Interview

Muskelmasse vs. Punkrock-Klasse: Doyle Wolfgang von Frankenstein

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Die von Doyle gebaute Annihilator-Gitarre

Wann hast du gespürt, dass Standardgitarren nicht dein Ding sind und du stattdessen dein eigenes Instrument entwerfen und bauen möchtest?

Wir hatten 1986/1987 bei den Misfits eine Ibanez-Iceman-Gitarre und einen Rickenbacker-4001-Bass, sowie eine Cort-Gitarre, die eine ähnliche Form wie die Iceman hatte. Wir schraubten ständig an ihnen herum, bauten sie auseinander und setzten sie wie eine Art Puzzle wieder zusammen. Sie bekamen neue Potis, wir gingen in unsere Maschinenfabrik und bauten stabilere Brücken, damit die Instrumente noch robuster werden. So kam ich dann auf die Idee, mir mit einer der Fräsen eine komplett eigene Gitarre zu bauen.

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Wie lange hat es von der ersten Idee bis zur ersten Gitarre gedauert, mit der du rundum zufrieden warst?

Früher bekam man in Amerika als Schüler sein Unterrichtsmaterial vom Staat ausgeliehen. Man musste die Bücher natürlich sorgfältig behandeln, da man sie irgendwann zurückgeben musste. Also kaufte meine Mutter in einem Schreibwarengeschäft Bögen aus Pappe, um die Bücher darin einzuschlagen. Auf einer dieser Pappen zeichnete ich die Form einer Gitarre, so wie ich sie mir vorstellte. Ich liebte diese Zeichnung, und als wir die Bücher nach dem Ende meiner Highschool-Zeit zurückgeben mussten, behielt ich die Pappe und schnitt die Zeichnung aus. Das war quasi die Vorlage für meine erste Annihilator-Gitarre.

Eines Tages kamen ein paar Typen in unser Maschinengeschäft und wollten, dass ich ihnen bei ihrer Gitarre helfe. Sie hatten nur den Hals, und wir konzipierten dazu einen Korpus. Das war eine völlig neue Erfahrung für uns, wir lernten den Gitarrenbau quasi beim Ausprobieren. So kam ich auf die Idee, mir selbst auch eine Gitarre nach meinen eigenen Vorstellungen zu bauen. Also kramte ich das Stück Pappe aus der Schublade hervor, legte meine Iceman daneben und stellte fest, dass die Proportionen meiner Vorlage mit der Iceman fast identisch waren. So ist meine erste Annihilator entstanden.

(Bild: Ingrid Iversion / Doyle / KHDK)

Was sind aus deiner Sicht die signifikantesten Unterschiede zwischen einer Standardgitarre und deiner Annihilator?

Zunächst einmal: Das erste Modell besaß noch einen Korpus aus Mahagoni-Holz, das ich von Paul Reed Smith gekauft hatte, und ein Griffbrett aus Palisander, das ich von einem Typen bekam, der in den 1950ern Gitarren für Gibson und Fender gebaut hat. Erst später entschied ich, die nächste Gitarre aus Graphit zu bauen.

Ist das Graphit-Modell besonders schwer?

Na ja, vielleicht ein wenig schwerer als Standardgitarren, aber immer noch akzeptabel.

Gab es Anfragen von großen Herstellern, dein Konzept zu lizensieren und die Annihilator in Serie zu produzieren?

Nein, es gab keinerlei Interessenten.

Unfassbar!

Wir schickten meine Gitarre und die meines Bruders zu Bernie Rico von BC Rich. Für uns war es offensichtlich, dass BC Rich sie eigentlich bauen müssten. Zunächst reagierte die Firma überhaupt nicht, dann bekam ich einen Anruf mit der Frage: „Wie kommst du ausgerechnet auf uns?“ Ich sagte: „Wovon sprecht ihr? Dies ist doch genau die Art Gitarren, die ihr auch selbst baut!“ (lacht) Aber sie waren nicht interessiert und schickten uns unsere beiden Gitarren zurück. In den zurückliegenden fünf oder sechs Jahren habe ich mich unter anderem an ESP und Schecter gewandt, ohne Ergebnis.

(Bild: Ingrid Iversion / Doyle / KHDK)

2017 lernte ich auf Tour jemanden von Dean Guitars kennen und gab ihm die originale Annihilator, die ich vor Jahren gebaut hatte. Wir telefonierten vier bis fünf Mal, unterhielten uns über die Specs, über die Form, ich schickte ihnen Fotos und weitere Vorschläge. Das alles zog sich über mehr als vier Jahre hin, bis seit etwa 2021 so richtig Schwung in die Sache gekommen ist. Es existieren bereits zwei Prototypen, einen davon habe ich kürzlich auf der Bühne gespielt, der andere wird gerade lackiert. Anschließend sollen die Planungen für ein Produktionsmodell beginnen.

Gibt es bereits einen Veröffentlichungstermin?

Nun, ich erwarte den lackierten Prototypen in den nächsten zwei, drei Wochen zurück, und wenn der okay ist, müssen sie bei Dean natürlich noch ihre Maschinen auf die Produktion einrichten. Einige Exemplare sollen per Hand gefertigt werden, die anderen werden dann als Serienmodell erhältlich sein.

Sollen es denn vorrangig exklusive Boutique-Gitarren werden? Oder hättest du gerne auch eine Art „Jedermanns-Modell“ zu einem kleinen Preis?

Ich hätte gerne, dass jeder, der sich diese Gitarre kaufen möchte, sie sich auch leisten kann. Meine Instrumente sollen gespielt werden, und nicht, womöglich handsigniert, an irgendeiner Wand hängen. Deshalb wird es garantiert auch günstigere Modelle geben. Ich habe vor einiger Zeit herausgefunden, dass es in China oder so eine Firma gibt, die billige Kopien meiner Gitarre anbietet, für unter 300 Dollar. Ich wusste zunächst nicht, was ich davon halten soll, doch dann sah ich, dass sie darüber hinaus auch Kopien von Instrumenten von Eddie Van Halen, Dimebag Darrell oder Gene Simmons herstellen, und ich dachte: „Wisst ihr was? Ich fühle mich geehrt, verdammt noch mal!“ (lacht)

Zusammenarbeit mit KHDK Pedals auf Seite 3

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