Post-Hardcore mit Gitarre/Bass-Hybriden

Kind Kaputt im Interview

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(Bild: Pascal Oswald)

Aus der späten Phase der deutschsprachigen 2010er-Post-Hardcore-Welle sind nicht mehr alle Bands aktiv. Glücklicherweise werden Vertreter wie Kind Kaputt mit jedem Jahr besser: Ihr neues, zweites Album ‚Morgen ist auch noch kein Tag‘ klingt roh, direkt, mächtig und wie die Art von Rockmusik, die ins Jahr 2023 passt. Eine der vielen Besonderheiten: Einen E-Bass sucht man bei der Band vergeblich. Wir trafen Sänger Johannes und Lead-Gitarrist Conna im Vorfeld ihrer vergangenen Clubtour, um über Johannes Hybrid-Funktion als Gitarrist und Bassist und die Bedeutung von Modelern zu sprechen.

INTERVIEW

Johannes, du bist seit Jahren Sänger, Rhythmus-Gitarrist und Bassist in einem, alles mit einer Gitarre. Wie machst du das?

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Johannes: Das macht alles meine Fender-Bariton-Tele, Blacktop-Serie, damit habe ich das komplette Album eingespielt. Die gibt es nicht mehr zu kaufen. Davon ist nur noch das Holz original, den Rest habe ich umgebaut. Ich habe eine neue Hipshot-Bridge eingebaut, Locking Tuner und einen P90 im Humbucker-Format, den Phat Cat von Seymour Duncan. Mit dem originalen Humbucker klang die Gitarre viel zu dumpf, das ging gar nicht. Das Geheimnis liegt aber im mittleren Tonabnehmer: Das ist ein Bass-Pickup, eigentlich sogar zwei getrennte Spulen in einem Gehäuse, ganz normale Singlecoils. Eine hat einen, die andere zwei Magneten. Die erste Spule nimmt nur die tiefste Saite ab, die zweite nimmt die beiden tiefsten Saiten ab. Das ist für Single-Note-Riffs ganz praktisch. Zwischen den Potis habe ich dafür einen Mini-Switch, mit dem ich umschalten kann.

Johannes’ Gitarren/Bass-Hybrid auf Basis einer Blacktop-Baritone-Tele (Bild: Kind Kaputt)

Wenn also nur die eine aktiv ist, kann ich Powerchords schrammeln und aus dem Bass-Pickup kommt nur eine Note. Den Tone-Poti der Gitarren-Pickups habe ich auch durch ein Volume-Poti für den Bass ausgetauscht. Meine Buchse ist Stereo, ich gehe dann also mit einem normalen Stereo-Klinkenkabel aus der Gitarre raus. Auf meinem Board habe ich als erstes einen Lehle-AB-Splitter in der Kette, der witzigerweise das einzige Gerät auf dem Markt ist, das ein Stereo-Signal in zwei Mono-Signale aufsplitten kann. Die einzige Nutzung dafür sind sonst ja semiakustische Gitarren, die noch einen Piezo verbaut haben. Davor hatte ich einen selbstgelöteten Splitter von Conna auf dem Board. Die Gitarren-Seite ging dann durch die Gitarren-Effekte und die Bass-Seite bisher straight ins Line 6 Helix, aber jetzt geht dann beides in den Quad Cortex.

Johannes‘ Lösung zum Splitten des Gitarren- und Bass-Signals (Bild: Kind Kaputt)

Wo bekommt man so einen maßgeschneiderten Bass-Pickup her?

Johannes: Der erste, den ich hatte, war von Häussel. Ich habe insgesamt drei Gitarren in dieser Form umgebaut, und die anderen beiden hat mir ein befreundeter Pickup-Bauer aus Leipzig gewickelt. Alles komplette Spezialanfertigungen. Bis dahin habe ich immer einen Submarine-Pickup verwendet.

Das hat auch gut funktioniert, aber der neue klingt einfach noch mehr nach Bass. Und beim Submarine gab es leider keine Möglichkeit, den roadtauglich an der Gitarre anzubringen. Ich hatte den mit Kabelbindern und Gaffer Tape befestigt, und das war einfach eine blöde Konstruktion. Vor jedem Gig habe ich Schiss gehabt, dass noch ein Kabel locker wird. Vor der Tele hatte ich eine Fender Jaguar Baritone aus der gleichen Serie, mit der ich auf unserem ersten Album ‚Zerfall‘ gespielt habe.

Wie sind deine Bariton-Gitarren gestimmt?

Johannes: In Drop G. Also normales Bariton-Tuning in A, nur mit der tiefsten Saite gedroppt. Am Anfang von Kind Kaputt habe ich das immer noch oktaviert, damals noch mit einer normalen E-Gitarre. Das hat eher bescheiden funktioniert. Für Singlenote-lastige Sachen geht das klar, aber dadurch, dass wir immer viel Powerchord-Geschrammel hatten, hat es überhaupt nicht funktioniert. Mit dem Submarine-Pickup habe ich auch noch runter oktaviert, das hat aber nur gematscht.

Habt ihr es im Studio genauso gemacht?

Conna: Ja, wir hatten eine ziemlich krasse Reamping-Session für die Gitarre und den Bass. Der Löwenanteil des Bass-Sounds ist aber einfach Johannes Helix-Preset. Parallel haben wir das noch über einen extrem verzerrten Orange-Amp geschickt, der über eine Gitarrenbox im Nachbarraum Alarm gemacht hat. Also den bereits komprimierten und verzerrten Bass nochmal heftig verzerrt und aufgenommen.

Ausführliche Reamping-Session
Ausführliche Reamping-Session

Wie sehr beeinflusst diese Hybrid-Lösung dein Spiel?

Johannes: Schon sehr. Vor allem mit dem neuen Album haben wir ganz gut ausgecheckt, was mit dem Setup funktioniert und was nicht. Und das ziehen wir jetzt einfach eisenhart durch. Das Fetteste, was ich machen kann, ist der Ein-Finger-Powerchord und ballern. Das funktioniert einfach immer. Und dann eventuell noch ein paar Voicings oben drüberlegen. Pickings sind natürlich auch immer beeinflusst davon, zum Beispiel bei unserem Song ‚Zeit‘. Da zupfe ich im Intro und muss dann wirklich schauen, wann die Bass-Saite angeschlagen wird. Denn je nachdem, wie das Picking-Muster ist, spielt der Bass gegebenenfalls einen richtig weirden Rhythmus.

Gear-Talk über Amps & Effekte auf Seite 2

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