Teil 3

Punkrock aus Deutschland: Donots

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(Bild: Yannic Bill)

„Wir machen alles zusammen. Wenn wir bei Festivals herumlaufen, sehen wir aus wie eine Entenfamilie“ erzählt Donots-Gitarrist Alex Siedenbiedel. Das gilt auch für das Interview mit der kompletten Saitenfraktion im Studio/Büro/Lager-Komplex in einem alten Bunker in Münster. Hier hat sich die Band aus dem beschaulichen Ibbenbüren ein gemütliches Arbeitsumfeld geschaffen.

Trotz 25 Jahren Bandgeschichte sind Zynismus, Star-Allüren oder routinierte Abgeklärtheit immer noch Fremdworte für die mittlerweile auf Deutsch singenden Donots und so ergibt sich ein äußerst lustiges, engagiertes Interview mit den Gitarristen Guido und Alex sowie Bassist Jan.

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Donots(Bild: Martin Schmidt)

früher

Wie ging es bei euch mit der Musik los?

Guido: Angefangen hat es bei mir mit der Band Bros. Gitarrenmusik kam so 89/90 dazu, als mein älterer Bruder mit Metal-Scheiben ankam. Dieser Krach hat mich direkt angesprochen

Jan: Bei mir fing es in der Skaterphase mit den Sex Pistols an, das war meine erste Berührung mit Punkrock. Dann kam ich zum Metal und anschließend in eine ganz schlimme Deutsch-Punk-Phase. Das ging dann über in amerikanischen Punkrock, bis wir anfingen selber Musik zu machen.

Alex: Bei mir war das erste Duran Duran mit ‚Wild Boys‘. Dann Bon Jovis ‚Slippery When Wet‘. Anschließend war eine Zeit lang HipHop dran, aber das musikalisch entscheidende Jahr war für mich das mit den Riesenplatten: Das schwarze Album von Metallica, Rage Against The Machine, Pearl Jam, Nirvana. Das hat bei mir alles gezündet.

Seit wann gibt es die Donots genau?

Guido: Seit Ende 1993. Der erste Auftritt war am 16. April 1994.

Der Anfang eurer musikalischen Karriere?

Guido: Damals hat noch keiner an eine Karriere gedacht. Einer sagte: „Es ist langweilig hier im Dorf, lass uns Mucke machen.“

Hattet ihr mal Unterricht auf euren Instrumenten?

Guido: Ich hatte bei zwei Leuten Unterricht. Ein Freund von meinem älteren Bruder hat mir das Rock’n‘Roll-Schema und die Pentatonik beigebracht. Da ging für mich schon eine Welt auf. Dann war ich noch ein Jahr bei Daniel Thomas Hanowski. Der hat es ein bisschen mit Theorie bei mir probiert, aber da habe ich nicht wirklich zugehört. (lacht)

Alex: Ich hatte zunächst Konzertgitarren-Unterricht. Das fand ich auch gut und interessant, aber dann kam die Pubertät, durch die ich lieber lauten Krach machen und E-Gitarre spielen wollte. Parallel zu meiner ersten Band hatte ich dann noch ein Jahr E-Gitarrenunterricht.

Jan: Ich hatte genau einen Nachmittag lang Unterricht. Es gab diesen unglaublich guten Bassisten auf unserer Schule und der hat mir alle Grundsätze gezeigt. Willst du mit Finger oder Plek spielen? … Greif sauber … Achte auf den Fingersatz … Danach habe ich mir alle möglichen Bücher gekauft und selbständig gelernt.

Das heißt, ihr habt auch gewisse musikalische Grundkenntnisse?

Alex: Das größte musikalische Verständnis hat unser Sänger Ingo, dadurch, dass er mal Klavier gelernt hat. Aber keiner von uns kann Noten schreiben oder vom Blatt spielen.

Habt ihr trotzdem auch Interesse an Virtuosität und Gitarrenheldentum?

Guido: Mir geht es eher darum, Sounds und Effekte geschmackvoll einzusetzen. So ein Solo-Geschrubbe gibt mir nichts. Nimm zum Beispiel die letzten beiden Cardigans-Platten. Der Typ spielt an den richtigen Stellen, nicht zu viel, nicht zu wenig, lässt dem Song Platz und setzt sehr geil die Effekte ein. Das schockt mich mehr als so ein Gehudel.

Jan: Es gibt ja diese Leute z. B. in YouTube-Videos, die zwar schnell sind, sich aber einen absoluten Salat zusammenspielen. Mit so jemandem könntest du in einer Band nichts anfangen. Schnell aber schlecht ist nie gut für eine Band.

Gibt es noch etwas, das ihr gerne lernen möchtet, was euch weiterhelfen könnte?

Jan: Ich finde, man lernt immer dazu. Wir haben letztens eine Band aus Berlin produziert und dabei unheimlich viel gelernt.

Alex: Wenn es um Technik geht, hatte ich nie Ambitionen. Ich wollte immer das spielen können, was ich gut fand oder was der Song braucht, aber das Virtuose hat mich nie gereizt. Das limitiert mich natürlich.

Guido: Je mehr du kannst, desto mehr willst du auch unterbringen.

Alex: Diejenigen, die es richtig können, können alles, benutzen es aber nicht. Wie ein Koch, der alles dastehen hat und weiß, er braucht nur Salz und Pfeffer. Manchmal sind auch gerade die Sachen geiler, die nicht 100 Prozent sind, sondern einfach aus dem Bauch heraus entstehen. Wie Rancid. Da ist vieles schlabberig dran, aber wenn es mit Seele und Überzeugung daherkommt, ist das eigentlich das Geilste.

Donots
Pedalauswahl muss sein (Bild: Martin Schmidt)

bandalltag

Macht ihr noch andere musikalische Sachen neben den Donots?

Alex: Wir sind da ein Sonderfall. Wir haben schon immer diese Band gemacht und konnten schon relativ früh davon leben. Deswegen hat nie jemand versucht, ein zweites Standbein aufzubauen, Vorträge zu halten oder Unterricht zu geben. Viele Kollegen können es gar nicht glauben, dass unsere GEMA-Einnahmen nur aus unseren Songs stammen.

Habt ihr eine feste Aufteilung zwischen den Gitarren?

Alex: Er die schwierigen Sachen und ich die einfachen. (lacht) Und die einfachen, die ich kriege, die spiele ich dann noch einfacher. Wenn wir alle zusammenspielen und die Leute besoffen sind, merkt das eh kein Schwein. (alle lachen)

Und wie sieht es beim Komponieren aus?

Alex: Seit zwei Platten kommen eigentlich erst mal alle Demos von Guido.

Guido: Das sind aber keine fertigen Songs, die machen wir später zusammen. Ich baue zu Hause erst einmal Grundideen zusammen und wenn wir ins Studio gehen, habe ich 60 bis 70 Ideen, wobei da auch viel Käse dabei ist. Ich sammle einfach, manchmal hast du eine Schrottidee, spielst sie jemandem vor und der hat dann einen Geistesblitz.

Machst du da auch schon eine Vorproduktion?

Guido: Ja, mit Gitarre, Bass und Schlagzeug. Gesangsmäßig tue ich mich immer ein bisschen schwer.

Nehmt ihr live auf oder Track by Track?

Jan: Wir haben schon alles gemacht. Bei den letzten Platten haben wir versucht frisch zu schreiben, den Song für die Demos so schnell wie möglich fertigzumachen und dann einzeln aufzunehmen. Es ist nicht so, dass wir die Songs dann schon monatelang geprobt hätten.

Seit ein paar Jahren singt ihr auf Deutsch. Hat das auch die Musik verändert?

Guido: Ja, schon. Bevor wir deutsch gesungen haben, fand ich es schwierig, Sachen zu schreiben, die abgehen. Ich fand, dass wir bei krachigen Songs schnell durchschaubar waren. Seit dem Wechsel zu Deutsch habe ich viel mehr Bock auf Randale.

Jan: Es wurde sofort viel ungestümer.

Guido: Räudiger! Vielleicht durch die Angst vor Deutschpop. (lacht)

Jan: Es fühlte sich auf einmal an wie eine neue Band. Alles hatte so eine Frische, das war schon gut!

Wie sieht euer Bandalltag abseits von Touren und Aufnahmen aus?

Jan: Gefühlt sehen wir uns sehr oft.

Alex: Geprobt wird davon aber wenig …

Jan: Dadurch, dass alle außer mir Familie haben und zum Proben nach Münster kommen müssen, treffen wir uns in Blöcken, z. B. Donnerstag und Freitag, und dann in der nächsten Woche wieder.

punk

Wann und wie seid ihr mit Punk zum ersten Mal in Berührung gekommen?

Guido: Ich habe mit 11 in der Scheune in Ibbenbüren mein erstes Punkkonzert gesehen. Da haben Rich Kids on LSD gespielt und der Sänger hat die ganze Bühne vollgekotzt. Das hat mich ziemlich beeindruckt. In Ibbenbüren gab es auch eine gute Szene. Das ist eine Kleinstadt und vor der Scheune stand regelmäßig ein Nightliner mit einer California-Punkband.

Was hat euch daran angesprochen?

Guido: Ich fand die Attitüde geil. Rancid oder Operation Ivy hatten so eine Scheißegal-Haltung, aber trotzdem auch etwas Positives dabei.

Habt ihr eine Definition was Punk ist?

Alex: Für mich ist es auf keinen Fall etwas Destruktives, sondern eher etwas Lebensbejahendes, Entspanntes, Gemeinsames, eher positiven Dingen zugewandt. Dieses Klischee, dass man als Punk gegen die Norm sein muss, ist für mich schon zutreffend. Wenn die Norm ist, dass du alles so machen musst, wie die Gesellschaft es vorgesehen hat, dann sagt dir Punkrock, dass du auch mal links und rechts vom Weg schauen kannst. Viel Freiheit!

Und musikalisch?

Guido: Es ist eher die Attitüde, die über allem steht, als dass es eine bestimmte musikalische Richtung gäbe. The Clash waren sehr wichtig. Das war sehr luftig und poppig, aber auch unsauber gespielt und das schockt mich mehr als diese überproduzierten Ami-Sachen.

Wie schwer ist es, eine gewisse Haltung mit dem Beruf als Musiker in Einklang zu bringen?

Alex: Gar nicht. Auch wenn wir von der Musik leben, sehen wir das nicht als Beruf, den man optimieren kann. Musikalisch ist es kein Theaterstück, das sind einfach wir. Wir sind auch keine explizit politische Band, aber wir sind fünf Typen, denen Sachen auf die Nerven gehen und darüber kann man sprechen und das auch auf der Bühne sagen. Es gibt keinen Unterschied dazwischen wie wir ticken und wie wir als Band sind.

Glaubt ihr, dass Punk und die DIY-Idee als Szene weiter bestehen werden?

Alex: Wir haben schon öfters darüber geredet, wie krass es ist, dass wir mit Idealen von Punkrock-Bands aufgewachsen sind, die gesellschaftlich konstruktiv darüber nachdachten, wie man bestimmte Situationen besser machen könnte, und heute hört die ganze Schule von der 5. bis zur 13. Klasse 187 Strassenbande und kriegt damit dieses Gangster-Rap-Weltbild und diese Werte vermittelt. Mal sehen, wohin das führt…

instrumente

Der ESP-Bühnenbass von Jan
Music Man Stingray
Framus Semiakustik und Tele Custom
Guild Starplayer
Gibson Les Paul 1977
Guidos Gibson ES-335, von Alex live genutzt
Guidos Bühnen ESP-Eclipse
Epiphone Melody Maker aka das Paddel
Fender Precision Special

Welche Instrumente setzt ihr ein?

Alex: Ich benutze seit Jahren eine Custom ESP Tele Navigator und Guidos 335. Als Amp nehme ich ein Friedman-Topteil, ich habe aber auch schon zwei Touren mit einem Kemper gespielt. Für die Effekte nehme ich ein G-System von TC Electronic. Ich möchte Sachen haben, an denen man nicht viel herumschrauben muss, die einfach funktionieren.

Jan: Ich habe einen Precision-Special-Nachbau von ESP, einen Fender Precision, einen Precision Special und einen Sandberg. Auf der letzten Platte kam bei 80 Prozent der Aufnahmen mein Livebass von ESP zum Einsatz. Als Amp hatte ich lange einen Ampeg SVT, der bei einem Festival kaputt gegangen ist. Nach der Reparatur klang er nicht mehr so gut und ich bekam als Ersatz einen Tech 1000 von Tech 21, der einen guten Job macht. Das Signal wird mit einer Lehle-Box in einen cleanen und einen verzerrten Amp-Weg mit ProCo Rat gesplittet. Nachdem Guido und unser Backliner mir Darkglass empfohlen hatten, habe ich mir drei Pedale schicken lassen und alle klangen geil. Seitdem spiele ich Darkglass.

Guido: Mein Live-Setup ist eine ESP Eclipse mit Häussel-Pickups mit wenig Output. Der Amp ist ein Friedman mit selbstgebauter 1×12″- Box. Außerdem benutze ich noch eine Tele Custom in Pink Sparkle, sehr schwer, aber sie klingt fantastisch. Außerdem habe ich noch eine Guild Starplayer von 1968 für einen runtergestimmten Song. Mein Effektboard ist ständig im Wandel. Die Grundlage ist das G-System plus verschiedene Zerrer: Ein Himmelstrutz Fetto Custom, ein Gurus 1959 Doubledecker, der oft auch im Studio im Einsatz ist, ein Fuzz und verschiedene andere Sachen. Letztens habe ich mich auch in einen Fender Princeton verliebt, einer der geilsten Amps, mit dem man vom Brett bis clean alles machen kann.

Der alte Ampeg SVT von Jan
Ein von Peter Diezel persönlich gemoddeter Marshall JMP
Friedman Dirty Shirley und Marshall JTM-45
Das selbsgebaute 1x12“-Cabinet

Alex: Guido kann Tage damit verbringen zig Mikros, Positionen, Lautsprecher, Gitarren, Tops auszuprobieren!

Guido: Und Treter … Das ist das Schönste! Du hörst einen Part, hast Ideen, im Kopf siehst du schon ein Stressbrett, wo einer ein Ding rausnimmt und ein anderes reinsetzt und verkabelt. Dann baust du es nach und denkst: Ah, es hat geklappt, genau da wollte ich hin. Das schockt, alles andere auf der Welt interessiert mich eher weniger. (lacht)

Guidos Pedalboard
Das Pedalboard von Alex
Jans Pedalboard

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2019)

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