Wie schlagen sich Musiker diesen Herbst durch?

Musicians-Lounge: Das Lux-Lauscher-Prinzip

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(Bild: Tümmers)

Nachdem ich in der letzten Ausgabe die momentane Situation für Berufsmusiker ausgebreitet habe, möchte ich ab jetzt auf konkrete Beispiele eingehen. Wie schlagen sich Musiker diesen Herbst durch? Wie denken sie selbst über ihr Schaffen?

Auf dem vergangenen Guitar Summit in Mannheim bin ich in zwei Workshops auf dieses Thema eingegangen. Eigentlich hatte ich befürchtet, dass ich da vor einem halbleeren Raum sitze. Aber der Zulauf war rege, und meine Zuschauer haben sich an der Diskussion lebhaft beteiligt. In fast allen Begegnungen mit befreundeten Musikern kam das Thema auch außerhalb der Workshops zur Sprache. Es zeigte mir, wie dringlich die Auseinandersetzung damit ist.

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In den vergangenen Wochen habe ich zahlreiche Musiker angerufen und nach Interviews gefragt. Mir schien es vor allem wichtig, den Betroffenen eine Stimme zu geben. Und auch wenn es in unserem Magazin viel um Equipment geht, sollte man dieses Thema aufgreifen, denn die Musiker sind schließlich diejenigen, die mit ihrer Kunst auch die Qualität von Instrumenten erst zum Leben erwecken.

DIE LUX-LAUSCHER

Beginnen möchte ich mit einer Künstlerin, die ich seit gut zwanzig Jahren beobachte und die wie kaum eine andere den Begriff „Soloselbstständigkeit“ auslebt. Christina Lux singt und spielt Gitarre dazu, wenn man es mal ganz einfach formuliert. Den größten Teil ihres Künstlerdaseins war sie allein unterwegs und wurde niemals müde, sich vor ein auch noch so kleines Publikum zu setzen und einfach zu spielen. Sie reiste dabei kreuz und quer durch die Republik, sitzt am Steuer, baut ihr Equipment meist allein auf, kümmert sich um das eigene Management, das Booking, die Werbung, bringt regelmäßig Alben heraus, die wunderbar klingen und sogar Preise gewinnen, und sie engagiert sich vor allem in den letzten drei Jahren für die Belange von Musikern im Netz.

(Bild: © Manfred Pollert, 2021)

Sie konfrontiert Politiker mit den Problemen von Kulturschaffenden (zuletzt sogar die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel), deckt Zusammenhänge auf, verlinkt Beiträge von Verbänden und wird in ihren teils sehr ausführlichen Posts auch manchmal sehr persönlich. Sie scheut es dabei nicht, auch ihre Sorgen und Ängste zu benennen und auch mitunter Zerbrechlichkeit zu offenbaren. Doch sie agiert dabei stets klug und reflektiert. Man kann ihr folgen und sich einfühlen. Ich finde kaum ähnlich gute Beiträge zum Musikschaffen in dieser Regelmäßigkeit und Ausführlichkeit.

Seit drei Jahren wird sie nun begleitet von ihrem Lebenspartner Oliver George, der sie am Schlagzeug oder der Gitarre unterstützt. Das halbiert nicht nur die Zeit am Steuer bei der Fahrt zum nächsten Gig, sondern sämtliche Belange für das Künstlerdasein. Nun agieren vier Hände auf der Bühne, was in jeder Hinsicht eine Bereicherung ist. Wer ein Lux-Konzert erlebt, sieht sich all dem ausgesetzt, was es in der Musik und für deren Überlebenskampf nun braucht. Da sitzen Leute, die Christina und Oliver liebevoll als „Lux-Lauscher“ bezeichnen und die mittlerweile eine treue Fan-Base bilden. Lux-Lauscher sind Menschen, die zuhören, die sich fallen lassen können in die meist leisen Töne der Künstlerin. Im Zentrum stehen gefühlvolle Songs mit lyrisch ausgefeilten Texten.

Oliver George (Bild: Tümmers)

Ihre wichtigste Aussage im Interview war vielleicht die, dass man sich stets im Klaren darüber sein sollte, was einen auf die Bühne treibt. Will man berühmt sein? Will man etwas lostreten, Geld verdienen oder sich selbst beweihräuchern? Für Christina Lux ist der „Elefantenfuß, auf dem alles steht“ etwas ganz anderes:

„Wir sehen eine Gesellschaft, die sich selbst optimieren möchte. Man will etwas sein! Doch das geht meist nach hinten los. All das, was uns sorgt, ängstigt, berührt und unsere Gedanken bestimmt, soll beiseitegelegt werden. Aber irgendwann bestimmt das das gesamte Dasein, man kann nicht mehr zuhören und sich einlassen. Die Empathie schwindet, und man wird letztlich einsam.“

Im Konzert und der Begegnung mit anderen Menschen läge der Schlüssel für eine gemeinsame Kultur. Ein Konzerterlebnis, bei dem Menschen sich gemeinsam einlassen, sei durch nichts zu ersetzen. Meiner Meinung nach kann man den Kulturbegriff nicht besser beschreiben. Und auch hier taucht wieder das in der letzten Ausgabe bereits erwähnte „common feeling“ wieder auf. Jagger hatte recht! Musik ist letztlich keine Staffage, kein Hintergrund für Zielgruppen, sondern sinnstiftend selbst.

Aber auch Christina Lux erlebt den Wandel in der sogenannten Musikindustrie in den letzten Jahren in ganzer Vehemenz. Um überleben zu können, müsse man die gesamten Ressourcen, die einst Verlage, Plattenfirmen, Radiosender und dergleichen boten, selbst befeuern. Dabei sind ihre Ansprüche gar nicht mal so üppig:

„Wenn 100 Leute kommen, bin ich absolut glücklich. Und wenn ein paar davon am Ausgang noch eine CD oder LP mitnehmen, läuft es eigentlich recht zufriedenstellend. In den letzten zehn Jahren hat sich mein persönliches Konzept gefestigt und auch bewährt. Ich bin glücklich mit dem, was ich tun darf. Und da ich nun alle Zügel selbst in der Hand halte, geht es mir vielleicht noch etwas besser als Musikern, die als Begleiter in einer Band spielen. Die traf der Lockdown während der Pandemie vielleicht noch wesentlich härter.“

Es gibt ein paar Verkäufe über das eigene Streaming-Portal, ein paar Erlöse aus GEMA, GVL und kommerziellen Streaming-Diensten, sie absolviert regelmäßig Songwriter-Workshops, aber das Herzstück sind immer noch die Live-Konzerte. Und ja, davon gibt es momentan immer noch zu wenig. Ohne eine bescheidene Lebensweise, ohne die Unterstützung von ihrem Lieblings-Instrumenten-Lieferanten Lakewood, deren Gitarren sie seit jeher vorzüglich bedient, Vovox, Elixir, AER und G7th Capo Company, und ohne den natürlich seelisch wärmenden Austausch mit Freunden und Künstlerkollegen wäre es dunkel im Lux-Land. Aber auch hier verhält sie sich vorbildlich kämpferisch:

„Wir müssen uns als Künstler auch mit Vermarktungsstrategien und der Bewirtschaftung unserer Leistungen auseinandersetzen. Leider genügt es nicht mehr, nur gut zu spielen. Man muss da schon schauen, wie man seine Kräfte am besten verteilt.“

(Bild: © Manfred Pollert 2021)

Trotz schwindender CD-Absätze möchte sie jedoch an der Album-Idee festhalten:

„Alle drei Monate einen Song rauszubringen, wäre nicht mein Ding. Ich hab Schreibphasen wie vielleicht die meisten Künstler, und da sprudelt etwas zusammen, das einfach raus möchte. Ich liebe dieses Format weiterhin.“

Lux hat auch Fans in der sogenannten audiophilen HiFi-Szene, wo man nicht nur die klangliche Tiefe und Geschliffenheit ihrer Produktionen schätzt. Ich selbst frage mich da schon seit langem, warum eine Künstlerin wie sie, die sich seit dreißig Jahren auf solch beeindruckende Weise behauptet, quasi nicht im Radio stattfindet. Es gäbe da meiner Meinung nach genügend Raum auch für ihre leisen und manchmal nachdenklichen Klänge. Bei aller anklingenden Melancholie ist die Lux-Lauscher-Musik durchaus auch fröhlich, lebensbejahend und lädt auch immer wieder zum Mitsummen ein. Und ihre Texte sind eh eine Klasse für sich.

Sie kämpft auch immer wieder für ihr Anliegen, dass sich Musiker besser organisieren, etwa in Verbänden: „Viele Musiker wissen gar nicht, dass es so etwas gibt. Und leider arbeiten die Leute dort ebenfalls oft ehrenamtlich.“ Für einen kleinen Jahresbeitrag könne man das ändern. „Sich zu organisieren kann auch helfen, die eigene Identität zu stärken. Wenn man zwei Jahre nicht auftreten darf, fragt man sich schließlich, ob man überhaupt noch Künstler ist.“

Alles in allem betrachtet Christina die kulturelle Situation als „absolut hart“, denn man gehe schließlich nicht nur weniger ins Konzert, sondern auch weniger ins Theater, ins Kino, in den Zirkus und so weiter.

„Die Gründe hierfür sehe ich in der immer noch schwelenden Angst vor einer Infektion bei Inroom-Konzerten, bei der zwangsläufigen Sparsamkeit während Inflation und Energiekrise und vielleicht in einem geänderten Freizeitverhalten allgemein. Klar, die paar ganz großen Acts wie die Stones oder Helene Fischer werden noch voll, aber schon die mittleren Festivals und vor allem die Clubs haben es verdammt schwer. Vielleicht wird alles weniger, alles kleiner … Wer weiß?“

In ihrem Fall darf man hoffen, dass mindestens die Lux-Lauscher-Gemeinde ihr auch zukünftig die Treue hält. Künstlerinnen wie sie zählen zu den Perlen hier im Lande, von denen es einige gibt, für die sich ein Konzertbesuch immer noch und immer wieder lohnt. Auf Künstlerinnen wie Christina Lux ist Verlass, denn in ihren Konzerten ist alles stimmig und stimmungsvoll.

Für die nächste Ausgabe stand mir Tausendsassa Thomas Blug Rede und Antwort. Und auch hier gab es wirklich äußerst interessante und anregende Statements. Freut Euch drauf. Es geht weiter …


(erschienen in Gitarre & Bass 11/2022)

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