Zeugnis einer Verwandlung

Steve Lukather: Das Solo-Album Transition

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Mit ,Transition‘ bringt Steve Lukather am 18. Januar 2013 sein nunmehr siebtes Solo-Album – zählt man sein Weihnachtsprodukt ,Santamental‘ mit – auf den Markt. Mit Fug und Recht lässt sich behaupten, dass es sein stärkstes ist: ein fabelhaftes Werk an der Schnittstelle von Pop, Fusion und Rock.

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(Bild: MASCOT, TOLLE)

Die Tiefe, die Steve Lukather mit seinen Songs transportiert, hat sich bereits beim Vorgänger ,All’s Well That Ends Well‘ angedeutet, wirkt aber auf Transition noch weiter gereift. Kein Wunder, Luke hat sein gesamtes Leben entrümpelt und sich auf eine innere Reise begeben in der Emotionen wie Trennungsschmerz, Wut, Hoffnung und die Suche nach den ultimativen Antworten des Lebens im Mittelpunkt stehen.

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Seine Persönlichkeit ist dabei auf der Suche und mit dem neuen Album legt Lukather sein Innerstes offen. Dabei wird der geneigte Zuhörer gefesselt von der Kraft und der Reise, auf die Luke seine Fans mitnimmt, an deren vorläufigem Ende er versöhnliche und hoffnungsvolle Signale sendet.

Für die Aufnahmen von Transition hat Luke zum einen auf seine Band-Mitglieder gesetzt, aber vor allem seine Freunde ins Studio eingeladen, kleine und feine Signaturen zu hinterlassen. So sind neben seiner Band auf Transition die Bass-Legenden Lee Sklar und Nathan East, die Drummer Chad Smith von den Red Hot Chili Peppers und Gregg Bissonette, sowie Phil Collen von Def Leppard und Lenny Castro an den Percussions zu hören. Natürlich hat Luke auch wieder mit seinem Sohn Trevor komponiert und ihn auch mit ins Studio genommen. Als wesentlicher Co-Songschreiber und Co-Produzent fungiert CJ Vanston, der auch für den exquisiten Mix verantwortlich ist. Grund genug, um mit Steve Lukather über das Album Transition, über seine persönliche Wandlung und natürlich auch über die Produktion und seine weiteren Aktivitäten zu sprechen.

Luke, ich muss dir ein Kompliment aussprechen: Ich habe ,Transition‘ jetzt über ein Dutzend Male gehört und bin von der Tiefe und der Atmosphäre begeistert. Es gibt jede Menge darin zu entdecken.

Das freut mich. Ich habe auch hart an dem Album gearbeitet und wollte ganz bewusst so schreiben, dass Songs nicht offensichtlich wirken, und viele unerwartete Momente und Strukturen einfügen. Das gleiche gilt für die technische Seite. Heutzutage werden die meisten Produktionen extrem laut gemastert und sind im Ergebnis so stark komprimiert, dass die Dynamik verloren geht. Das ist überhaupt nicht mein Ding. Ich wollte einen Sound wie früher, sodass die Musik atmen kann; und dass genau diese Tiefe, von der du sprichst, auch produktionstechnisch umgesetzt wird.

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(Bild: MASCOT, TOLLE)

Du erzählst eine durchgängige Geschichte auf ,Transition‘, mit dem Titelsong in der Mitte des Albums, ab dem dann die Grundaussage deutlich freundlicher wird. Beinahe ein Konzept-Werk …

Oh, schön dass du das bemerkt hast. In der Tat beginnt das Album dort, wo ,All’s Well That Ends Well‘ aufgehört hat – dunkel und in einem generellen „pissed off“- Modus. In der Mitte des Albums markiert dieses Instrumental eine Zäsur und symbolisiert meine Erkenntnis, dass ich diesen ganzen Mist hinter mir lassen und loslassen muss. Es sind die Stationen in meinem Leben: Verlust, der Wandel, den ich durchmache und die Hoffnung, positiver damit umzugehen.

Mit dem Charlie-Chaplin-Klassiker ,Smile‘ hast du ein sehr versöhnliches Ende gesetzt.

Ja, der ist meiner verstorbenen Mutter gewidmet. Es ist ein wunderschöner trauriger Song, wirklich ein alter Klassiker, den spiele ich auch gerne live am Schluss. Es ist eine so wunderbare Melodie, die spielt sich wie von selbst, da kann man nichts falsch machen.

Mit dieser Botschaft scheint es, als hättest du auch persönlich das Licht am Ende des Tunnels gefunden.

Ich versuche es zumindest. Mir geht es, im Vergleich zu den letzten Jahren, wirklich besser. Damals war ich total im Eimer. Die ganzen Schmerzen und die Dunkelheit habe ich bei dem vorigen Album verarbeitet. Jetzt bin ich glücklicherweise schon weiter. Seit drei Jahren trinke und rauche ich nicht mehr, die Scheidung von meiner Frau Shawn ist einigermaßen verarbeitet und auch der Verlust meiner Eltern war sehr schmerzlich. Aber ich habe das Gefühl, dass die meisten meiner Tage gut sind. Gerade 2012 war ein wunderbares Jahr und ich bin sehr dankbar für die vielen schönen Erlebnisse, die ich hatte.

Weißt du, zwischen 2000 und 2010 war es im Grunde eine verlorene Dekade für mich. Eine sehr merkwürdige und vor allen Dingen nicht sehr gute Zeit. Aber im Grunde ist das relativ. Gestern habe ich Mike Porcaro besucht: Versuch mal in einem Bett zu liegen, in dem du dich nicht bewegen kannst – und zwar nie mehr! Für Mike wird es kein HappyEnd geben. Das macht meine Probleme winzig und klein. Wir haben über Mikes Sohn gesprochen, der jetzt auch Bass spielt und lernt. Mike hatte Tränen in den Augen, denn er würde ihm gerne so viel zeigen und seine Rolle als Vater ausfüllen, was aber aufgrund seiner ALS-Erkrankung nicht mehr passieren wird …

Weißt du, ich schaue auf die Welt, auch was gerade an der Ostküste während des Hurricane Sandy passierte, und dieser ganze politische Wahnwitz hier in den USA: Das beschäftigt mich sehr und das reflektiere ich in meiner Musik. Ich, als älterer Mensch mit 55, frage mich, was ist nur aus dem guten „Peace and Love“ geworden? Ich hoffe, dass es immer noch da ist. Denn ich glaube fest daran, dass man auch auf das Gute im Menschen vertrauen muss.

Lass uns mal zur Produktion kommen. ,Transition‘ klingt breit, tief und dynamisch. Wie habt Ihr das hinbekommen?

Wie du weißt, liebe ich diese großen und produzierten Platten. Manche der Songs haben 100 Spuren, gar nicht unbedingt so viele Layers oder gedoppelte Parts. Aber CJ ist großartig darin, viele kleine Puzzle-Stücke einzubauen, die hier und da kleine Ergänzungen sind und die man nicht offensichtlich hört. Aber wenn du sie dann herausnimmst, fühlst du, dass etwas fehlt. Das finde ich aus produktionstechnischer Sicht richtig cool und faszinierend. Auf diese Weise bekommt man einen dreidimensional wirkenden Gesamt-Sound.

Ein gutes Beispiel dafür ist der Song ,Right The Wrong‘.

Das war ein großer Spaß: Mein Sohn Trevor, CJ und ich haben den Song geschrieben und Trevor spielt auch das Riff. Es ist großartig, die Familie dabei zu haben. Du musst wissen, wir haben, nachdem wir die Songs geschrieben hatten, nicht noch einmal alles neu aufgenommen. Bei den anderen Platten war es meistens so, dass wir die Songs dann live eingespielt haben. Dieses mal nicht: Da waren so viele kleine Ideen und Aufnahmen aus den Kompositions-Sessions, die wir nicht noch einmal so hinbekommen hätten. Vieles davon entstand aus dem Moment heraus. Diesen Vibe, die Frische und Spontaneität wollten wir erhalten. Also haben wir Drums und einige anderen Sachen dann overdubbed, um die ursprüngliche Magie unserer ersten Takes zu erhalten. Bei ,Right The Wrong‘ habe ich dann an Chad Smith gedacht – ein echter Rock’n‘Roller. Er kam rein, spielte das Ding einmal durch, Bamm … fertig! ,Right The Wrong‘ ist auch einer meiner Favoriten.

Du sagst, du hast die Sachen direkt im Studio geschrieben?

Ich war ja 2012 sehr viel live unterwegs: Rock meets Classic, Toto, G3, Ringo Starr, das ging immer hin und her. Ich war froh, wenn ich zu Hause mit CJ im Studio in den Kompositionsfluss gelangen konnte. Wir hatten ja schon vor einem Jahr ein paar Songs gemacht und das Studio ist für mich der richtige Ort, um mit Ideen zu experimentieren. Ich nahm die neue Musik dann per iPod mit auf Tour und habe unterwegs an den Texten gearbeitet. Das ist auch der Grund, warum das Album letztlich so lange gedauert hat. Aber das war auch gut, denn so konnte ich schon die ganze Zeit mit den Ergebnissen leben und sie bewerten.

Vor allem ist mir das bei den Texten und meinem Gesang sehr wichtig geworden. Mittlerweile nehme ich Unterricht bei Gary Catona (einem Vocal Coach aus Hollywood). Denn die Stimme ist im Grunde das schwierigste Instrument. Gerade wenn ich so viel auf Tour bin, muss ich da sehr vorsichtig sein, denn die Stimme verzeiht dir keine Fehler.

Durch Gary habe ich ein hervorragendes Training und auch eine Menge neues Selbstvertrauen gewonnen. Und das gilt auch für das neue Album. Mir lag sehr viel daran, dass auch mein Gesang der beste wird, zu dem ich fähig bin und im Ergebnis all diese Emotionen transportiert werden. Ich kann diese ganzen Alben der Marke … (Luke imitiert singend eine AutoTune-Stimme), die im Radio so furchtbar und grässlich aus der Konserve klingen, nicht ertragen.

Lass uns über den Titelsong ,Transition‘ sprechen. Meiner Meinung nach eines deiner besten Instrumentals mit einem Prog-Rock-Vibe.

Den habe ich mit Steve Weingart und CJ zusammen im Studio geschrieben. Wir hatten dieses Intro-Riff und es fügte sich auch alles sehr zügig zusammen. Im Grunde sind es nicht viele verschiedene Teile, obwohl der Titel anfangs vielleicht etwas komplex wirkt. Für mich ist es wie ein Old-School-ProgRock-Song aus den Siebzigern.

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(Bild: © Rob Shanahan 2012)

In der Mitte sind ja auch ein paar Gesangspassagen, in denen du die ultimative Frage stellst, was nach dem Tod passiert.

Ja, wenn du erst mal in meinem Alter bist, dann kommen diese Einschläge näher. Ich war vor ein paar Tagen zusammen mit Lee Ritenour und Jay Graydon und noch vielen anderen hier aus der L.A.-Szene auf einer Party im Haus von Ray Parker jr. Und die Gespräche drehten sich um die ganzen Wehwehchen und Krankheiten wie Krebs usw. Ich war noch der jüngste im Raum mit 55. Es ist immer beängstigend, wenn man mit seiner eigenen Sterblichkeit konfrontiert wird. Aber natürlich, es ist die innigste Frage, die sich schon unsere Urahnen gestellt haben.

Es ist aber auch ein Symbol für meine Selbstreflektion, für all die Fehler die ich gemacht habe, die ich heute bereue. Ich bin davon überzeugt, dass jeder Mensch seinen inneren Frieden finden muss, bevor er geht. Möglicherweise muss man es sonst wieder und wieder von vorne versuchen. Aber mit der Gesangspassage wollte ich den Song auch ein wenig auflockern und es ist auch ein Element der Überraschung, von dem ich vorhin sprach. Außerdem ist Steve Weingarts Keyboard-Solo darin eine Sensation! Was für eine geniale Auswahl an Noten.

Apropos Notenauswahl: Es ist auffallend, wie entspannt dein Spiel auf ,Transistion‘ ist.

Ja, ich sehe mich definitiv nicht mehr in einem „Höher, Schneller, Weiter“-Wettbewerb. Schau dir nur diese ganzen Wahnsinnigen auf YouTube an, die Skalen jagen, als wäre es ein Geschwindigkeitswettbewerb. Ich wollte ganz bewusst zurückhaltend sein und den wesentlichen Fokus auf die Melodien statt auf technische Angeberei legen. Ich meine, es gibt ja auch keine Drum-Solos auf Studioplatten, hahaha! Live ist das etwas anderes: Wenn man es sieht, die Show verfolgt, dann hat das einen Vibe, aber auf Studioaufnahmen lege ich den Fokus auf Melodie. Und gerade bei dieser Produktion, wo wir versucht haben, so viel ursprüngliche Ideen und kreative Momente wie möglich für die Platte zu erhalten, sind auch eine Menge unbewusster – ich nenne es mal Spielunfälle – passiert. Da würde man sagen, ich hätte nie daran gedacht, so etwas ein zweites Mal zu spielen. Aber es hörte sich im Kontext super an, dann haben wir es auch behalten und verwendet.

Hast du neben deinem Bogner XTC noch andere Amps im Studio eingesetzt?

Ich habe den Kemper-Profiling Amp hier und da verwendet. Am Anfang von ,Judgement Day‘ sind zum Beispiel diese verrückten Sounds, die wie ein Synthesizer klingen. Ich habe dafür mit dem Kemper herumprobiert, denn mit dem kann man ganz abgefahrene Sounds erzeugen.

Aha, du hast Modeling für dich entdeckt?

Ein bisschen. Kemper hat mir dieses Teil geschickt und ich finde, es ist auch der beste Modeling-Amp, den ich bisher gehört habe. Aber ehrlich, ich liebe den Sound meiner Bogner-Anlage und habe den auch für die regulären Sounds genutzt. Alle Effekte kamen dann im Mix aus Logic bzw. von Outboard-Effekten im Studio.

Und wie sah es bei den Gitarren aus: Hattest du wieder Vintage-Gear im Studio versammelt?

Nein, fast ausschließlich meine neue MusicMan Luke III mit den passiven DiMarzio-Pickups, die im Vergleich zu den EMGs organischer klingen. Bei ,Last Man Standing‘ habe ich eine Les Paul, die mir Joe Bonamassa geliehen hat, für dieses harte Riff verwendet. Was diese ganzen technischen Finessen im Studio betrifft, will ich ehrlich sagen, dass mich das zwar fasziniert, aber ich mich darum überhaupt nicht kümmern will. Und CJ ist nicht nur ein begnadeter Musiker, er ist auch ein hervorragender Engineer. Er nimmt mir diese ganzen technischen Dinge ab. Er hat viel mit Mikros und verschiedenen Mikro-Positionen herumprobiert. Irgendwann sagte er dann immer: „OK, einstöpseln, loslegen, hahaha!“

Im März wirst du auch die Scheibe live in Deutschland präsentieren. Wirst du darüber hinaus 2013 wieder so viel beschäftigt sein wie 2012?

Es wird auch 2013 wieder völlig wahnsinnig sein. Zunächst Proben für die Solotour im Januar, im Februar werde ich dann wieder mit Ringo Starr unterwegs sein, dann noch mal eine Woche Proben mit meiner Band, um die Feinabstimmung zu machen, im März und April dann meine Europa-Tour. Wenn ich danach wiederkomme, beginnen sofort die Rehearsals für die nächste Toto-Tour anlässlich des 35-jährigen Jubiläums. Diese Tour wird dann einmal rund um den Globus führen und bis Oktober dauern. Nachfolgend ist dann noch ein Tourmonat mit Ringo im November auf dem Terminplan. Und 2014 geht dann alles wieder von vorne los …. (Luke lacht) Im Grunde bin ich ausgebucht bis 2015 mit Soloaktivitäten, Toto und Ringo Starr.

Ringo ist sowieso der beste Gig, den man sich nur vorstellen kann. In seiner Band zu spielen ist wirklich wie im Urlaub zu sein: tolle Musik, tolle Musiker und mit Ringo ein Idol meiner Jugend, der zudem noch ein wunderbarer Mensch ist. Es ist wirklich fantastisch. Ich sehe mich als außerordentlich privilegiert an, das alles machen zu können. Da bin ich wirklich sehr, sehr dankbar, gerade in dieser Zeit, in der so viele Menschen ökonomisch leiden.

Stichwort Toto: Können die Fans anlässlich des Jubiläums möglicherweise doch noch mit neuem oder bisher unveröffentlichtem Material rechnen?

Das ist ein schwieriges Thema, denn wir sind ja mit unserer letzten Plattenfirma im Zwist. Auch so eine Erfahrung, auf die ich verzichten könnte. Jetzt sieht es so aus, als könnte es eine Lösung geben. Eigentlich wollten wir keine weitere Studioplatte machen, möglicherweise müssen wir dies aber tun. Es kommt auf die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen an. Im Detail kann ich darüber nicht sprechen, um die Verhandlungen nicht zu gefährden. Wir möchten auch gern in Zukunft wieder Live-DVDs veröffentlichen können, was uns aktuell nicht möglich ist. Wir haben ja sogar bei den letzten Touren zweimal für DVDs produziert. Beide Produktionen haben Schiffbruch erlitten: Zum einen technisch, zum anderen rechtlich und von Seiten unseres alten Managements – ein totales Desaster!

Möchtest du den Lesern noch etwas mit auf den Weg geben oder etwas ergänzen?

Kommt im März vorbei, wenn die Tour auch durch Deutschland geht. Wir werden eine spannende und wechselnde Setlist haben und die ein oder andere Überraschung integrieren. Und vielen Dank für die jahrelange Unterstützung. Die deutschen Fans sind sehr loyal, das bedeutet mir sehr viel – so was ist wirklich selten. Peace and Love.

Produkt: Gitarre & Bass 6/2023
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