Sein aktuelles Equipment, seine Gesundheit und die gegenwärtige Situation
Metal-Pioniere: Judas-Priest-Gitarrist Richie Faulkner im Interview
von Matthias Mineur,
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(Bild: Matthias Mineur)
Judas-Priest-Axeman Richie Faulkner gilt derzeit als einer der heißesten Gitarristen im Heavy Metal. Dabei beerbt er eigentlich „nur“ das Originalmitglied K.K. Downing, schafft es aber dennoch auf erstaunliche Weise, den Klassikern der britischen Band spielerisch gerecht zu werden. Gleichzeitig gelingt es dem 42-Jährigen, frischen Wind in die selbsternannten Hohepriester der harten Töne zu bringen.
Wir haben uns beim Gastspiel der NWOBHM-Legende in Oberhausen mit Faulkner verabredet, sein aktuelles Equipment angeschaut und uns mit ihm über seine gegenwärtige Situation unterhalten. Denn der Engländer hat im vergangenen Jahr eine lebensbedrohende Verletzung nur knapp überlebt, ein schwerwiegender Einschnitt in sein bis dato ungetrübtes Dasein als Musiker. Aber lest selbst!
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INTERVIEW
Hallo Richie, wie geht es dir gesundheitlich? Ich habe besorgniserregende Dinge über den Abend im September 2021 beim ‚Louder Than Life‘-Festival in Kentucky gelesen. Was war da passiert?
Es war eine wirklich sehr ernste Situation, vor allem eine, über die man kaum etwas weiß, bis sie einem urplötzlich widerfährt. Ich jedenfalls hätte niemals mit einem solchen Zwischenfall gerechnet. Das Beste vorweg: Es ist alles wieder in Ordnung. Was war passiert? Meine Aorta ist während einer Show in Kentucky gerissen und ich bekam innere Blutungen. Die Aorta verläuft durch den halben Körper. Zum Glück passierte es am Ende der Show, sodass unmittelbar Ärzte zur Stelle waren, die mich in das nur sieben Kilometer entfernt gelegene Krankenhaus brachten. Ich hatte wirklich Riesenglück! Viele andere Menschen schaffen es bei diesem Befund nicht mehr lebend ins Krankenhaus. Wir mussten zwar die Tour abbrechen, ich kann jetzt aber wieder alle Shows spielen.
Wie hast du diesen Zwischenfall auf der Bühne erlebt? Wusstest du sofort, dass etwas Schlimmes passiert war?
Ich spürte unmittelbar, dass etwas nicht in Ordnung war, denn ich hatte das Gefühl, dass ich gleich ohnmächtig würde. Es fühlte sich wie eine Explosion in meiner Brust an, mitten im Song ‚Painkiller‘. Ich dachte zuerst, ich hätte einen leichten Herzinfarkt, da ich es mir nicht anders erklären konnte, was in diesem Teil des Körpers solche Schmerzen auslöst. Aus heutiger Sicht hätte ich sofort die Bühne verlassen müssen, aber da ich mir des Ausmaßes nicht sofort bewusst war, spielte ich weiter.
Zum Glück war ‚Painkiller‘ der letzte Song des Abends, sodass ich direkt anschließend die notwendige medizinische Betreuung bekam. Man könnte natürlich sagen, dass ich ganz schön ignorant war, aber ich war mir der Tragweite des Zwischenfalls nicht bewusst. Es standen viele Fans vor der Bühne, also macht man weiter, bis es absolut nicht mehr weitergeht. Mit dieser Haltung bin ich jedenfalls aufgewachsen. Aber wie gesagt: Rückblickend wäre ich wohl besser sofort von der Bühne gegangen. Zum Glück habe ich überlebt, auch wegen der großartigen ärztlichen Betreuung vor Ort.
Wie gut, dass du es heil überstanden hast und wir mit dir jetzt über die aktuelle Situation bei Judas Priest sprechen können. Und über die Tatsache, dass du eigentlich als einziger Gitarrist der Band vorgesehen warst. Andy Sneap sollte auf dieser Tour eigentlich gar nicht mehr dabei sein.
Nachdem sich Glenn (Tipton, Originalgitarrist der Band, Anm. d. Verf.) im Vorfeld der ‚Firepower‘- Tour 2018 vom Tourleben mehr oder minder zurückgezogen hatte, entschied das Management, dass wir unseren Produzenten Andy Sneap als Ersatz für Glenn hinzuziehen. Parkinson ist eine schwer einschätzbare Krankheit, und deshalb wusste niemand, wie häufig Glenn mit auf die Bühne gehen könnte. Die Vereinbarung lautete, dass Glenn so oft wie möglich dabei ist, und Andy ansonsten seine Parts übernimmt. So wurde es 2019 dann ja auch gehandhabt. Dann kam die Idee auf, Judas Priest zukünftig nur noch zu viert zu machen. Doch dieser Plan wurde schnell wieder revidiert, da sich die Fans massiv beschwerten.
Via Internet, richtig?
Das ist das Tolle am Internet, nämlich dass man einen direkten Kontakt zu seinen Fans hat. Es gibt sicherlich auch Aspekte, die das Internet nicht so positiv aussehen lassen. Aber die unmittelbare Resonanz der Fans ist ein Vorteil. Und manchmal tut die Wahrheit halt weh. Zumal: Wenn es den Fans völlig egal wäre, hätten wir dieses unmittelbare Feedback gar nicht bekommen. Und das wäre für eine Band ja noch viel schmerzhafter. So aber erfuhren wir wieder einmal, wie sehr sich die Fans für Judas Priest interessieren und wie wichtig ihnen solche Entscheidungen sind. Und die Fans wollten nun einmal zwei Gitarristen, so wie es bei Judas Priest immer schon war. Also wurde die Entscheidung zurückgenommen, sodass wir auf der Bühne nun wieder ein Quintett sind.
Hatte dich eure Managerin Jayne Andrews im Vorfeld gefragt, ob du dir den Job des alleinigen Gitarristen der Band zutraust?
Ja. Ich meine: Diese Band steht seit 50 Jahren an vorderster Front des Heavy Metal, und ich sehe mich in der Verantwortung, das zu tun, was man von mir erwartet. Natürlich hatte ich dazu auch eine eigene Meinung, aber wenn es die Band so wünscht, dann folge ich dieser Bitte. Wir kündigten die Entscheidung eine Woche vor den ersten Konzerten an und wollten dann zwei Wochen lang auf Tour gehen. Mein Job hätte also darin bestanden, das Bestmögliche abzuliefern, damit der Gitarrensound der Band so ist, wie es die Fans erwarten. Wir befinden uns im Moment auf der 50thAnniversary-Tour mit all den Klassikern der Band. Also hätte für mich die Herausforderung darin bestanden, die Twin-Guitar-Konstellation dieser Songs mit nur einer Gitarre bestmöglich nachzuempfinden.
Habt ihr in dieser Besetzung tatsächlich geprobt?
Nein. Die Reaktion der Fans kam so unmittelbar, dass es zu einem Test dieser Konstellation gar nicht erst kam.
Mehr zu Arbeitsweise und Equipment auf Seite 2 …
(Bild: Sony Music Entertainment)
Könntest du mal den spielerischen Unterschied zwischen Glenn und Andy aus deiner Sicht erklären?
Eine gute Frage! Glenn ist seit inzwischen 50 Jahren ein echter Rockstar. Er hat diese Musik quasi erfunden, er ist ein Innovator. Seine Ausstrahlung auf der Bühne, der Stolz, der ihn auszeichnet und der auf 50 Jahre Erfahrung und Wissen basiert. Es gibt nur wenige Menschen auf der Erde, die eine solche Lebensleistung vollbracht haben. Ich meine das jetzt nicht despektierlich gegenüber Andy oder mir selbst, sondern als Hochachtung vor Glenn. Andy hingegen kommt aus einer anderen Ecke, er ist unser Produzent und sehr auf Sounds und Frequenzen fokussiert.
Ähnlich wie Glenn konzentriert er sich sehr genau auf Details, vor allem in klanglicher Hinsicht. Zudem ist Andy genauso wie ich ein großer Fan von Judas Priest, wir beide betrachten die Priest-Interna deshalb natürlich aus einer anderen, äußerlichen Perspektive. Insofern gibt es Ähnlichkeiten genauso wie Unterschiede. Dasselbe gilt auch für mich. Wenn man jemand anderen nach Unterschieden zwischen mir und K.K. gefragt hätte, wäre die Antwort eine ähnliche gewesen. Aber aus genau diesen Komponenten wächst eine Band kontinuierlich. Mal passt es, ein anderes Mal passt es nicht. Als Musiker lernt man von jedem seiner Bandkollegen. Ich habe viel von Glenn gelernt, lerne aber auch viel von Andy, insbesondere über die Produktionsseite. Insofern haben beide für mich eine große Bedeutung.
Hast du seit unserem letzten Treffen vor sieben Jahren dein Equipment signifikant verändert?
Ja, ich habe auf der zurückliegenden Tour die Amps gewechselt. Eigentlich habe ich sie schon früher getauscht, aber durch Covid konnte ich sie erst jetzt zum ersten Mal live einsetzen. In den zurückliegenden zehn Jahren habe ich bekanntlich ENGL gespielt, jetzt setze ich Verstärker des kanadischen Herstellers Wizard ein. Gebaut werden sie in Montreal von Rick St. Pierre. Er brachte mir ein paar Exemplare zur ‚Firepower‘-Tour und fragte, ob ich sie mal testen wolle. Ich war ziemlich beeindruckt, weil die Wizards wie eine Kombination verschiedener Amps klingen, die ich sehr mag.
Was meine derzeitigen Gitarren betrifft: Man ändert im Laufe der Jahre seinen Stil, seinen Geschmack, seine Einflüsse, deshalb sucht man ständig nach neuen Texturen, neuen Sounds. Es ist ein niemals endender Prozess, der immer neue Facetten aufzeigt. Aktuell spiele ich den Prototypen einer Flying-V-Signature, die ich mit und für Gibson entwickle. Meine letzte Signature-Gitarre für Epiphone war ebenfalls eine Flying V, insofern ist dies jetzt der natürliche nächste Schritt, etwas Ähnliches mit Gibson zu machen.
Bild: Matthias Mineur
Gibson Richie Faulkner Signature Flying V, Prototyp Nr. 1
Zudem hat auch die neue Gitarre EMG-Signature-Pickups. Wie gesagt: Für mich ist das der nächste logische Schritt. Wir basteln schon seit ein paar Jahren daran, doch dann kam Covid, und wie du weißt muss man immer auch die geschäftliche Seite im Auge behalten. Da geht es um das beste Veröffentlichungs-Timing und um das bestmögliche Format. Für mich als Gitarristen ist das natürlich nur schwer auszuhalten, denn ich möchte einfach nur eine Gitarre auf den Markt bringen, die von möglichst vielen Musikern gespielt wird.
Bild: Matthias Mineur
Gibson Custom Shop Flying V, Baujahr 2014
Bild: Matthias Mineur
Gibson Custom Shop Explorer mit EMG-Pickups, Baujahr 2017
Bild: Matthias Mineur
Gibson Les Paul mit EMG-Pickups, Baujahr 1981
Die geschäftliche Seite ist dann eher der Wermutstropfen. Diese neue Gibson, eine blaue Flying V, ist derzeit meine Hauptgitarre. Wir haben zwei unterschiedliche Rigs, insofern spiele ich auch Gibson Les Pauls und Gibson Explorers, allesamt mit EMG-Pickups bestückt, zumeist das 57/66er-Set, einige aber eben auch mit meinen neuen Signature-PUs, die im Grunde genommen modifizierte Versionen des 57/66er-Sets sind.
Gibt es denn schon einen konkreten Veröffentlichungstermin für deine blaue Gibson Flying V Signature?
Nein, ich diskutiere das derzeit mit Gibson, es gibt da mehrere Optionen. Ich darf leider noch nicht viel verraten, weil es noch geheim ist, aber es gibt ein paar interessante Möglichkeiten. Ich hoffe, ich kann in Kürze mehr darüber erzählen.
Last but not least: dein Pedalboard?
Das besteht schwerpunktmäßig aus zwei Chorus-Pedalen, einem Delay und einem WahWah, plus ein paar Switcher und Noisegates. Viel mehr gibt es da nicht.
Bild: Matthias Mineur
Boss DD-7 und DD-8, Boss Noise Suppressor NS-2, MXR Micro Chorus, Wampler Tumnus Deluxe, MXR Uni-Vibe & Boss TU-3 Tuner
Bild: Matthias Mineur
Voodoo-Lab-Schaltzentrale und WahWah/Volume-Pedale am Bühnenrand