Im Interview

Transatlantic & Pete Trewavas: Das Rock-Novum

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(Bild: Tobias Andersson)

Transatlantic stehen für zeitlosen Progrock – und das bereits seit mehr als 20 Jahren. Nachdem in Ausgabe 03/2021 bereits Gitarrist Roine Stolt zu Wort kam, haben wir auch den Bassisten der Band Pete Trewavas (Marillion) zur neuesten Platte ‚The Absolute Universe‘ befragt. Diese erschien mit den Untertiteln ‚The Breath Of Life‘, ‚Forevermore‘ und ‚The Ultimate Edition‘ in drei unterschiedlichen Formaten, die sich alle sowohl kompositorisch und textlich, als auch produktionstechnisch voneinander unterscheiden.

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Pete, ist ‚The Absolute Universe‘ aus deiner Sicht das Resultat der Corona-Krise?

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Ja und nein. Natürlich war es aufgrund des Lockdowns deutlich schwieriger zu kommunizieren, da wir uns nicht mehr persönlich treffen durften. Aber die Grundlage des Albums, also das Erarbeiten der Songs, hatte zu diesem Zeitpunkt bereits in Schweden stattgefunden. Wir hatten den wichtigsten Schritt also bereits vollzogen. So dachten wir jedenfalls … (lacht) Die schwierigste Herausforderung stand uns nämlich noch bevor.

Weil ihr euch aufgrund der Menge an neuem Material nicht auf eine konkrete Albumfassung einigen konntet.

Exakt. Für Transatlantic ist es nicht ungewöhnlich, vor Kreativität fast zu platzen. Aber in diesem Fall war es besonders schlimm. Wir konnten uns vor Ideen kaum retten, und mit jeder neuen Idee wurde die Entscheidung schwieriger, was davon nun auf dem kommenden Album landen soll. Roine votierte für längere Versionen der Songs, Neal für vergleichsweise kürzere. Wir als Band konnten uns einfach nicht entscheiden.

Dann hatte Mike die verrückte Idee, einfach grundsätzlich unterschiedliche musikalische Reisen anzutreten, die Songs unabhängig voneinander mischen zu lassen und sie jeweils als eigenständige Produkte zu veröffentlichen. Technisch möglich war dies, da wir zu jedem Song unendlich viele Instrumente aufgenommen hatten – übrigens wegen Corona das meiste davon jeder bei sich zuhause –, sodass es unendlich viele Auswahlmöglichkeiten gab. Und da zu unserer Überraschung sogar die Plattenfirma mit der Idee einverstanden war – die meisten Labels hätten sicherlich aus Kostengründen dankend abgelehnt –, war die Sache geritzt.

Ein Konzept wie das von ‚The Absolute Universe‘ hat es in der Geschichte der Rockmusik noch nicht gegeben, oder?

Ich erinnere mich, dass Monty Python irgendwann in den 1970ern mit ‚Matching Tie & Handkerchief‘ ein Album veröffentlicht haben, bei dem niemand wusste, welche Version er gerade in den Händen hält, weil die zweite Seite der LP durch ein besonderes Mastering-Verfahren immer etwas anders zusammengestellt war. Ganz so verwirrend ist es bei uns nicht, aber eine echte Wundertüte ist ‚The Absolute Universe‘ dennoch geworden. Letztendlich haben wir es unserem Tontechniker Rich Mouser überlassen, welche Instrumente er für den jeweiligen Mix verwendet.

Welche Lehren hast du aus den Arbeiten an ‚The Absolute Universe‘ gezogen?

Wenn man offen für neue Ideen ist, lernt man jeden Tag etwas Neues und entwickelt sich als Mensch und Künstler weiter. Ich habe schon früh verstanden, dass ich einfach nur ich selbst sein muss, um glücklich zu sein. Für mich sind Transatlantic eine ganz außergewöhnliche Band, so etwas wie eine progressivere Version von The Who. Jeder von uns ist auf seine Weise eine Art Wildfang, den man kaum bändigen kann und der ständig auf der Suche nach neuen Abenteuern ist.

Durch Corona gab es erstmals in meiner musikalischen Laufbahn keinen konkreten Termin zur Veröffentlichung, weshalb wir mehr Zeit und mehr Gedanken für die Songs zur Verfügung hatten. Wir konnten uns leisten, jeden Aspekt der Stücke darauf zu untersuchen, ob wir der jeweiligen Nummer mit unseren Beiträgen wirklich gerecht werden.

Mich erinnert das ein wenig an die Phase der Beatles, als sie nicht mehr auf Tournee gingen, sondern ihre gemeinsame Zeit komplett in Abbey Road verbrachten, und ihre Plattenfirma ihnen volle Freiheit einräumte. Für ‚The Absolute Universe‘ gilt das Gleiche, sodass wir uns nicht zwischen der „richtigen“ und der „falschen“ Version eines Songs entscheiden mussten, sondern mehrere Versionen realisieren konnten. Eine tolle Sache, denn für mich hat jede Version ihre absolute Existenzberechtigung.

Welches waren diesmal deine Bässe und Verstärker im Studio?

In Schweden hatte ich zum Schreiben und Arrangieren nur meinen treuen Warwick Thumb Bass dabei. Ich besitze ihn schon seit den frühen 1980ern, ein original handgefertigter Neck-Through-Bass. Im Fenix-Studio habe ich zwar auch über einen Verstärker gespielt, aber nur fürs Spielgefühl und um diese magischen Vibrationen zu spüren. Die eigentlichen Aufnahmen wurden über D.I. gemacht. Als ich dann wieder Zuhause war und die finalen Spuren aufgenommen habe, bin ich mit meinem Bass direkt in ein KompleteAudio-6-Interface von Native Instruments auf meinen Mac gegangen. Ich liebe Roundwound-Strings und bevorzuge einen ziemlich hellen Klang.

Mein Bass hat eine aktive Schaltung, bei der ich die tiefen und hohen Frequenzen komplett aufdrehe. Der Warwick ist ein echtes Klangmonster: Je nach dem, wie und in welcher Lage ich ihn spiele, ändert sich sofort sein Ton. Mir gefällt das, denn ich möchte volle Kontrolle über meinen Sound. Zudem schlage ich relativ hart an, um einen präzisen Ton zu bekommen. Dabei liebe ich eigentlich mittlere oder sogar softe Plektren, aber auch mit denen bekomme ich einen relativ metallischen Draht-Sound. Letztendlich hängt die Wahl des Plektrums und die Härte meines Anschlags natürlich von der Art der Musik ab.

Wer hat deine Bass-Spuren gemischt?

Nachdem ich meine Parts aufgenommen hatte, schickte ich die Audiodatei an Roine. Er hat die Signale in seinem Studio mit einem echten Verstärker ge-reampt. Das alles geschah während des ersten Lockdowns. Bei den weiteren Aufnahmen, die für ‚Breath Of Life‘ notwendig wurden, habe ich mit einem VST-Valve-Amp-Plug-In über Cubase gearbeitet. Auf diese Weise konnte ich Rich Mouser zwei verschiedene Bass-Versionen schicken, also Amp- und D.I.-Signal. Rich hat die Spuren durch unterschiedliches Outboard-Gear geschickt, um für die jeweiligen Songs unterschiedliche Bass-Sounds zu bekommen.

Was braucht ein guter Bass, damit du dich mit ihm wohlfühlst? Hat sich dein Geschmack im Laufe der Jahre verändert?

Ich stehe schon lange auf 24-bündige Bässe, für 5-Strings bin ich hingegen nicht zu haben. Ein guter Viersaiter mit 24 Bünden ist daher für mich die beste Option. Obwohl ich aktive Schaltungen bevorzuge, muss für mich der Sound erdig und ehrlich klingen. Deshalb schalte ich bei einigen meiner Bässe die aktive Schaltung stumm und verwende nur die passiven Tonabnehmer, um einen möglichst natürlichen Klang zu bekommen.

Mein Geschmack und mein Stil haben sich in den vergangenen Jahren massiv verändert, man kann sagen, dass ich wählerischer und anspruchsvoller geworden bin. Vermutlich sind auch meine Fähigkeiten besser geworden, da ich mein Instrument zunehmend besser beherrsche. Außerdem habe ich mir unterschiedliche Stile angeeignet und auf diese Weise mein Spiel Stück für Stück verfeinert.

Pete Trewavas mit seinem 1984er Warwick Thumb Bass (Bild: Pete Trewavas)

Was bedeutet das konkret?

Ich konzentriere mich seit einiger Zeit darauf, meine Fingertechnik zu verbessern. Ich habe immer schon sowohl mit Fingern als auch mit Plektrum gespielt, wollte aber ein konkreteres Spielgefühl bekommen. Früher habe ich mit Daumen und zwei Fingern eine Art Gitarren-Fingerpicking-Stil nachgeahmt, wodurch ich einen sehr schnellen Anschlag bekam. Diesen Trick wende ich auch heute noch manchmal an.

Spielst du noch deinen alten Ampeg SVT II?

Ja klar, ich besitze ihn immer noch, aber er ist halt unglaublich schwer. Deshalb habe ich im Laufe der Jahre mehrfach die Verstärker gewechselt. Eine Zeitlang habe ich hauptsächlich Laney-Combos verwendet, die wirklich ausgesprochen gut klingen. Aber zurzeit spiele ich einen Warwick-Bass-Amp mit 4x12er-Boxen. Alle meine Verstärker haben eines gemeinsam: Sie besitzen sowohl Röhren als auch eine Solid-State-Technik. So kann man die saubere Transistorschaltung mit der wunderbaren Röhren-Verzerrung kombinieren.

Hat sich deiner Meinung nach die Bedeutung des Bassspiels in der Rockmusik in den letzten Jahren verändert?

Ja. Der Bass wird heute stärker als früher wie ein Lead-Instrument gesehen. Deshalb gibt es aktuell so viele virtuose Spieler. Es ist immer wieder toll, diese Begeisterung für den Bass zu erleben. Natürlich gab es immer schon virtuose Bassisten. Ich habe ja in meiner Jugend sehr viel Jazz gehört, und dort gehören Bass-Soli zum guten Ton. Ich denke, mit entsprechenden Effektgeräten und den heute verfügbaren hochwertigen Instrumenten können wir Bassisten unglaublich präzise spielen, ohne mit unserem Bass kämpfen zu müssen.

(Bild: Tobias Andersson)

Apropos: Kampf war noch nie dein Thema, eher feinfühlige Melodien, oder?

Stimmt, ich bin grundsätzlich melodieorientiert, und obwohl ich auch Riffs spielen kann, bin ich nicht das, was man einen Shredder nennt. Ich mag Melodien, um Inhalte zu vermitteln, und versuche, eigenständige Basslinien zu kreieren. Mitunter greife ich aber auch einfach ein Thema aus irgendeinem Song eines Albums auf, um es an anderer Stelle ein zweites Mal zu verwenden.

So etwas lässt sich mit der digitalen Technik natürlich leichter als früher umsetzen.

Die Aufnahmemöglichkeiten haben sich in der Tat massiv verändert. In einem herkömmlichen Studio kann man je nach Vorlieben entweder mit klassischen Verstärkern und Mikrofonen oder aber direkt in einen Computer oder sogar mit einem Handy aufnehmen, für die es mittlerweile eine Reihe guter und moderner Mikrofone gibt. Heutzutage lassen sich absolut akzeptable Resultate mit nur einem einzigen Knopfdruck via Gitarren- und Bass-VST-Apps erzielen. Das alles existiert bereits und wird dank fortschreitender Technologie auch weiterhin neue Ansätze liefern.

Was bedeutet das für dich und deine Bass-Recordings?

Die Art und Weise, mit der ich heutzutage meinen Bass aufnehme, unterscheidet sich fundamental von meiner Anfangszeit. Damals nahm man auf Bandmaschinen auf, und da Studiozeit teuer war und man nur 24 Spuren zur Verfügung hatte, musste man frühzeitig entscheiden, wie man seinen Bass aufnehmen will. Die Drums wurden auf zwei Stereospuren zusammengemischt, und bei längeren Songs wurden unterschiedliche Instrumente auf die gleiche Spur gelegt, um Freiräume für weitere Instrumente zu erhalten.

Seit der digitalen Revolution kann man problemlos vier getrennte Bassspuren aufnehmen, zum Beispiel D.I., direktes Mikrofon-Signal, Distanz-Mikrofon und FX-Kette, und das alles mühelos als Stereosignal mischen. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, mehrere Mixe direkt miteinander zu vergleichen. Man legt eine Pause ein, entspannt sich, und beurteilt die Resultate dann mit frischen Ohren. Dies ist vor allem dann sehr hilfreich, wenn es um die Beurteilung analoger Tape-Effekte geht, die von Mix zu Mix stark variieren können. Letztlich hängt eine gute Produktion aber immer noch von den kreativen Menschen hinter der Technik ab.

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2021)

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