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Remembering Walter Becker

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(Bild: Sadowsky)

Im September letzten Jahres verstarb mit Walter Becker eine Hälfte des genialen Komponisten-Duos Fagen & Becker. Besser bekannt unter dem Namen Steely Dan schrieben die beiden höchst intelligente wie zeitlose Musik, angesiedelt irgendwo zwischen Jazz, Rock, Blues, Soul und Pop. Und sie setzten in Punkto Komposition, Arrangement, Sound, Spieltechnik und Perfektion neue Maßstäbe, die, selbst (oder gerade) an heutigen Standards gemessen, oft unerreicht bleiben.

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Als gnadenlose Perfektionisten bekannt und gefürchtet, galt Fagen als kauziger Grantler, Becker hingegen war der besonnene Ruhepol.

Die Top-Musiker der East-Coast bzw. West-Coast-Studio-Szene standen buchstäblich Schlange, um bei Aufnahmen von Steely Dan mitspielen zu dürfen…

Walter Carl Becker wurde am 20. Februar 1950 in Queens, New York geboren. Seine ersten musikalischen Gehversuche unternahm er mit dem Saxofon und nachdem er 1967 die High School in Manhattan abgeschlossen hatte, wechselte er zur Gitarre.

Randy Wolfe, ein Gitarrist aus der Nachbarschaft, zeigte ihm einige Spieltechniken und brachte ihm bei, wie man Blues spielt. Wolfe gründete dann im selben Jahr die Band „Spirit“ und erlangte als Gitarrist unter dem Namen Randy California Weltruhm.

Ein gewisser Donald Fagen wurde auf Beckers Gitarrenspiel im Campus Café des Bard College in New York aufmerksam: „Ich hörte, wie dieser Typ übte, und es klang sehr professionell und zeitgemäß…“

Die beiden gründeten daraufhin die Band Leather Canary, an den Drums saß ein Studienkollege, der zukünftige Schauspieler Chevy Chase. 1969 verließ Becker vorzeitig das College und zog mit Donald Fagen nach Brooklyn, wo die beiden ihre Karriere als Songwriter-Duo starteten.

1971 zogen sie nach Los Angeles und gründeten zusammen mit den Gitarristen Denny Dias und Jeff Baxter, dem Schlagzeuger Jim Hodder und dem Sänger David Palmer die Band Steely Dan, deren Kultstatus bis heute andauert.

Becker spielte Bass, Fagen übernahm die Keyboards und die folgenden drei Jahre verbrachten sie fast ununterbrochen auf Tour und im Studio.

Etwa 1974 schworen sie dem Tour-Leben ab und entschlossen sich, fortan als reine Studio-Band mit wechselnden Musikern zu arbeiten. Becker war nun Co-Songwriter, Gitarrist, Bassist und Background-Sänger in einem.

Das Album „Pretzel Logic“ (1974) war die erste Veröffentlichung, auf der Walter Becker Gitarre spielte: „Nachdem ich Chuck Rainey (Bassist und Session-Musiker, Anm. d. Verf.) getroffen hatte, bestand für mich wirklich keine Notwendigkeit mehr, meinen Bass ins Studio mitzubringen“, erklärte Becker.

Ungeachtet des Erfolgs von „Aja“ (1977) hatte Becker während dieser Zeit mit einigen Rückschlägen zu kämpfen. Nach der Rückkehr nach New York 1978 starb seine damalige Freundin an einer Drogen Überdosis in seinem Apartment, was einen Prozess gegen ihn wegen fahrlässiger Tötung nach sich zog.

Kurz darauf wurde er in Manhattan von einem Taxi angefahren. Seine gesamte Lage verschlimmerte sich noch durch den kommerziellen Druck der Plattenfirma und die komplizierte Aufnahmesituation des nächsten Albums „Gaucho“. Mitte 1981 beendeten Becker und Fagen vorerst ihre Partnerschaft. Becker zog nach Maui, Hawaii, gab die Drogen auf und begann als Produzent zu arbeiten.

In den 1980er-Jahren produzierte er Alben für Michael Franks, Rickie Lee Jones und China Crisis. 1991 tauchte er in Donald Fagens New York Rock & Soul Revue auf und produzierte kurz darauf dessen zweites Solo-Album „Kamakiriad“ (1993), auf dem er auch als Gitarrist und Bassist zu hören ist. Im darauf folgenden Jahr erschien Beckers Debut-Album „11 Tracks Of Whack“, welches wiederum von Donald Fagen produziert wurde.

Steely Dan gingen 2000 zum ersten Mal nach 19 Jahren wieder auf Tour und veröffentlichten mit „Two Against Nature“ ihre erste Platte nach 20 Jahren. Das Album gewann vier Grammy Awards inklusive „Album of the Year“.

Steely Style

Walter Beckers Spiel ist hörbar vom Blues beeinflusst, seine Herangehensweise und Tonauswahl sind jedoch weit entfernt von typischen Blues-Soli. Aus dem Stück „Cousin Dupree“ von dem Album „Two Against Nature“ habe ich sein komplettes Solo transkribiert. Durch die perfekt platzierten Pausen entsteht ein großer Spannungsbogen, und seine Phrasierung spiegelt die Genialität eines Querdenkers wider. Sein Ton ist dabei stets sehr geschmackvoll, clean, dynamisch und bei stärkerem Anschlag leicht angezerrt.

„Das heutige Gitarrenequipment klingt generell sehr gut, und im Gegensatz zu damals ist es für mich nun viel einfacher, einen tollen Sound hinzubekommen…“, so Walter, angesprochen auf die Aufnahmen zu „Two Against Nature“. Für die meisten Gitarren-Parts verwendete Becker Verstärker von Bogner, Top Hat, Mesa Boogie und Bruno.

Die Rhythmus-Gitarren wurden über einen Massenburg Preamp/Compressor direkt ins Pult gespielt. Seine Lieblingsgitarren wurden vom New-Yorker-Gitarrenbauer Sadowsky hergestellt, die meisten bestückt mit zwei DiMarzio-Singlecoils und einem Sadowsky-Humbucker. Sein Walter-Becker Signature-Modell wartet hingegen mit Lollar-P-90-Tonabnehmern und einem Preamp/Buffer auf.

Sämtliche Gitarren waren mit 11er-Ernie-Ball-Saiten bestückt. Bei Konzerten standen noch weitere Gitarren (Hahn, Frye, Fender, Fano, Kauer), Amps (Marshall, Suhr, 3 Monkeys), sowie ein Pedalboard (Sonic Research Tuner, Barber Compressor, Eventide Pitch Factor und Space, Moog Moogerfooger, Pigtronix Phaser, Boss NS-2, MXR Carbon Copy) bereit… 2001 wurden Steely Dan in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen, Becker und Fagen erhielten zusätzlich die Ehrendoktorwürde vom Berklee College of Music.

2003 erschien mit „Everything Must Go“ das nächste und leider letzte Steely Dan Album. 2008 wurde Walter Becker in die Long Island Music Hall of Fame aufgenommen, kurz nachdem sein zweites Solo-Album „Circus Money“ erschienen war. Am 3. September 2017 starb Walter Becker zuhause in Manhattan. In einer Presseerklärung erinnerte Donald Fagen an seinen langjährigen Freund und musikalischen Partner: „Smart as a whip, an excellent guitarist and a great songwriter…“ Und genau so sollte uns Walter Becker in Erinnerung bleiben!


Post und E-Mails bitte wie immer an die G&B-Redaktion oder an: stringbound@tomriepl.com

News & Info: www.walterbecker.com.

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2018)

Produkt: Gitarre & Bass 11/2022 Digital
Gitarre & Bass 11/2022 Digital
Im Test: Jackson American Series Soloist SL3 +++ Maybach Little Wing +++ Taylor 514ce V-Class +++ Sandberg California II TT BassTheWorld +++ Blackstar Amped 1 +++ British Pedal Company Dallas Rangemaster +++ Ashdown ABM 600 & 410H +++ Höfner 500/1 63 Artist +++ Source Audio Atlas

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