Modernes Rockgerät aus Bulgarien

Pawn Shop: Orfeus Hebros

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In dieser Folge der Pawnshop-Reihe bleiben wir hinter dem Eisernen Vorhang, es zieht uns aber in klimatisch freundlichere Gefilde als beim letzten Mal: nach Bulgarien, wo die kommunistische Führung dem Drängen nach modernem Rockgerät nachgab und unter dem Label „Orfeus“ einige der schrägsten Gitarren des Ostblocks geschaffen wurden.

(Bild: Christopher Kellner)

Leider wissen wir nur wenig über die Macher der alten Orfeus-Instrumente, weshalb man bei der Recherche auch immer mit „alternativen Fakten“ rechnen muss. Nicht mal ein Blinder würde bei der „Hebros“, die wir uns heute genauer anschauen wollen, von einer ES-335 Kopie sprechen – die Ähnlichkeiten hören bei der Thinline- Korpusform mit zwei Cutaways auch schon auf. Die Herren aus Kalamazoo hatten dafür aber nicht die abgefahrene Sonnenaufgangs-Lackierung der Bulgaren am Start, die durchaus dem Stil kommunistischer Propaganda-Kunst folgt und enorm zum Kultfaktor dieser seltenen Lady beiträgt. Gebaut wurde sie in den späten 60ern oder in den 70er-Jahren.

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(Bild: Christopher Kellner)

Die Decke aus vermutlich laminierter Fichte ist flach, das Vibrato haben die Bulgaren einfach draufgeschraubt. Der mit 21 (inklusive Nullbund) Messingbünden ausgerüstete Hals hat ein stark gewölbtes Griffbrett und ist angeschraubt. An den verräterischen Spielspuren auf den ersten Bünden erkennt man, dass die schwarze Farbe des Griffbretts aufgemalt wurde. Die Saiten laufen vom Sattel unter einen schlampig angeschraubten Niederhalter zu den Mechaniken. Diese sind so gut wie unbrauchbar, was die bulgarischen Gitarren mit ihren sowjetischen Schwestern verbindet. Bei der vorliegenden Hebros habe ich sie deshalb durch optisch passende neue ersetzt, die sofort die Stimmstabilität in ungeahnte Qualitätsbereiche katapultieren – und die Gitarre durchaus Live-tauglich machen würden, wären da nicht die Pickups.

(Bild: Christopher Kellner)

Klanglich – man möge mir den Kalauer verzeihen – geht hier leider nicht die Sonne auf: Es handelt sich um Singlecoils mit extrem niedrigem Output – was schade ist, denn der Abstand zu den Saiten lässt sich leider nirgendwo einstellen; wer den Verstärker nicht ordentlich aufdreht, wird mit einem recht dünnen Sound bestraft. Bei beherzter Lautstärke aber twangt es aus den Boxen, dass man sich fast auf einem Surfbrett am Schwarzen Meer wähnt …

Schlampiger Saitenniederhalter und, siehe rechts, Pickups mit niedrigem Output, die nicht in der Höhe verstellt werden können. (Bild: Christopher Kellner)

Das Vibrato – hier mit passendem Ersatzarm, denn das Original war wie so oft verschwunden – arbeitet relativ verstimmungsfrei, wenn man es nicht für wilde westliche Stromgitarrenmusik missbraucht. Immerhin lässt sich an der Brücke die Intonation für jede Saite einzeln einstellen – das bot so manche japanische oder auch westdeutsche Zeitgenossin nicht an. Die Potis waren beim vorliegenden Exemplar leider nicht mehr zu gebrauchen. Es gab auch keinen Wahlschalter, sondern nur zwei Lautstärke- und ein Ton-Poti, weshalb ich das mal historisch unkorrekt, in der Praxis aber wohltuend mit einer modernen 1-Volume-1-Tone- Toggle-Switch-Schaltung korrigiert habe, inklusive des typischen Gefummels beim Poti-Tausch an einer Thinline-Gitarre ohne von hinten zugänglichem Elektronik-Fach. Genau wie ihre Schwestern auch, ist die Orfeus Hebros eine kultige Gitarre mit Liebhaberwert, die mit vernünftigem Setup erstaunlich viel Spaß macht.

(Bild: Christopher Kellner)

Eine niedrige Saitenlage ist möglich, zumal man bei einer Schraubhalskonstruktion immer einen Shim unterlegen kann. Der Halsstab arbeitet in der Regel gut, Intonations- und Oktavreinheit sind gegeben – so weit unten wie bei den zeitgenössischen sowjetischen Gitarren darf man die Qualität dieser Balkanschönheiten nicht ansiedeln. Ambitionierte Bastler können die Praxistauglichkeit sicher noch erhöhen, indem sie die Pickups näher an die Saiten legen. Wer den Anspruch hat, dass seine Gitarrenkäufe aus dem Karton heraus geschmeidig bespielbar sind, sollte – und ja, ich wiederhole mich in dieser Serie noch öfter – Vorsicht Beim Onlinekauf einer Orfeus walten lassen. In Deutschland werden sie meist von ungarischen oder gar ukrainischen Anbietern angeboten, und zwar „verkauft wie gefunden“ – das heißt, da muss man schon nochmal beigehen, wie es im Norden so schön heißt. Die Preise liegen im Schnitt zwischen 100 und 200 Euro, mehr sollte man nur bei einem vollrestaurierten Exemplar mit Rückgaberecht ausgeben. Ein Hingucker ist die Orfeus Hebros allemal; es gibt sie übrigens auch als Bass – wer beide erwischt, kann beim Gig eine besonders schräge Balkan-ZZ-Top-Nummer abziehen!


Aus Gitarre & Bass 04/2017

Kommentar zu diesem Artikel

  1. “schwarze Farbe des Griffbretts aufgemalt…” Ha-ha-ha! Ich hatte vor vielen Jahren eine 12-string, ebenfalls aus Bulgarien (an die Marke kann ich mich nicht mehr erinnern). Nach einiger Zeit kamen durch die dunkle Oberfläche helle Stellen durch, und das Griffbrett nutzte sich unglaublich schnell ab. So wurde das scalloped Griffbrett erfunden!

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