Marilyn Mansons Gitarren-Duo

Paul Wiley & Tyler Bates (Marilyn Manson) im Interview

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Manson Gitarristen
(Bild: Matthias Mineur)

Für die internationale Regenbogenpresse ist Marilyn Manson immer wieder ein gefundenes Fressen. Der zugleich introvertierte wie exzentrische US-Superstar sorgt mit kleineren und größeren Skandalgeschichten regelmäßig für öffentliches Interesse. Drogenprobleme, Depressionen, Selbstverletzungen, tragisch endende Partynächte, wechselnde Liebesaffären: Der 1969 als Brian Hugh Warner geborene Manson lässt kaum etwas aus.

Aber wie ist er als Musiker? Wie verhält er sich als Bandchef? Ist er hinter den Kulissen ebenso unberechenbar wie auf der Bühne?

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Um dieser spannenden Frage nachzugehen, verabredeten wir uns bei einer Manson-Show in Düsseldorf mit seinen Gitarristen Tyler Bates (TB) und Paul Wiley (PW). Beide Musiker sind als Soundtrack-Komponisten und -Produzenten seit Jahren in der amerikanischen Filmindustrie fest etabliert und an zahllosen Fernseh- und Kinoproduktionen beteiligt.

Manson Shannon Gabriel
Ein großes Dankeschön geht an Tyler Bates Guitar-Tech Shannon Gabriel, der sich viel Zeit genommen hat, uns das Band-Equipment zu zeigen und jede noch so hartnäckige Frage zu beantworten. (Bild: Matthias Mineur)

interview

Tyler, wie würdest du deine Position in der Band von Marilyn Manson bezeichnen? Bist du sein Produzent, sein Songschreiber, musikalischer Leiter?

TB: Bis zu einem gewissen Grad bin ich das wohl alles. Als wir vor vier Jahren die Zusammenarbeit begannen, stand eine Albumproduktion zunächst nicht auf der Agenda. Wir komponierten einfach ein paar Songs, und als dann die Produktion zu ,The Pale Emperor‘ anstand, bat er mich um Unterstützung, auch bei der Zusammenstellung einer Band. Dass ich dann irgendwann selbst Teil dieser Gruppe sein würde, war allerdings in keiner Weise geplant. Mein erster Gedanke war: Gil (Sharone, Schlagzeuger der Band, Anm. d. Verf.) muss die Songs eintrommeln und Paul muss die Gitarrenarbeit übernehmen. Paul und ich sind seit Jahren befreundet, er ist ein großartiger Gitarrist.

Manson Gitarristen
(Bild: Matthias Mineur)

Hat Manson geäußert, was er von dir, Paul und Gil erwartet?

TB: Nein, er vertraute mir einfach. Ich sagte ihm, dass Paul ein super Typ sei, sehr umgänglich und ein Tier an seinem Instrument. Außerdem wusste ich, dass Paul mit dem Manson-Material vertraut ist.

Ich konnte beim Soundcheck sehen, dass ihr zu einem Clicktrack spielt und Sound-Samples „eingeflogen“ werden. Wie viel eurer Gitarrenarbeit ist während der Show wirklich live?

PW: 100%! Sämtliche Gitarren, der Bass und das Schlagzeug sind komplett live. Auf den Samples findet man nur Synthesizer, Keyboards, Geräusche usw. Das, was man sieht, findet tatsächlich statt.

TB: Wenn ich mich in Los Angeles um andere Dinge kümmern muss, kann ich sowieso nicht bei den Konzerten dabei sein. Deswegen gibt es Songs wie beispielsweise ,Dope Show‘, wo Paul sämtliche Gitarren spielt, unabhängig davon, ob ich dabei bin oder nicht. Wenn ich dann partiell dazustoße, doppele ich mit meinen Effektpedalen einige Synthesizer-Parts und versuche, der Musik mehr Lebendigkeit und Punkrock zu geben. Paul ist immer sehr kooperativ und erlaubt mir, dabei zu sein, wenn ich die Zeit dafür finde, oder auch wegzubleiben, wenn ich terminlich verhindert bin. Auch Manson begrüßt es, wenn ich an Bord komme, und akzeptiert, dass ich mitunter andere Dinge zu tun habe. Deswegen harmoniert es in der Band, und wir können versuchen, Manson nicht nur wieder dahin zu bringen, wo er in den Neunzigern schon mal war, sondern auch dahin, wo diese Art Performance generell ihren Platz in der Musikgeschichte haben sollte.

Marshall JCM 900
Marshall JCM 900 100 Watt (Bild: Matthias Mineur)

Wie viele unterschiedliche Gitarrentunings gibt es innerhalb der Show?

PW: Wir haben Standard-E-Tuning, dann das Ganze als Drop-D und zusätzlich, beispielsweise im Song ,Angel With Scabbed Wings‘, runter auf Es gestimmt. Zudem werden einige Songs in B gespielt, etwa ,Antichrist‘ …

TB: … oder auch ,Coma White‘, bei dem die hohe E-Seite auf A gestimmt ist, um ein bestimmtes Anschlagmuster zu ermöglichen. Das ist mitunter ein wenig irreführend …

PW: … weswegen wir in Amerika einige zusätzliche Gitarren dabei haben. Denn mitunter ruft Manson an und will spontan einen Song spielen, der seit drei Monaten nicht mehr auf der Setlist stand.

Marshall 4x12 Classic
Marshall 4×12 Classic Straight Angle Cabinet (Bild: Matthias Mineur)

Deswegen gab es heute auch den überaus langen Soundcheck, richtig?

TB: Manson schickte uns heute eine Nachricht, dass er heute Abend einen Song spielen will, den wir noch nie live gespielt haben. Das Stück heißt ,Tattooed In Reverse‘ und stammt vom aktuellen Album ,Heaven Upside Down‘. Es gibt dazu ein neues Video, deswegen möchte Manson den Song im Programm haben. Also mussten wir uns als Band die Nummer in aller Kürze draufschaffen. Ich habe den Song zwar zusammen mit Manson geschrieben, ihn jedoch schon seit Monaten nicht mehr gehört. Aber ich liebe ihn, es ist eine meiner Lieblingsnummern vom neuen Album. Für Paul gilt das Gleiche: Er schreibt Filmmusik, wenn er nicht auf Tournee ist, und hat eine Menge um die Ohren. Deswegen war auch bei ihm diese Nummer nicht sofort parat.

Manson Gitarristen
Das Pedalboard mit Voodoo Lab Pedal Power II, Ernie Ball VP JR Volume Pedal, Custom Audio Wah, DigiTech Whammy De Tune, EarthQuaker Organizer, DOD Carcosa Fuzz, MXR Super Badass Distortion, EarthQuaker Dispatch Maker, TC Electronic Corona Chorus, Earthquaker Rainbow Machine, Boss DD-3 Digital Delay, Boss TU-3 Tuner, Boss Noise Suppressor NS-2 (Bild: Matthias Mineur)

Laufen Manson-Shows auch schon mal komplett aus dem Ruder? Etwa weil euer Chef einfach zu spontan ist?

PW: In solchen Momenten sind wir halt gefordert und müssen improvisieren. Ich würde mal sagen, dass in 95 bis 97 Prozent der Fälle alles einigermaßen gut zu bewerkstelligen ist. Vielleicht der eine oder andere Schweißausbruch, aber im Großen und Ganzen ist es OK.

TB: Manchmal ändert sich plötzlich das Arrangement eines Songs und Manson will den Refrain spielen, obwohl er eigentlich erst später kommt. In erster Linie ist dann unser Schlagzeuger Gil Sharone gefordert, denn er spielt komplett zu einem Clicktrack. Wir anderen bevorzugen ein offenes Monitoring, denn ich finde, dass eine Band lebendiger und dynamischer klingt, wenn man so frei wie möglich spielen kann. Falls Manson plötzlich etwas im Song geändert haben will, müssen wir abwarten, wie Gil reagiert. Und erst dann, wenn er die Nummer stoppt, stoppen wir auch. Das alles passiert dann vollkommen ungeprobt.

Tyler Bates Pedalboard
Das Pedalboard mit Voodoo Lab Pedal Power II, Dunlop Dimebag Crybaby From Hell Wah, Boss TU-3 Chromatic Tuner, Boss CE-5 Chorus, Boss DD-7 Digital Delay, Boss NS-2 Noise Suppressor, EarthQuaker Data Corrupter, EarthQuaker Organizer, JHS Little Buffer (Bild: Matthias Mineur)

Erkennt ihr sofort, in welcher Stimmung er ist, wenn er abends zum ersten Mal auf die Bühne kommt?

PW: Ehrlich gesagt, weiß ich bereits nach wenigen Sekunden, wohin die Reise an diesem Abend gehen wird.

TB: Wenn sein Monitor-Sound gut ist und er sich selbst hören kann, ist er entspannt.

PW: Und wenn das Publikum sofort auf ihn reagiert und ihm zusätzliches Feedback gibt, ist alles in Ordnung.

TB: Als jemand, der in den zurückliegenden Jahren viel Zeit mit Manson verbracht hat, kann ich sagen, dass er mit dieser Band so glücklich und selbstbewusst ist wie lange nicht mehr.

PW: Manson weiß, dass die Band jeder Situation gewachsen ist und niemals den Faden verliert. Deswegen ist er zurzeit so gelassen.

TB: Und wie schon gesagt: Deswegen ist es so wichtig, nicht nur gute Musiker in der Band zu haben, sondern auch eng befreundet zu sein, um jederzeit mental in Verbindung zu stehen. Denn unser Job ist es, ihm die bestmögliche Unterstützung und damit den Fans die optimale Show zu bieten. Wir sind nicht in der Band, um uns wie Rockstars zu fühlen, haben aber trotzdem unseren Spaß. Ich erkenne schon vor Show-Beginn, wie es Manson geht. Ich unterhalte mich einige Minuten mit ihm, während er sich auf die Show vorbereitet. Dann treffen wir uns hinter der Bühne, schubsen und stoßen uns ein wenig, um hellwach zu werden, und gehen dann raus auf die Bühne. Es ist ein wenig wie im Sport, wenn sich Mannschaften vor dem Auflaufen mental pushen, um sich auf das Spiel einzustimmen. In einer Manson-Show kommt es zu so manch hartem physischen Kontakt, aber Manson weiß, dass dies für uns okay ist, denn wir sind eng befreundet und haben das Ziel, gemeinsam die bestmögliche Performance abzuliefern.

Nimmt Manson musikalische Ratschläge von euch an? Und gebt ihr auch dann welche, wenn er nicht explizit danach fragt?

TB: Oh ja, absolut. Er folgt jedem Ratschlag, der ihn überzeugt. Er weiß, dass wir alle in seinem Interesse arbeiten. Manson ist überdurchschnittlich intelligent.  Wenn wir im Studio an seinen Songs arbeiten, ist es kollektive Arbeit, auch wenn in den Credits nur er und ich als Autoren auftauchen. Man muss aber auch sagen, dass Manson ständig mit großartigen Ideen ankommt.

Danke Tyler und Paul, für das interessante Gespräch! [4390]

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2018)

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