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Jimmy Page: Rockabilly Zeitzeuge

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Bevor er mit seinem Luftschiff in die Sphären des Heavy Rock abhebt, arbeitet James Patrick Page in London als Studiogitarrist. Noch heute erinnert er sich gut an die Zeit, als jener unerhörte Sound aus Amerika nach England herüberschwappte ….

Jimmy-Page
(Bild: Warner)

Jimmy, wie muss man sich die Rockabilly-Szene im London der 50er-Jahre vorstellen?

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Wenn wir über Rockabilly reden, meinen wir zumeist die Musik, die Elvis Presley anfangs machte. Oder Buddy Holly. Als die beiden damals ein gemeinsames Konzert spielten, hat das unser Leben verändert. Dieser neue Sound sprach sich bei uns herum wie ein Lauffeuer. Doch die Musik Presleys hatte noch einen weiteren Aufhänger. Er spielte als Weißer die Musik der schwarzen US-Bürger – und das zu einer Zeit, als es in Amerika eine strikte Rassentrennung zwischen Weißen und Schwarzen gab. Er hat sich mit seiner Musik sozusagen unter dem gesellschaftspolitischen Radar bewegt, hat es unterwandert und so diese Musik populär gemacht. Das finde ich bis heute wundervoll. Und als Elvis dann Arthur „Big Boy“ Crudups ‚It’s Alright Mama‘ oder Lieder von Sleepy John Estes spielte, wollten wir natürlich unbedingt wissen, wer diese Musiker waren. So begann letztlich der Aufstieg des Rockabilly und des Blues in England.

Inwiefern haben dich Gitarristen wie Scotty Moore, James Burton oder Gene Vincent geprägt?

Nun, mit ihrem Spiel bin ich aufgewachsen, daran habe ich mich regelrecht festgebissen, denn ihr Sound und Stil haben mich völlig weggeblasen. Dieser Rockabilly-Sound hat uns alle völlig fasziniert! Und dann entdeckte ich irgendwann ‚Train Kept A-Rollin‘, das mir regelrecht abstrakt vorkam und ich dachte: Was, bitteschön, ist das? Es ist doch immer so: Wenn dich etwas fasziniert, willst du es unbedingt spielen können. Also lernst du es, und das bringt dich als Gitarrist voran. Es ging mir nicht mal darum, den Song exakt zu kopieren, egal ob von Paul Burlinson oder Grady Martin: Es ging vielmehr um die gewaltige Inspiration, die von solchen Songs ausging. Das wollte ich spielen können. Und zwar in einer Band! Genau das tat ich dann mit Led Zeppelin … (Zum Beispiel im April 1969 auf ihrer US-Tour im Fillmore West in San Francisco.)

Du mochtest auch ungewöhnlich klingende Rock-&-Roller-Typen wie Link Wray, wie man in der Musik-Doku ‚It Might Get Loud‘ sieht. Sein Klassiker ‚Rumble‘ treibt dir heute noch ein Lächeln ins Gesicht.

Klar! Ich vergötterte seinen Sound und vor allem die Attitüde mit der er seine Musik spielte. Es gab Ende der Fünfziger niemanden, der so Gitarre spielte, mit so einer Hingabe und Coolness – wundervoll! Er war absolut dominant auf der Bühne. Und es hatte natürlich klasse, was er da spielte. Ich liebe ‚Rumble‘, vor allem die Stelle, wenn das Tremolo einsetzt. Du kannst hören wie er es aufdreht. Ich stellte mir das damals ganz genau vor, ich hatte gleich Bilder im Kopf, denn ich arbeitete ja als Studiogitarrist. Ich malte mir jedes Mal aus, welche Gitarren sie wohl benutzten, welche Amps, wie weit das Mikro vor der Box stand und all dieses typische Gitarristen-Zeug. Aber bei Link Wray dachte ich zum ersten Mal: Oh Mann! Das ist wirklich magisch!

Wie hat das auf dein Spiel abgefärbt?

Ich habe alles, was ich hörte aufgesogen wie ein Schwamm, habe alles gelernt, was ich auf Platte in die Finger kriegen konnte. Bis ich an den Punkt kam, dass ich den Blues, der im Rockabilly steckte, noch interessanter fand. Ich entdeckte den Blues aus Chicago und die Musik, die Labels wie Chess Records und Vee-Jay Records veröffentlichten. Oh, my goodness! Diese Labels hatten Studiomusiker die unfassbar gut waren! Die spielten nicht nur cool, die produzierten Sounds die mir regelrecht Angst machten! (lacht)

Was ist dran, an dem Gerücht, du hättest dich damals Elvis Presley als Gitarrist angeboten, der das jedoch abgelehnt haben soll.

Da ist nichts dran. Die Wahrheit ist, dass es einen Werbespot der BBC Television gab, der eine Musik-Doku zum Thema Rock’n’Roll bewarb, und für diesen Spot hatten sie Fotos von allen möglichen Sängern und Gitarristen zusammengeschnitten. Auch eines von Elvis Presley und eines von mir an der Gitarre. Das fand ich natürlich total cool! Aber das war schon alles. Den Rest hat die Presse draus gemacht.

Aber du hast später mit Robert Plant und Jeff Beck bei den Honeydrippers gespielt, die sich am 50s-Sound orientierten und Rockabilly-Klassiker coverten.

Oh, das war mehr Roberts Projekt. Zugegeben, ich bin auf dem Album vertreten, aber ich war kein Teil der Band. Ich war auch nicht bei den originalen Studio-Sessions dabei. Ich bin später eingekauft worden, um den Sound ein wenig aufzuhübschen und dem Projekt ein wenig Glanz zu verleihen, wenn du so willst.

Vielen Dank fürs Gespräch!

Dieses Interview wurde von uns 2015 aufgezeichnet. 

 

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Hallo,

    ein sehr cooles Interview, Vielen Dank!
    @Jürgen Frese
    Wenn mann keine Ahnung hat, […] Ich könnte kotzen, wenn ich so eine verdrehte Geschichte von ELVIS höre. (Von der Redaktion bearbeitet)

    Auf diesen Kommentar antworten
    1. Richtig, das ist ja völlig verdreht. Vielmehr war es eher so, dass man Elvis durch gnadenlose Kommerzialisierung vom ‘bad boy’ zum smarten ‘white boy’, zum Schnulzen-Heini umbog. Der Gipfel war seine Einziehung in die Army. Der Rock’n Roll wurde kaputt gemacht (nicht nur an Elvis).

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  2. Gene Vincent als Gitarrist? LOL. Gemeint ist wohl Cliff Gallup!

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