Jeff Beck Special

Jeff Beck privat: Der Mensch hinter dem Gitarrengott

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JUNGSTREFF

Irgendwann frage ich nach den Hotrods. „Was, das interessiert dich?“ strahlt er. „Klar“, gebe ich zurück. „Mein Bruder schraubt auch an alten Oldtimern!“ Sofort springt er auf und geht mit uns gut hundert Meter den Kiesweg weiter runter zur „Garage“. Was Jeff so nennt, ist nochmals ein riesiges Gebäude mit zahlreichen Räumen für seine Hotrods und einer großen Autowerkstatt, in der es an nichts zu fehlen scheint. Überall Ersatzteile, Reifen, Motoren und Werkzeuge. Ein Wohnhaus für die Autos!

Jeffs 32er Ford Hotrod (Bild: Udo Pipper)

Jetzt ist er in Hochform. Er erklärt uns sein Schaffen und wir landen schließlich vor einem mintgrünen 32er-Ford, der wohl gerade fertig geworden ist. Ich staune und bitte ihn, den Motor einzuschalten. „Yeeaahh, nichts leichter als das!“ Und schon brummt der Bolide, dass der Boden bebt. Ich hole meine Kamera raus und mache erste Bilder von ihm. Der Manager geht zum Haus zurück und holt Jeffs Telecaster, denn ich will ihn mit Gitarre im Auto ablichten. Da ist er etwas zurückhaltend. „Fotos? Mmmmhhh, das mag ich nicht so. Wie soll ich gucken? Nach unten, in die Kamera oder was?“

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Jeffs von Seymour Duncan modifizierte Gibby-Tele mit zwei PAF-Pickups (Bild: Udo Pipper)

Ich gebe ihm Anweisungen, die er geduldig befolgt. Der Nachmittag, der eigentlich ein professioneller Interview-Termin werden sollte, artet schließlich in eine Art Jungstreffen aus, in dem sich ein paar „Bekannte“ über ihre Hobbys unterhalten und einfach Spaß haben. Gitarren, Autos und Rockstar-Anekdoten. Vielleicht wurde das alles auch nur deshalb so entspannt, weil ich nicht nach den Yardbirds oder seiner ersten Gitarre gefragt habe, nach den Gründen für die Auflösung dieser oder jener Band und so weiter.

Er merkte schnell, dass ich auch vom Fach war, ließ mich auf seinen Gitarren spielen, erklärte mir, wie er seinen Amp einstellt, sein Tremolo bedient und seine Saitenlage so flach kriegt. Das Interview könnte man zusammenfassend auf ein paar Aussagen reduzieren, die typisch für ihn sind. Als ich frage, mit welchem „Approach“ er auf die Bühne geht, lacht er und sagt: „Ganz einfach. Augen zu und durch! Ich leg mir nichts zurecht. Das kann ich gar nicht.“ Als wir am frühen Abend aufbrechen wollen, fragt er beinahe entsetzt: „Wie jetzt? Wo wollt ihr hin? Ich dachte, ihr pennt hier. Ich hab ja Platz genug. Wir könnten nachher noch ins Pub gehen und was trinken.“

Schon scheint er Freundschaft mit uns schließen zu wollen. „Sandra ist im Norden bei ihrer Familie. Und so ganz allein hier im Haus finde auch ich das nicht immer so lustig.“ Unkomplizierter und freundlicher ist mir noch kein Interview-Partner begegnet. Jeff Beck ist kein schwieriger Mensch. Er ist warmherzig, immer scherzend und geradezu schelmisch. Er ist ein redsamer Unterhalter zu allen denkbaren Themen. Und Musik ist nur eines davon.

ÜBERZEUGUNGSTÄTER

Er wird mitunter auch nachdenklich, wenn es um die Kunst geht. „Mein Handwerk ist verdammt mühsam. Was kann man noch spielen, was noch keiner gespielt hat? Ich beneide Eric (Clapton), der Songs schreibt, dazu singt und ab und zu ein kleines Solo einbindet. Ich dagegen hab nur meine Strat und jeder erwartet den großen Wurf. Und den hab ich meist gar nicht parat.“ Später treffe ich ihn noch mal in Frankfurt, wo er sich meine Fotos anschaut und eines davon als Tourplakat auswählt. Welch eine Ehre!

Dort lädt er mich auch ein, ihn auf seiner Deutschlandtour zu begleiten. Ich sage zu und erlebe ihn dann zwei Wochen aus nächster Nähe. Auf Tour war er scheu und in sich gekehrt. Er ist Perfektionist, und wenn er aus seiner Sicht nicht gut genug gespielt hat, wurde er seltsam still. Zwei Jahre später treffe ich mich mit ihm noch mal auf einen Kaffee in Köln. „Hier wohnst du also“, fragt er. „Neee, ich wohne genau wie du auf dem Land. Draußen im Wald.“

Jeff Beck bei seinem Besuch in Köln 2001

Auch jetzt plaudern wir über Jimi Hendrix, Stevie Ray Vaughan, die er beide glühend verehrt und schmerzlich vermisst, denn „jetzt muss ich alles alleine machen!“ Über Hifi-Anlagen, veganes Essen und seine Mutter, die er in jedem Gespräch gleich mehrfach erwähnt. „Aus ihrer Sicht bin ich wohl so eine Art Porno-Darsteller geworden, so sehr verachtete sie unser Business.“ Als ich ihn beim Abschied frage, welches wohl sein größter Wunsch für die Zukunft sei, erwidert er ohne mit der Wimper zu zucken: „Das kann ich dir sagen. Ich wäre wieder gern in einer richtigen Band. Ich meine einfach nur der Gitarrist in einer Band. Wir würden zweimal in der Woche proben in meinem Haus, denn ich hab ja Platz genug, und danach in den Pub gehen auf ein Bierchen. So wie früher. Und das wären dann auch die Kumpels, die jedes Jahr auf meinen Geburtstag kommen.“

All das sagt er wie ein Kind mit großen Augen und nicht wie ein „schwieriger Mensch“. Das große Pop-Business war ihm stets suspekt. „Ja, das ist schon manchmal geil auf den Partys mit all den Pop-Stars. Alle liegen sich in den Armen und feiern. Aber wenn du dann mal aufs Klo gehst, versuchen sie dir sofort deine Freundin auszuspannen oder sowas. Und darauf hab ich keinen Bock.“ In diesem Sinne – Rest in Peace, lieber Jeff! (und vielen Dank an George Hofmann, der all das für mich erst möglich gemacht hat)

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2023)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Jeff Beck (R.I.P.) hat mich stets fasziniert. Sein absoluter Überflieger war das damalige Album „Jeff Beck‘s Guitar Shop“. Er zauberte sehr schöne Töne aus seiner Fender Stratocaster,die bis dato kein anderer Gitarrist so virtuell und präzise nachahmen konnte,wie er,-der unbestrittene Meister des Gitarrenvibratohebels.

    Die wuchtigen Ahornhälse seiner Strats waren ja so fett wie halbierte Baseballschläger. Ich hatte mal die Gelegenheit in einem Berliner Gitarrenladen eine richtig teure Jeff Beck Signature Stratacaster anspielen zu dürfen,und erkannte damals sofort,daß es recht schwierig,bis beinahe fast unmöglich war,mit solch einem dicken Hals saubere Akkorde zu greifen.

    Jeff machte damalig auch gar keinen Hehl daraus,daß er sowieso ausschließlich mit dem Vibratohebel seiner Strats geschickt hantierte,und somit seine extra vaganten Songs kreierte. Aber,es muß wohl einen Sinn
    gehabt haben,weshalb der Halsdurchmesser seiner Fender Stratocaster stets so überdimensioniert wurde.

    Mein Songtitelfavorit: „People get ready“ mit Rod Steward‘s Reibeisenstimme und dem sagenhaft harmonischen Intro eines Jeff Beck,der uns jetzt schon so sehr fehlen wird. Seine Musik bleibt aber unsterblich.

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    1. Vibrato, Sie übertreiben. Ich spiele selbst ein Jeff Beck Signature Modell. Zugegeben, der Hals ist dicker als der von meiner 89er American Standard Strat, aber bei mir ist es umgekehrt: Der Hals von der 89er ist mir schon lange zu dünn, so dass ich die Gitarre nicht mehr benutze. Und der Einsatz des Vibratohebels hat nun gar nichts mit der Stärke des Halses zu tun.

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  2. Von dieser (privaten) Seite kannte ich Jeff Beck noch gar nicht. Der Artikel hat mir sehr gut gefallen. Vielen Dank!!
    Schade, dass Jeff Beck so früh gehen musste. Was hätte man nicht noch alles von Ihm hören können.

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    1. Schöner und sehr menschlicher Artikel!

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      1. Das seh ich auch so, 🙏👏

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    2. Moin, ” so früh gehen musste..”
      78 Jahre alt ist er gewesen, das ist alles andere als früh. Hendrix, Morrison, und viele Andere sind keine 30 geworden, das ist früh! Wir sollten uns vor solchen Phrasen in Acht nehme.

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      1. Mann!
        Ich bin 75 und bearbeite meine Strat seit 1963, also 60 Jahre. Und ich denke nicht daran, mich alt zu fühlen oder zu sterben, solange meine Finger noch die Saiten treffen und ziehen können!
        Allerdings habe ich ja auch noch 3 Jahre, bis ich Jeffs Alter erreiche!

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        1. Moin.
          Ich drücke dir die Daumen dass du auch noch älter werden darfst.

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    3. Eine sehr schöne Geschichte, die einen miterleben lässt.
      Rest in Peace lieber Jeff. Ich habe deine Platten rauf und runter gehört.
      Großartig fand ich immer wieder , dass du geniale Musikerinnen mit auf deine Tour genommen hast.

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  3. Wow, sehr herzberührender Artikel von unser aller Heroe. Bin total begeistert! Ganz großes Kompliment an Udo Pipper für diesen tollen Bericht, der Jeff (R.I.P.) von einer Seite zeigt, die ich so gar nicht kannte. Aber die ihn noch cooler/sympathischer für mich macht.

    LG an Euch alle, insbesondere auch an George. Zeit verfliegt so unglaublich schnell. Das letzte Mal trafen wir uns am 01. November 2010 in Stuttgart bei Jeff’s genialem Konzert zusammen mit Jason Rebello (arbeitete 2006 unter anderem auch mit “unserem” Maxi von Faithless an “Summertime”), Rhonda Smith, Narada Michael Walden (mit ihm hatten wir gerade ein eigenes Projekt seit 2008). Und bis morgens haben wir zusammengesessen und über alte tolle Musikzeiten gesprochen. Great to have ya all!

    Domo arigato!

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  4. Ein ergriffen menschlicher Typ, so ich immer vermutet hatte.
    Dein Bericht hat mich wieder daran erinnert, wie sehr ich geweint habe über Jeffs Ableben. Hätte ihn gerne einmal getroffen.

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  5. Was für ein geiler Typ das gewesen sein muss,..
    Ich vermisse ihn..💔
    Aber schönes Interview, das zeigt das er ziemlich auf dem Boden geblieben ist.
    🙏

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  6. Er war bislang der einzige “Rockstar”, um den ich geheult habe wie ein Schlosshund…
    Hab mich gefragt; warum eigentlich?
    Vielleicht weil er alles, was er zu sagen hatte, gespielt hat.
    Und man hat verstanden.

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  7. Auf dem Festival in Montreux hat Jeff ein großartiges Konzert gegeben, ich erinnere mich nicht an das Jahr. Danach saßen wir in der Hotelbar, und Jeff kam mit seinem Manager herein. Ich bin zu ihm gegangen und habe ihm gratuliert zu der großartigen Performance, war auch ein bisschen aufgeregt und habe losgeplaudert, daß ich ein Fan bin seit Yardbirds-Zeiten. Jeff hat sich sehr freundlich bedankt, und wir haben kurz über seine Musik und Kollegen geplaudert. Er fühlte sich, glaube ich, überhaupt nicht belästigt und hat, so mein Gefühl, gerne geplaudert. Irgendwann hatte ich das Gefühl, ich halte ihn von seinem Drink ab und verabschiedete mich. Er war unglaublich zugewandt und aufgeschlossen und winkte mir noch zu, als er aus der Bar ging. So schön, wenn ein wahrhaft Großer sich so einen angenehmen Charakter bewahrt! Ich vermisse Jeff!

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  8. Welche Küche braucht einen Elektroherd?

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  9. Ein sehr schöner Artikel, der einen Eindruck wiedergibt, den ich aus Videos auch von ihm hatte. Nicht immer dieses Gefrage (was mich allerdings auch interessiert) wann er was wo gespielt hat usw. sondern einfach die Schilderung einer Begegnung mit dem Menschen. Großartig!
    Dieses Video (leider mit asiatischem Untertext) spiegelt diesen Eindruck sehr gut.
    https://www.youtube.com/watch?v=VMl5B6eq9as&t=151s
    Sein Tod ist ein großer Verlust, aber was er der Welt gegeben hat, bleibt!

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  10. Wäre mal interessant gewesen, näheres über seine Saiteneinstellungen (niedrig?) und die Tremoloeinstellungen zu erfahren, ebenso über seine Ampsettings. Mit einem normalen Tremoloarm kann man ja bei weitem nicht so nuanciert und feindosiert (micro tones) spielen, meine ich. Das Geheimnis dahinter würde mich interessieren.

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  11. Das ist schon toll wenn man die Leute in ihrer eigenen Umgebung kennenlernen darf, insbesondere dann wenn man selbst Musiker ist, die Werke des Künstlers kennt und auch mit deren Hobbys etwas anfangen kann.
    Ich kann mir schon vorstellen, dass es viele abtörnt wenn immer die gleichen Fragen gestellt werden und manch einer keinen Bock mehr hat auf diese Art Interviews.

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  12. So eine tolle Story und doch so traurig, weil “Schorsch” George Hofmann völlig überraschend am 28.4. gestorben ist! 🖤

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