt hatte. Es war ein harter Schnitt, wie sich viele Musiker sicherlich vorstellen können. Man braucht eine völlig andere Technik, schlägt auf der elektrischen Gitarre sanfter an als auf einer akustischen.

Am Anfang rissen mir ständig die Saiten, weil ich zu grob anschlug. Ich musste mich also erst daran gewöhnen, weniger hart anzuschlagen. Nachdem ich die Jazzmaster ein paar Jahre gespielt hatte, wollte ich eine leichtere Gitarre. Ich bin körperlich eher zierlich und brauchte etwas, mit dem ich mich auf der Bühne freier und unbeschwerter bewegen kann. So kam ich zur Stratocaster, die mittlerweile mein liebstes Gitarrenmodell ist. Ich mag die Form meiner Strat, in der Bridge-Position habe ich einen Humbucker verbaut, mit dessen Sound ich sehr glücklich bin.

Beim Thema Gitarren hält Rebecca es klassisch: Fender Stratocaster und Gibson SG.
Beim Thema Gitarren hält Rebecca es klassisch: Fender Stratocaster und Gibson SG.

ML: Ich wurde schon ziemlich früh fündig, als mir ein Freund eine alte Rickenbacker-Lapsteel-Gitarre empfahl, die er bei Gruhn Guitars in Nashville entdeckt hatte, einem sehr renommierten Gitarrenladen mit einer großen Auswahl an Vintage-Gitarren. Also fuhr ich hin, testete sie und hatte von diesem Tag an das für mich perfekte Instrument gefunden. Ich mag die Horseshoe-Pickups, die einfach großartig klingen. Im Laufe der Jahre hatte ich mehrere Rickenbacker-Lapsteels, sowohl aus den späten 1940ern als auch aus den frühen 1950ern. Ich habe einen guten Freund, der mir eine Halterung gebaut hat, mit der ich die Lapsteel auch im Stehen spielen kann. Normalerweise geht dies ja nur im Sitzen.

Megans Rickenbacker-Lapsteel (Bild: Lovell)

Doch dann hätte ich mich auf der Bühne nicht bewegen können. In den letzten Jahren habe ich dann gezielt an einer leichteren Lapsteel-Gitarre gearbeitet, denn die Rickenbacker besteht aus Bakelit, einem sehr dichten Kunststoff, und ist deshalb für ausgedehnte Tourneen eigentlich zu schwer. Deshalb experimentiere ich derzeit an einer leichteren Version, mit der man besser im Stehen spielen kann und die trotzdem der Rickenbacker klanglich sehr nahekommt. Sie hat neue Horseshoe-Pickups der Firma Lollar, mit der ich zusammenarbeite. Diese Lapsteel klingt großartig, ist deutlich leichter und lässt sich daher besser und länger im Stehen spielen. Es ist meine Signature-Lapsteel-Gitarre und wird von Beard Guitars produziert.

Die Signature-Lapsteel wird auch in Serie gehen?

ML: Ja, ich freue mich riesig darüber. Sie wird den Namen Electro Liege tragen.

Sprechen wir über das neue Album ‚Blood Harmony‘, das für mich einen erstaunlichen Reifegrad eures Stils dokumentiert. Spürt ihr diese Veränderung selbst?

RL: Ja, natürlich. Man muss sich das vor Augen führen: Wir gründeten Larkin Poe als Teenager, heute sind wir Anfang 30 und um einiges erfahrener und besser. Und dies nicht nur in einem einzigen Bereich, sondern auf gleich mehreren Feldern. Unsere Technik, unsere Fähigkeiten als Musikerinnen, aber auch als Songschreiberinnen haben sich verbessert. Wir sind reifer, selbstbewusster, fühlen uns wohl mit dem, was wir machen, da wir wissen, was wir ausdrücken wollen und wie man es am besten formuliert.

Das neue Album ‚Blood Harmony‘

Die Texte sind emotionaler und thematisch breiter aufgestellt. Ich weiß, dass unser Interview vor allem für Gitarristen gedacht ist, aber ich muss trotzdem erwähnen, dass ich mich auch als Sängerin weiterentwickelt habe. Meine Stimme hat sich in den zurückliegenden fünf bis zehn Jahren meines Erachtens enorm verbessert. Deshalb ist das neue Album das bislang reifste und abwechslungsreichste unserer Karriere. Ich bin wirklich sehr stolz darauf. Und ich sage dies, obwohl die Produktion erneut eine große Herausforderung für uns war, weil wir sehr selbstkritisch sind. Doch wenn ich mir jetzt das Ergebnis anhöre, bin ich sehr stolz und glücklich.

Gab es eine Vorproduktion?

RL: Ja, und bereits bei der haben Megan und ich uns mächtig ins Zeug gelegt, um nichts dem Zufall zu überlassen. Genau diese große Sorgfalt hat sich am Ende ausgezahlt. Ich finde, man kann hören, mit wie viel Herzblut wir an der Scheibe gearbeitet haben.

ML: Zudem haben wir uns auch als Produzentinnen weiter verbessert. Wir wissen, was wir auf unseren Instrumenten können, und wir kennen uns mit Stilen und Spielarten noch besser aus. Als Produzent muss man den Blick fürs Ganze behalten, man muss genau wissen, was man weglassen sollte, um einen Song nicht zu überfrachten. Außerdem ging es verstärkt darum, unsere eigene Identität als Musikerinnen stärker herauszuarbeiten. ‚Blood Harmony‘ klingt noch authentischer, noch typischer für Larkin Poe als die vorausgegangenen Alben. Es klingt so, wie wir auch auf der Bühne klingen. Wir haben bei den Soli nicht unterschiedliche Takes zusammengefügt, sondern Dinge so gelassen, wie wir sie tatsächlich gespielt haben. Dadurch haben sie noch mehr Persönlichkeit.

Erstmalig war auch eure Live-Band involviert, während ihr früher fast alle Instrumente selbst gespielt habt.

ML: Als wir uns 2017 zum ersten Mal selbst produziert haben, hat Rebecca auch das Schlagzeug programmiert und wir haben fast alle Instrumente des Albums eigenhändig gespielt. Das war hilfreich, um herauszufinden, nach welchem Sound wir eigentlich suchen. Diesmal wollten wir aber unbedingt ein richtiges Schlagzeug und haben Rebeccas Ehemann Tyler Bryant um Hilfe gebeten. Tyler ist ein grandioser Musiker und verfügt über ein riesiges Sachwissen, wie man echte Drums aufnimmt. Er hat uns bei unserer Idee, programmierte Drums in echte Drums umzuwandeln, enorm geholfen. Ursprünglich wollten wir beides miteinander kombinieren, doch die echten Drums klangen so großartig, dass wir das programmierte Schlagzeug komplett weggelassen haben. Deshalb sind jetzt zwei Schlagzeuger auf ‚Blood Harmony‘ zu hören: Caleb Crosby aus Tylers Band und Kevin McGowan aus unserer eigenen Band. Und auch unser Bassist Tarka Layman war an der Produktion beteiligt.

Könnt ihr bitte etwas über die verwendeten Amps sagen?

RL: Die Grundlage war unser Live-Rig, denn wir wollten eine Kombination aus Studio- und Live-Sound. Megan und ich spielen auf der Bühne Fender Deluxe, deshalb stammen die meisten Sounds auf der Platte aus diesen Combos. Generell sind Fender-Amps bei uns die erste Wahl.

Neben den bevorzugten Fender-Amps kommen auch andere Verstärker zum Einsatz, so z.B. dieser Combo von Tyler Amp Works. (Bild: Lovell)

Dies trifft auch auf Megans Lapsteel-Aufnahmen zu?

ML: In meinem Fall war es hauptsächlich ein Fender Bassman, plus ein paar typische Effektpedale, die immer mal wieder auf unseren Alben auftauchen, im aktuellen Fall aber überwiegend Tyler Bryant gehören. Er besitzt einige wunderbare Stompboxes, darunter ein tolles Drive-Pedal namens Royal Jelly von Beetronics, das wir erstmals eingesetzt haben. Allerdings haben wir uns um möglichst unverfälschte Sounds bemüht und die Produktion sehr simpel gehalten. Wir stehen auf natürliche Gitarrensounds, die aufs Wesentliche beschränkt sind.

Gibt es bei Lapsteel-Gitarren eigentlich Tonarten, die man beim Komponieren besser vermeidet. Oder Tonarten, in denen Rebeccas Stimme besonders gut klingt?

RL: Es gibt auch diesmal wieder viele Songs in A, da diese Tonart, meiner Meinung nach, sehr gut zu meiner Stimme passt. Ein paar Nummern sind auch in G und D. Was ich dagegen überhaupt nicht mag, sind Songs in F.

Weil?

RL: Songs in F sind sehr mühsam und umständlich zu spielen. Wenn man die Gitarre in Standard-Tuning mit einem tiefen E spielt, sind Songs in F sehr unangenehm zu greifen. Oder was sagst du dazu, Megan?

ML: Für mich ist F die mit Abstand schwierigste Tonart, denn sie bringt mich auf ziemlich umständliche Weise zwischen die Oktaven. Alles andere ist dagegen harmlos. Aber im Grunde genommen sind wir nicht festgelegt, sondern folgen einfach unserer instinktiven Einschätzung, was sich gut anfühlt und was zu Rebeccas Stimme passt. Und wenn es dann doch mal in Fis ist, okay, dann ist es halt so. (lacht)

Könntet ihr abschließend noch beschreiben, was ihr von der ‚Blood Harmony‘-Produktion lernen konntet?

ML: Ich habe etwas sehr Wichtiges gelernt, nämlich die große Bedeutung einer sorgfältigen Vorproduktion. Denn die Sicherheit, dass ein neuer Song auch dann bereits funktioniert, wenn Rebecca und ich ihn allein spielen, hilft enorm bei einer anschließenden Studioproduktion. Wie du vielleicht weißt, haben wir eine Menge Videos mit Coversongs veröffentlicht, von denen wir eine wichtige Lektion gelernt haben: Ein guter Song ist ein guter Song, egal in welches Kleid man ihn steckt. Wie also erkennt man beim Komponieren, ob ein Song gut ist oder nicht? Woher weiß man, welches Stück auf ein Album sollte, und welches nicht?

Deshalb war es für uns besonders wichtig zu erkennen, ob ein Song auch ohne große Studioproduktion, nur mit Rebecca und mir, funktioniert. Die Frage lautete immer: Könnten wir dieses Stück allein in einem Raum spielen, würde es trotzdem gut klingen, Spaß machen und einen Sinn ergeben? Wenn es das tut, wenn das Grundgerüst des Songs für sich alleinstehen könnte, kommt die Nummer aufs Album. Diese Sicherheit hat den größten Unterschied zu unseren vorherigen Alben ausgemacht. Zumal es unfassbar viel Spaß gemacht hat, mit dem neuen Material ins Studio zu gehen und es einzuspielen, da wir genau wussten, welche Stimmung und welchen Sound die Scheibe haben soll.


(erschienen in Gitarre & Bass 01/2023)

Produkt: Robert Cray im Interview
Robert Cray im Interview
Lade dir hier 2 exklusive Gratis-Interviews mit der Blueslegende Robert Cray herunter!

Kommentar zu diesem Artikel

  1. matthias, ich beneide dich um jede sekunde, die du mit den beiden verbringen konntest !

    Auf diesen Kommentar antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren