„Für mich muss sich eine Gitarre anfühlen, als wenn sie Teil meines Körpers wäre.“

Orangefarbene Klänge: Orianthi im Interview

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(Bild: Chris Ace)

Sie war in der Band von Alice Cooper, hat mit ihrem Entdecker Carlos Santana, mit Prince, Joe Bonamassa oder ZZ Top gejammt, war mit Steve Vai auf Tour und hat mit ihm eine aufsehenerregende Single nebst Video veröffentlicht. Sie hat eine Platin-Auszeichnung eingeheimst und gilt als eine der der aktuell besten Rockgitarristinnen der Welt: Orianthi Panagaris (kurz: Orianthi).

Die aus Griechenland stammende Australierin mit Wohnsitz in Amerika hat nur zwei Jahre nach ihrem letzten Soloalbum ‚O‘ ein neues Studioalbum eingespielt. Das Werk nennt sich ‚Rock Candy‘ und zeigt die Musikerin als exzellente Solistin, Sängerin und Songschreiberin und kündigt zeitgleich ein neues Signature-Instrument der 37-Jährigen an. Um welches es sich handelt? Lest selbst!

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INTERVIEW

Wenn ich es richtig gelesen habe, ist dein neues Album nicht etwa von langer Hand geplant gewesen, sondern eine Art kreativer Schnellschuss.

Ja, das stimmt. ‚Rock Candy‘ ist in Kooperation mit meinem guten Freund Jacob Bunton entstanden, einem fantastischen Musiker und Produzenten. Mir war wichtig, dass es eine spontane, intuitive Scheibe wird, deshalb haben wir das gesamte Songmaterial innerhalb von nur 13 Tagen geschrieben. Ich glaube, so schnell ist noch keines meiner bisherigen Alben entstanden. Allerdings haben Jacob und ich schon seit Jahren geplant, etwas zusammen zu machen. Es hat sehr viel Spaß mit ihm gemacht und exakt den Spirit getroffen, den ich im Kopf hatte.

Dein letztes Album ‚O‘ ist noch nicht einmal zwei Jahre her. Klingt ‚Rock Candy‘ deshalb seinem Vorgänger ziemlich ähnlich?

Zunächst: Der Titel ‚Rock Candy‘ impliziert das von uns gewünschte Hybrid aus Rock und Pop. Wir haben mit diversen Beats und elektronischen Elementen experimentiert, so wie man sie in gewisser Weise auch auf ‚O‘ findet. Damals war noch Marti Frederiksen involviert und hat wichtige Impulse gegeben. Aber als Künstlerin entwickelt man sich automatisch weiter, insofern findet man auf ‚Rock Candy‘ natürlich auch neue, für mich bislang unbekannte Elemente. Es ist einfach ein neues Kapitel meiner Karriere, und dieses Kapitel fällt dementsprechend ein klein wenig anders aus. Zwar nicht vollkommen anders, aber durchaus im Detail unterschiedlich. Es geht für mich als Künstlerin ja auch darum, mich nicht zu langweilen, sondern immer wieder etwas Neues, Spannendes zu entdecken.

Wie zum Beispiel die Instrumentalnummer ‚Illuminate‘, die es in dieser Form auf ‚O‘ nicht gab.

Ich wollte für ‚Rock Candy‘ unbedingt ein richtiges Intro. Eigentlich war ‚Illuminate‘ ein vollwertiger Instrumentalsong. Wir haben ihn jedoch in zwei Teile gesplittet und jeweils an den Anfang und an das Ende der Scheibe gestellt. Und allein wegen der Beteiligung von Jacob, der übrigens auch ein hervorragender Violinist ist, unterscheidet sich ‚Rock Candy‘ natürlich von ‚O‘.

War die Produktion von ‚Rock Candy‘ spielerisch so leicht, wie das Ergebnis klingt?

Ja und nein. Der Song ‚Living Is Like Dying Without You‘ beispielsweise ging uns völlig problemlos von der Hand. Wir komponierten ihn, spielten ihn direkt zweimal hintereinander ein, und gleich die zweite Version passte. Er ist live aufgenommen, nur Gitarre und Gesang, und ich habe ihn in gerade einmal zehn Minuten geschrieben. Komplizierter waren da die beiden Teile von ‚Illuminate‘, oder auch die Nummer ‚Void‘, die eine etwas komplexere Struktur hat, inklusive einiger richtig heavy Gitarren. Jacob und ich stehen auf gute Riffs und Licks, aber man muss immer darauf achten, es nicht zu übertreiben und eine Nummer nicht zu overplayen.

(Bild: Chris Ace)

Aber genau dafür hat man ja einen Produzenten, der ab einem gewissen Punkt sagt: „Okay, es genügt, wir haben jetzt ausreichend Material.“ Ich selbst bemerke mitunter nicht den Moment, in dem man aufhören sollte, weil man eine Sache ab dann nur noch verschlimmbessert. Theoretisch könnte ich mich auch allein produzieren, denn ich weiß, wie man engineered und ich mag die Arbeit. Aber ich brauche einen Außenstehenden, der eine zweite Meinung einbringt und mich gegebenenfalls stoppt, wenn ich kein Ende finden kann. (lacht)

Mit welchen Amps hast du das Album aufgenommen? Es heißt, dass ein neuer Orange Orianthi Signature im Anmarsch ist.

Ja, das stimmt. Es wird einen Orange Signature geben, entweder noch in diesem Herbst, spätestens aber im kommenden Frühjahr. Ich bin schon total aufgeregt! Ich spiele Orange-Amps ja schon seit ein paar Jahren. Pat Foley ist mittlerweile ein sehr guter Freund von mir. Er selbst hat mich auf seine Amps aufmerksam gemacht, und jetzt bin ich riesiger Fan. Ich weiß schon gar nicht mehr, weshalb es so lange gedauert hat, bis ich auf Orange aufmerksam geworden bin. Möglicherweise hat mich früher die Farbe abgeschreckt, wer weiß? Die Orange-Amps sind unfassbar vielseitig, man kann von richtig heavy Sounds bis zum cleanen Ton alles haben. Auf ‚Rock Candy‘ habe ich allerdings noch meinen Orange Rockerverb III gespielt.

Kannst du schon ein paar Details zu deinem neuen Signature-Amp verraten?

Nein, leider nicht, das soll noch weitestgehend geheim gehalten werden. Nur so viel: Er wird in nicht allzu ferner Zukunft vorgestellt, aber derzeit ist er noch „under construction“. Ich kann es kaum erwarten, bis er endlich fertig ist.

Combo oder Top? Warst du an der Entwicklung beteiligt?

Ja, das war ich. Es ist ein Combo. Er hat ein wenig einen Oldschool-Sound, ich mag das. Es ist ganz ähnlich wie bei den alten Marshalls oder einem Fender Champ, einem Twin oder einem alten MESA/Boogie. Mitunter spiele ich ja auch über einen Dumble, den ich mir vor ein paar Jahren geborgt habe. Sie alle geben der Gitarre einen sehr natürlichen, erdigen Sound. Egal mit welchem Modell man spielt, sie verwässern niemals den Charakter der Gitarre.

Du stehst also nicht auf Modeling-Amps, Profiler oder Plug-ins?

Doch, im Studio, auf meinen Scheiben, setze ich sie auch ein. Auf dem letzten Album ‚O‘ habe ich teilweise mit einem Kemper aufgenommen und den Sound dann später mit meinem Orange Rockerverb III gereampt. Das haben wir auf ‚Rock Candy‘ auch gemacht, allerdings etwas weniger. Dies betrifft übrigens niemals die Bühne, dort möchte ich es so traditionell wie möglich haben.

Welche Gitarren hört man auf ‚Rock Candy‘?

Na ja, vor allem natürlich meine neue PRS-Signature in der Farbe ‚Blooming Lotus Glow‘, die erst in diesem Jahr erschienen ist. Paul Reed Smith hat da wirklich Unfassbares geleistet. Außerdem habe ich die PRS Custom 24 gespielt, auch in ‚Blooming Lotus‘, vor allem bei den Leads, aber auch bei einigen Rhythmusparts.

In diesem Jahr erschienen: PRS Private Stock Orianthi Limited Edition mit Blooming-Lotus-Glow-Finish (Bild: PRS Guitars)

Ich mag es, für unterschiedliche Passagen auch unterschiedliche Gitarren einzusetzen, um mehr Ausdrucksmöglichkeiten, mehr Personality zu bekommen. Vor ein paar Jahren habe ich damit begonnen, Vintage-Gitarren zu sammeln. Ich besitze eine 59er Fender Stratocaster, eine 64er Fender Telecaster. Ich mag es, mehrere Gitarrenschichten übereinanderzulegen.

Les Paul- oder ES-335-Formen gibt es in deinem Repertoire überhaupt nicht?

Nein, ich stehe auf PRS, alles andere ist nur für kleine Färbungen des Sounds gedacht. Ich spiele PRS schon seit meinem elften Lebensjahr und habe mittlerweile eigene Signature-Modelle, die Firma ist für mich wie eine Familie.

Aber es gibt doch auch eine Gibson-Signature von dir.

Richtig, die SJ-200-Acoustic, insofern arbeite ich sowohl mit Gibson als auch mit Paul Reed Smith. Und wie schon gesagt, habe ich begonnen, alte Gitarren zu sammeln, weil ich gemerkt habe, dass ältere Modelle mitunter mehr Personality haben als die meisten neueren.

Orianthi mit ihrer Gibson SJ-200 Signature (Bild: Jim Louvau)

Aber sind neuere Gitarren, vor allem wenn es die eigenen Signature-Modelle sind, nicht gezielter auf deine jeweiligen Bedürfnisse ausgerichtet?

Ja, das ist so. Für mich muss sich eine Gitarre anfühlen, als wenn sie Teil meines Körpers wäre, eine Art natürliche Erweiterung meiner Gliedmaßen. Ich mag es, wenn man mit seinem Instrument nicht allzu sehr kämpfen muss. Natürlich gibt es auch Exemplare, mit denen man richtig im Clinch liegt, um den gewünschten Sound zu bekommen. Auch das ist okay.

Aber für meine PRS Custom 24 war es mir wichtig, dass sie sich möglichst komfortabel spielen lässt. Die Saitenlage ist perfekt für mich, der Hals sowieso, die Pickups sind wirklich heiß, wenn man es möchte, und im nächsten Moment wieder ganz sanft, je nach Bedarf. Wichtig ist immer, wie sensibel man dies mit dem Volume-Poti regeln kann. Wie du weißt, verzichte ich fast ausnahmslos auf Effektpedale – mit Ausnahme eines WahWahs – und regle alles mit dem Volume-Knob. Mein Amp hat immer eine spürbar kräftige Verzerrung, damit ich auf der Bühne nicht noch irgendwelche Pedale bedienen muss, sondern alles direkt mit dem Volume-Poti regeln kann.

Wer von den vielen Musikern, mit denen du im Laufe der Jahre zusammengespielt hast, hat dich am meisten inspiriert oder beeindruckt?

Natürlich Carlos Santana, der bekanntlich der Grund ist, weshalb ich überhaupt mit dem Gitarrespielen begonnen habe. Carlos und seine Frau Cindy sind mittlerweile zu einer Art Familie für mich geworden. Sie sind wundervolle Menschen, und Carlos ist ein großartiger Musiker. Sein Ton, sein Gespür für Melodien haben mich von dem Moment an begeistert, als ich bei einem Santana-Konzert in Australien zum ersten Mal ‚Europa‘ hörte. Für mich war ‚Europa‘ die Initialzündung, weshalb ich unbedingt selbst Musik machen und mich mit der Gitarre artikulieren wollte. Aber natürlich liebe ich auch Hendrix, Stevie Ray Vaughan, Gary Moore, Albert King, B.B. King, Eric Clapton, John Lee Hooker oder auch Steve Vai, den ich bereits mit 14 zum ersten Mal treffen durfte und der mich nachhaltig inspiriert hat.

Erstaunlich viele traditionelle Bluesmusiker, die du nennst.

Ja, letztendlich geht Rockmusik doch auf den Blues zurück. Ich bin zwar in erster Linie eine Rockmusikerin, aber immer auch mit einem Querverweis auf den Blues. Ich habe zwar klassische Gitarre gelernt, liebe aber dennoch die Pentatonik und mag viele der Blueser wie eben Stevie Ray Vaughan oder Jimi Hendrix. Letztendlich ist auch Santana vom Blues beeinflusst, er mischt ihn mit Rock, Fusion und Latin. Privat hört er bevorzugt Miles Davis und John Coltrane. Ich mag auch Jazz, aber mein Vater legte bei uns zuhause immer Bluesscheiben auf, deshalb ist mir dies in Fleisch und Blut übergegangen.

Mit Steve Vai hast du auch den Song ‚Highly Strung‘ produziert.

Richtig. Zu Steve habe ich bis heute regelmäßigen Kontakt, er ist ein wunderbarer Mensch und fabelhafter Musiker. Der Song war unfassbar erfolgreich, ich glaube, er ist bis heute zehn oder elf Millionen Mal im Internet angeklickt worden. Von Steve habe ich unendlich viel lernen können. Er ist ein Innovator, der ständig seine Ausdrucksformen variiert. Für mich steht er auf der gleichen Stufe wie Hendrix und Santana.

Was hast du in deiner Zeit mit Alice Cooper lernen können?

Ich war vier Jahre in seiner Band, bin auf einigen seiner DVDs zu sehen und habe auch Gitarre für die Hollywood Vampires gespielt. Wenn er mich anrufen würde und ich Zeit hätte, würde ich sofort wieder bei ihm spielen. Ich liebe Alice, er ist eine Ikone, und ich mag seine Band.

Sprichst du mit deinem Spiel viel mehr Frauen an, als dies männliche Gitarristen machen? Und ist dir das wichtig?

Es wäre natürlich wunderbar zu wissen, dass ich andere Mädchen dazu animiere, auch selbst Gitarre zu spielen. Als ich 2009 meine erste Single veröffentlichte, gab es noch nicht allzu viele Gitarristinnen, die sich in die Öffentlichkeit trauten. Heute dagegen gibt es weitaus mehr, wie man auf TikTok und Instagram sehen kann. Zum Teil mit total abgefahrenen Beiträgen, über die ich immer wieder erstaunt bin. Um ehrlich zu sein: Ich komme mir dann immer ganz schön alt vor, wenn mir diese jungen Frauen schreiben: „Ich habe damals deine erste Single total abgefeiert und habe dann selbst angefangen zu spielen.“ Das macht mich natürlich sehr stolz und motiviert mich weiterzumachen.


(erschienen in Gitarre & Bass 11/2022)

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