Im Interview

Stephen Carpenter & Deftones: Rückkehr des Riffs

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(Bild: pitpony.photography / CC-BY-SA-3.0 / https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Deftones_Rock_im_Park_2016_(15_von_14).jpg)

Mitten in der Corona-Pandemie melden sich die Deftones mit einem fulminanten Album zurück. Als eine der wenigen Gruppen, hat sich die Band aus Kalifornien entschieden trotz der Situation, die eine Tour unmöglich macht, mit ‚Ohm‘ ein neues Album zu veröffentlichen. Wie die Aufnahmen zur Platte liefen und welches Equipment er dafür verwendet hat, erzählt Gitarrist Stephen Carpenter im Interview.

Das letzte Deftones-Album ‚Gore‘ hinterließ in Fan-Kreisen gemischte Gefühle. Zu unkonkret war das Songwriting, ein wenig beliebig die Melodien und vor allem: es fehlten die für Stephen Carpenter typischen, ultra-tiefen Riffs, die schon seit jeher ein markantes Gegengewicht zu Sänger Chino Morenos verträumt-psychedelischem Gesang darstellten.

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Nach der Rückkehr von Stammproduzent Terry Date (u.a. Pantera, Slipknot, Limp Bizkit) war die Hoffnung vieler Fans groß, dass sich dieser Mangel auf dem neuen Album ändern würde. Zwar mag ‚Ohms‘ nicht an Großtaten wie ‚White Pony‘ oder ‚Diamond Eyes‘ heranreichen, zeigt die Band aber trotzdem wieder von einer deutlich härteren und abwechslungsreicheren Seite, als es auf dem Vorgänger der Fall war.

Stephen, Gratulation zur neuen Platte. Bei eurem letzten Album ‚Gore‘ wurde ja mehrfach berichtet, dass du mit dem Ergebnis nicht so zufrieden warst. Ist das dieses Mal anders?

Das stimmt, aber ich glaube, ich wurde damals auch ein wenig missverstanden. Ich bin glücklich mit jedem Album, das wir veröffentlicht haben. Ich war nur nicht glücklich mit der Art und Weise, wie ‚Gore‘ entstanden ist. Eigentlich hing es vor allem an einem Song, den ich absolut nicht ausstehen konnte. Lass mich mal überlegen … Ach ja, das war ‚Hearts/Wires‘. Die Jungs haben diesen Song Tag für Tag gespielt und ich habe es gehasst. Das hat aber dazu geführt, dass wir die Nummer noch öfter gespielt haben, weil die Jungs wollten, dass ich den Song mag. Nach acht Monaten habe ich mir dann gesagt, dass ich mir einfach einen Gitarrenpart ausdenken muss, der mich das Stück mögen lasst. Mittlerweile mag ich es, aber am Anfang trieb es mich in den Wahnsinn.

Kannst du denn erklären, was dieses Mal anders war?

Ich bin mir gar nicht sicher, ob da etwas anders war. Ich hatte ja auch an der ‚Gore‘-Platte Spaß, bis auf diesen einen Song. Dieses Mal war es ganz entspannt. Ich bin sowieso ziemlich relaxt, wenn wir aufnehmen. Ich versuche einfach, mich vom Vibe der Musik treiben zu lassen und nichts zu erzwingen.

Wessen Idee war es denn, Terry Date als Produzenten zurückzuholen?

Na ja, Terry war ja nie so richtig weg. Bis auf zwei Ausnahmen (‚Koi No Yokan‘ und ‚Gore‘) hat er in irgendeiner Art und Weise an jedem unserer Alben mitgearbeitet. Ich weiß gar nicht mehr, wer genau jetzt die Idee hatte, wieder mit ihm zu arbeiten. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir nie mit jemand anderem aufnehmen müssen. Es ist eher der Rest meiner Band, der gerne herumprobiert und mit neuen Leuten arbeiten will.

Terry hat uns immer viele Freiheiten gelassen, aber trotzdem seine ehrliche Meinung zu unseren Songs abgegeben, ohne uns damit einzuschränken. Er ist gut darin, uns alle am Ball zu halten, vor allem, was die Termine angeht. Wenn es nur nach mir ginge – und ihr könnt froh sein, dass dem nicht so ist – würde ich mir viel mehr Zeit nehmen, um so ein Album zu machen. Die anderen sind da strikter und ziehen die Aufnahmen in deutlich weniger Zeit durch.

Früher war ich auch so, aber mittlerweile bin ich total entspannt während der Aufnahmen. Ich finde es schade, dass ich mich manchmal so gehetzt fühle beim Einspielen der Platte. Oft habe ich hinterher noch gute Ideen und ärgere mich, dass ich nicht die Zeit hatte, diese einzubringen. Aber es ist nunmal wie es ist. Wir haben jetzt Ende 2020 und das Album ist bereits seit Mai 2019 fertig, zumindest die Instrumente. Chino hat dann noch relativ lange an seinem Gesang gefeilt und letztendlich entscheidet ja die Plattenfirma, wann so ein Album erscheint.

Willst du mal erzählen, welches Equipment du benutzt hast? Vor allem deine neue ESP-Neunsaiter-Gitarre hat für viel Aufmerksamkeit unter Musikern gesorgt.

Im Grunde habe ich nur zwei Gitarren benutzt. Da wäre erstmal meine pinke Achtsaiter, die ich jetzt schon eine ganze Weile spiele. Als zweites kam dann die lila Neunsaiter, die noch ziemlich neu ist, zum Einsatz. Davon gibt es bis jetzt nur zwei Prototypen. Der erste war komplett schwarz und sah richtig gut aus. Das Problem war, dass das Teil einfach nicht wie eine Gitarre klang, was bei so einer tiefen Stimmung irgendwo auch normal ist.

Die lila Gitarre ist der zweite Prototyp, der schon deutlich besser klingt und den ich dann auch auf dem Album benutzt habe. Aber auch diese Gitarre ist definitiv noch kein Production-Model. Es klingt schon alles gut, aber ein bisschen was muss da noch passieren. Witzigerweise ist gerade heute ein neues Set Fishman-Pickups für die Gitarre auf den Weg zu mir geschickt worden und ich bin total gespannt, wie die klingen werden. Ich hoffe auf einen noch etwas aggressiveren Sound der neunten Saite. Die ersten Versionen klangen wie ein Bass. Irgendwie zu clean und einfach zu wenig Biss.

Die lila ESP-Neunsaiter ist noch ein Prototyp, wurde aber bereits auf dem neuen Album eingesetzt. (Bild: Stephen Carpenter)

War es denn schwierig für dich, von der Acht- auf die Neunsaiter zu wechseln?

Nein, überhaupt nicht. Weißt du, ich spiele schon seit zehn Jahren achtsaitige Gitarren und die neunte Saite macht gar keinen so großen Unterschied. Nur der Sound war eben noch nicht da, wo ich ihn haben wollte. Es klang ein wenig so, als würde ich einen Bass durch eine Gitarrenanlage spielen. Die Gitarre kam aber auch nur bei einem Song zum Einsatz. Den Rest habe ich mit meiner Achtsaiter gespielt.

Versteh mich nicht falsch, die Neunsaiter klang schon gut und man muss da auch einfach realistisch bleiben: natürlich wird eine so tief gestimmte Gitarre niemals die Klarheit einer sechssaitigen haben. Es gibt aber andere Gitarristen, die einen echt guten Sound mit ihrer Neunsaiter hinbekommen. Ich bin ja nun weiß Gott nicht der erste, der so eine Gitarre spielt, das haben ja ganz viele vor mir schon gemacht. Es ist nur für die Deftones etwas Neues.

In letzter Zeit habe ich übrigens gerne die Floyd-Rose-Versionen meiner Achtsaiter-Signature-Gitarren gespielt. Das Problem ist nur, dass es noch keine Floyd-Rose-Systeme für Neunsaiter gibt, daher musste ich da wieder auf eine feste Brücke zurückgreifen. Das ist natürlich kein Weltuntergang. Als wir mit der Band angefangen haben, bin ich ja vom Floyd Rose zur Fixed Bridge gewechselt. Das hatte den einfachen Grund, dass ich damals der einzige Gitarrist in der Band war. Wenn mir mal eine Saite gerissen ist, hatte ich nie das passende Werkzeug zur Hand, um schnell eine Saite zu wechseln. Eine Ersatzgitarre hatte ich auch nicht immer.

Ich hatte aber damals ein Delay-Pedal mit endlos langer Repeat-Zeit. Wenn mir dann doch mal eine Saite gerissen ist, habe ich einfach immer dieses Pedal angemacht damit wenigstens irgendetwas aus meiner Anlage kam. Heute habe ich zum Glück eine gute Auswahl an Gitarren und einen Techniker, der sich um mich kümmert. Daher kann ich wieder Gitarren mit einem Floyd-Rose-System einsetzen, ohne mir Gedanken machen zu müssen.

Ein Blick in Stephens Homestudio (Bild: Stephen Carpenter)

Lass uns doch noch mal über deine Verstärker reden. Du bist ja dafür bekannt, gerne Neues auszuprobieren und nutzt seit einigen Jahren auch intensiv das Axe FX.

Vielleicht überrascht dich das jetzt, aber auf ‚Ohms‘ habe ich kein Axe FX mehr benutzt. Meine Geschichte mit dem Teil ist ja schon etwas länger. Sergio (Vega, Bassist der Deftones) und ich haben die ersten Axe FX Ultras etwa um 2009 herum gekauft. Relativ schnell danach haben wir dann das Axe FX II bekommen und erstmal hat das auch eine Menge Spaß gemacht. Auf ‚Koi No Yokan‘ habe ich dann vor allem vier unterschiedliche Stock-Presets für die Intros von Songs wie ‚Leather‘, ‚Rosemary‘ oder ‚Goon Squad‘ benutzt. Meine Idee war damals, dass ich mit dem Tone-Matching-Feature einfach jeden Sound von jedem unserer Alben live abrufbar haben könnte.

Auf dem Papier klang das auch ganz schön, aber im Proberaum hat mich Chino mit seinem Rivera Knucklehead völlig plattgewalzt. Ich hatte damals die Caliber-22- Verstärker-Pedale von Electro Harmonix, die schon gewaltig laut waren. Aber ich hatte trotzdem einen ganzen Haufen Schwierigkeiten mit meinem Setup. Ein großes Problem war, dass ich fast immer ein Rig mit zwei Mono-Kanälen benutzt habe, das Axe FX aber komplett Stereo programmiert hatte. Nach drei Jahren voller Probleme mit dem Rig habe ich dann noch mal komplett von vorne angefangen und wir haben das Axe FX im Grunde wie einen reinen Preamp benutzt.

Also, zurück zu ‚Ohms‘: bei diesem Album bin ich quasi zurück zu meinem alten Rig gewechselt, das ich früher jahrelang benutzt habe. Also meinen alten Marshall-JMP-1-Preamp in zwei Fryette2/90/2-Endstufen. Dazu zwei 4x12er-Boxen, die mir einer unserer Techniker gebaut hat. Dann noch ein einfaches Shure-SM57-Mikro und das wars. Du musst aber bedenken, dass man natürlich einen Mix aus meiner Gitarre und Chinos Gitarre hört; er spielt tatsächlich auf jedem Song bei diesem Album.

Bei ‚Ohms‘ wechselte Carpenter zurück zum alten Rig: Marshall-JMP-1-Preamp in zwei Fryette-Endstufen. (Bild: Stephen Carpenter)

Aber er spielt nur sechssaitige Gitarren, oder?

Ja. Er hat auch ein paar Baritone-Gitarren und meistens sind seine Instrumente in C# oder C gestimmt. Ich habe von Album zu Album die Gitarren tiefer gestimmt. Inzwischen lasse ich die Achtsaiter in F# und stimme nicht noch tiefer.

Wie hast du die Effekt-Sounds auf dem neuen Album erzeugt? Alles mit analogen Pedalen?

Zum Teil ja. Den Dunlop EVH Flanger habe ich z.B. echt viel verwendet. Das Eventide H9 hat den Großteil der Effektsounds erzeugt. Ich habe mehrere davon in meinem Rig, das mir Bob Bradshaw gebaut hat. Als wir angefangen haben ‚Ohms‘ zu schreiben, habe ich noch ein anderes System benutzt, bei dem ich meinen Bogner Überschall und meinen Überschall Twin Jet gespielt habe. Irgendwo auf unserem Instagram-Profil findest du glaube ich ein Foto davon. In diesem Rig sind zwei Eventide-H9-Pedale integriert. Eines vor dem Verstärker und eines im Loop. In meinem jetzigen Rig, von dem ich eben sprach, habe ich nur noch ein H9 vor dem Eingang meines Marshall JMP-1.

Carpenters umfangreiches Effektboard: u.a. mit Strymon Big Sky, Strymon Timeline, Strymon Möbius, Eventide H9, TC Electronic Quintessence, TC Electronic Mimiq, Z.Vex Fuzz Factory und EVH Flanger. (Bild: Stephen Carpenter)

Wirst du dein JMP-1-Rig auch wieder live benutzen?

Oh, das habe ich bereits. Bei den Shows die wir 2018 und 2019 gespielt haben, hatte ich genau dieses Setup, und obwohl es etwas größer und aufwendiger ist, komme ich damit besser klar. Meine ursprüngliche Idee war ja, dass ich mit dem Axe FX nur noch ein kleines Rack mit Controller haben würde und dank der Direct Outputs keine Boxen mehr auf der Bühne bräuchte. Na ja, das hat nicht funktioniert sondern wurde ein ziemlicher Albtraum. Keiner, an dem Fractal Audio Schuld wäre, es lag einfach daran, wie ich das System programmiert hatte. Mit diesem Old-School-Rig bin ich auf jeden Fall wieder sehr zufrieden.

Stephen, vielen Dank für das Gespräch.

(erschienen in Gitarre & Bass 02/2021)

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