Abräumer-Album ,Guidance‘

Sach & Krach-Geschichten von Russian Circles

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(Bild: Suicide Squeeze Records, Archiv)

Immerhin zehn Jahre ist es bereits her, dass Russian Circles mit ,Station‘ die Welt des instrumentalen Post-Metal auf den Kopf stellten. Sicher, vergleichbare Bands gab es bereits vorher zuhauf – man denke nur an die großartigen Mono, Pelican oder auch die legendären Explosions in the Sky.

Doch die Band um Gitarrist und Kreativ- Direktor Mike Sullivan einfach als eine weitere, gute Instrumental-Kapelle abzutun, wäre vermutlich etwas voreilig. Zum einen schafften sie es früh, einen wirklich eigenständigen Sound zu entwickeln, zum anderen erreicht die Gruppe bis heute ein so großes Publikum, dass es schon erstaunlich ist, wie viele Leute sich doch für gesanglosen Metal begeistern können.

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Startschuss

Obwohl die Band bereits eine EP sowie ein Split-Album mit den Post-Hardcore-Vorreitern These Arms Are Snakes veröffentlicht hatte, sollte es doch erst ihr zweites Album ,Station‘ werden, mit dem Russian Circles ihren Stil gefunden hatten und ihre musikalische Vision zum ersten Mal voll entfalten konnten. Auf dem Debüt-Album ,Enter‘ waren zwar bereits viele gute Ideen zu hören und mit ,Death Rides A Horse‘ auch ein Stück, welches die Jungs bis heute live spielen – einem Großteil der Songs fehlt es dennoch ein wenig an Durchschlagskraft und Spannung, um den Hörer vollends zu fesseln. Nach dem Ausstieg von Bassist und Gründungsmitglied Colin DeKuiper wurde kurzerhand Brian Cook, von den kurz vorher aufgelösten Metalcore-Pionieren Botch, als neuer Tieftöner rekrutiert. Seine muskulöse und energische Spielweise sollte ,Station‘ letztendlich den Druck verleihen, welcher der Band zu diesem Zeitpunkt noch fehlte.

Mit Hilfe von Produzent Matt Bayles – der u. a. schon mit den Metal-Pionieren Isis gearbeitet hatte – begannen Ende 2007 in Seattle die Aufnahmen. Das Ergebnis sollte in der Welt des Post-Rock und – Metal für einigen Wirbel sorgen: Russian Circles schafften es auf diesem Album erstmals, tiefgestimmte, harte Riffs mit cineastischen Spannungsbögen homogen zu vereinen. Vor allem die unorthodoxen Two-Hand-Tappings von Mike Sullivan, ließen besonders Gitarristen verdutzt aufhorchen. Statt auf Geschwindigkeit setzt Sullivan hier auf geschickte, rhythmische Akzente, die oftmals prägend für den jeweiligen Song sind. Auch der Einsatz des Akai-Headrush-Loopers sorgt – neben unzähligen anderen Pedalen – für einige wirklich große Momente, die man von einem Trio beim besten Willen nicht erwarten würde. Schon der Opener ,Campaign‘ lässt den Hörer verwundert die Stirn runzeln.

(Bild: Suicide Squeeze Records, Archiv)

Die geschickt übereinander gelegten Sound-Flächen, welche Sullivan unter Einsatz eines gewaltigen Pedalboards erzeugt, bauen sich majestätisch auf und verstummen dann plötzlich um von einem jazzigen Groove von Schlagzeuger Dave Turncrantz abgelöst zu werden. Im zweiten Song ,Harper Lewis‘ – bis heute der größte Live-Hit der Band – nimmt das Album dann so richtig Fahrt auf. Abermals beeindruckt Turncrantz durch sein unfassbar dynamisches Spiel (welches hier ein wenig an Led Zeppelins John Bonham erinnert) während sich Brian Cook mit seinem fuzzig-verzerrten Bass perfekt in den Groove des Drummers fallen lässt. Rückblickend kann man speziell diesen Song wohl als Blaupause für viele spätere Russian-Circles-Kompositionen sehen. Es ist neben der groovenden Rhythmus-Sektion mal wieder Mike Sullivans unglaubliches Gespür für ein rhythmisch klug akzentuiertes Leitmotiv, das den Song so mitreißend macht. Das Titelstück sowie das Riffmonster ,Youngblood‘ lassen in Sachen Intensität und Dynamik kein bisschen nach und drücken ordentlich aufs Gas.

(Bild: Suicide Squeeze Records)

Mit dem fast neunminütigen ,Verses‘ zeigen sich Russian Circles dann von einer völlig anderen Seite. Hier Vergleiche zu Ambient-Rock-Instanzen wie Goodspeed You! Black Emperor zu ziehen, wäre vermutlich gar nicht so verkehrt. Die Band nimmt deutlich das Tempo raus und übt sich stattdessen in filmreifen, atmosphärischen Drone-Eskapaden. Das abschließende ,Xavii‘ rundet das Album mit seiner nachdenklich-melancholischen Stimmung perfekt ab und schafft es – mit Hilfe der trockenen und schnörkellosen Produktion – eine sehr intime Atmosphäre zu schaffen. Sicher, verglichen mit dem kolossalen Sound der letzten zwei Alben ,Memorial‘ und ,Guidance‘ (siehe Review Ausgabe 10/2016), kann ,Station‘ nicht ganz mithalten. Dennoch hat die direkte und ungeschönte Produktion ihren eigenen Charme und sorgt für ein authentisches Feeling.

Es bleibt festzuhalten, dass Russian Circles mit ,Station‘ sicher das wichtigste Album, zumindest aber einen entscheidenden Grundstein ihrer steilen Karriere veröffentlicht haben.

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